Mülheim. Rosemarie und Wolfgang Kittel aus Mülheim sind länger miteinander verheiratet als die meisten. Was Spiele mit ihrer langen Liebe zu tun haben.
„Wie geht´s denn eurem kleinen Bernd“, wurden Rosemarie und Wolfgang Kittel vor wenigen Monaten mit einem Augenzwinkern nach dem Befinden ihres Sohnes gefragt. Ihre Antwort war: „Gut. Er ist jetzt gerade 70 geworden.“ Als das erste Kind des Ehepaares Anfang des Jahres 1954 geboren wurde, waren die beiden heute 90-Jährigen noch nicht verheiratet und lebten noch in ihrer Geburtsstadt Görlitz. Die Eheschließung holten sie dann aber schnell nach, am 4. September des Jahres, in dem Deutschland zum ersten Mal Fußballweltmeister wurde.
„Da wir beide erst 20 waren, mussten unsere Eltern noch zustimmen“, erinnert sich Wolfgang Kittel. Das sei aber kein Problem gewesen. „Wir mussten heiraten“, ergänzt er grinsend, löst dann aber auf: „Sonst hätten wir keine Wohnung bekommen.“ Damals war man erst mit vollendetem 21. Lebensjahr volljährig und Wohnungen wurden nur an verheiratete Paare vermietet. Das ging bis weit in die 70er Jahre. Freunde nahmen sie damals auf die Schippe und sprachen von einer „Kinder-Hochzeit“, weil die Beiden noch so jung waren, blickt der Senior zurück.
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Mülheimer über seine zukünftige Frau: „Die möchte ich wiedersehen“
Kennengelernt hatten sich die beiden zwei Jahre vor ihrer Eheschließung eher zufällig. „Ich habe einen Freund von einer Feier in der Firma abgeholt, in der Rosi gearbeitet hat“, erinnert Wolfgang Kittel sich noch ganz genau an das Ereignis vor 72 Jahren. Als er sie sah, habe er sich gedacht: „Die möchte ich wiedersehen.“ Vermittelt von dem Freund, den er damals von der Feier abgeholt hatte, folgten Verabredungen zum Tanzen.
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Etwas mehr als ein Jahr später sei er dann mal nach Hause gekommen und von seinen Eltern sehr überraschend zu einem ernsten Gespräch gebeten worden. „Ich wusste überhaupt nicht, was los war! Die Beiden fingen dann an, mir von Männern zu erzählen, die schändlicher Weise ihre schwangeren Freundinnen sitzen lassen. Dabei hatten wir denen doch noch gar nichts von der Schwangerschaft erzählt.“ So kam raus, dass seine Mutter heimlich die Briefe gelesen hatte, die Rosi ihm geschickt hatte und in denen die Schwangerschaft thematisiert wurde.
Paar flüchtet aus der DDR nach Mülheim - Arbeit gibt‘s bei Siemens
Nur ein weiteres Jahr später, 1955, verlagerte die dreiköpfige Familie ihren Lebensmittelpunkt aus der DDR nach Mülheim. „Ich hatte bei der Arbeit Monteure aus Mülheim von Siemens kennengelernt“, berichtet der heutige Mülheimer, der damals in einer Firma für Waggon- und Maschinenbau arbeitete. „Bei den Monteuren aus Mülheim habe ich zum ersten Mal einen Ledermantel und einen Rasier-Apparat gesehen, denn sowas gab’s bei uns damals nicht.“ Wolfgang nahm Kontakt zu Siemens auf und lotete seine Chancen auf eine Zukunft im Ruhrgebiet aus – mit Erfolg. Es gab aber noch ein Problem.
DDR-Bürger durften damals nur auf Einladung in den Westen reisen. „Das war ’ne schlimme Zeit“, wirft Rosi ein. „Das war Scheiße!“, unterstreicht Wolfgang sanft. Es wurde vereinbart, dass eine Einladung zur Hochzeit des Montage-Leiters von Siemens das Signal für den Neustart der Görlitzer Familie im Westen sein sollte. Die Einladung kam, Wolfgang beantragte eine Ausreise-Genehmigung für den Besuch und reiste nach Mülheim. Rosemarie nutzte den Geburtstag ihres Bruders in Dortmund, vier Wochen später, um ebenfalls eine Ausreise-Genehmigung zu beantragen und folgte ihrem Mann in den Westen. Der kleine Bernd folgte später mit den Großeltern.
Ein Grundsatz ihrer langen Ehe: Nie im Streit zu Bett gehen
In den folgenden Jahren und Jahrzehnten nahm das Wirtschaftswunder in Deutschland Fahrt auf. Anfang der 60er Jahre wurde die kleine Bettina geboren und komplettierte die Familie. Es folgten die Swinging Sixties, die wilden Siebziger, die poppigen Achtziger, die Neunziger mit ihren weltumspannenden Umwälzungen und dann die beiden ersten Jahrzehnte des neuen Jahrtausends. Alles veränderte sich, aber Rosi und Wolfgang blieben verheiratet.
Ihre Silberhochzeit feierten sie Ende der 70er Jahre und ihre Goldene Hochzeit bereits vor 20 Jahren. Nun sind sie in das achte Jahrzehnt ihrer Ehe gestartet und machen dabei einen überaus fröhlichen, harmonischen und ausgeglichenen Eindruck. „Wir haben nie Langeweile gehabt, haben einen großen Bekanntenkreis, wir spielen jeden Tag mindestens zwei Stunden Brettspiele und wir sind nie im Streit zu Bett gegangen“, deutet Wolfgang an, was das Geheimnis einer so langen Ehe sein könnte und seine Frau seit 70 Jahren pflichtet ihm bei. Außerdem, fügt er stolz hinzu, sei er derjenige, der im Haus kocht und das schon sehr, sehr lange.
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