Mülheim. . Vor 45 Jahren machten sie Abitur und gingen sich dann aus dem Wege. Heute sind die Schüler von einst eine feste Gemeinschaft, die mit Ehefrauen „auf Klassenfahrt“ geht .

Ein Hauch von „Feuerzangenbowle“ sei schon dabei, wenn sie sich Jahrzehnte nach ihrer Schulzeit träfen. Doch die Klassentreffen heute, sagt Peter Wolfmeyer, seien weit mehr als nur ein Schwelgen in alten Erinnerungen. Thomas Michael Wessel spricht von einem echten Freundeskreis, der mit zunehmendem Alter immer wertvoller werde, und sein Klassenkamerad Norbert Szech hat in der Gruppe sogar das Gefühl von „Heimat“, wie er sagt, ein Ort, „wo man sich nicht mehr erklären muss“. Man verstehe sich heute blind. Das war längst nicht immer so.

Sieben Jahre haben sie zusammen Latein, sieben Jahre Englisch, fünf Jahre Französisch gepaukt am damaligen Staatlichen Gymnasium in Mülheim, dem heutigen Otto-Pankok-Gymnasium. 16 waren sie in der Klasse und „sich nicht besonders nah“, wie Wessel, der heute als Anwalt und Notar tätig ist, feststellt. Nach dem Abitur ging man sich aus dem Weg. Viele verließen die Stadt zum Studieren. Sie gehörten noch zu der Schülergeneration, die am Gymnasium eine Aufnahmeprüfung machen musste, die mit viel Drill und Druck von Lehrerseite lebte und die Schule zuweilen als Angstraum erlebte.

Fast normale „Klassentreffen-Geschichte“

Nach zehn Jahren erinnerte sich zumindest einer an seine „Leidensgenossen“ von damals. Was mag aus ihnen geworden sein? „Erstmalig haben wir uns dann im Wasserbahnhof wieder getroffen, und weil die gefühlte Distanz immer noch irgendwie vorhanden war, beschlossen wir, in zehn Jahren wieder zusammenzukommen“, so Wessel. Bis dahin ist es eine fast normale „Klassentreffen-Geschichte“. Geworden war damals aus allen etwas: Ingenieur, Kaufmann, Betriebswirt, Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer, Lehrer.

30 Jahre nach dem Abitur war der Wunsch entstanden, sich öfter zu sehen. Es gab immer mehr zu erzählen, zum Austauschen – Beruf, Kinder, Hobby, Last und Lust. „Wir sind alle in der gleichen Lebensphase“, sagt Klaus Boßeck. Man lernt auch voneinander, verrät Wolfmeyer und verweist etwa auf seinen Klassenkameraden Klaus Boßeck, der als Segler ihm andere Welten öffne.

„Die Frauen verstanden sich auf Anhieb gut“

Inzwischen treffen sie sich zwei-, dreimal im Jahr. Der erste gemeinsame Ausflug wurde gemacht – eine Kreuzfahrt nach Kettwig. „Um der neu entstandenen Klassenfreundschaft noch einen oben drauf zu setzen, haben wir dann beschlossen, zusammen mit unseren Frauen einmal im Jahr eine Klassenfahrt zu machen“, erzählt Wessel. Und – es klappt. „Die Frauen verstanden sich auf Anhieb gut.“ So fuhren sie mit einem gecharterten Bus wie in alten Schülerzeiten nach Brüssel, in einem anderen Jahr ging es nach Hamburg.

13 von damals 16 Klassenkameraden sind heute noch dabei. Einer ist leider verstorben, einer verschollen. Sie werden gemeinsam auch alt und sie witzeln bereits, dass man eines Tages mit den Rollatoren kommen werde. „Mir würde etwas fehlen, wenn es die Gruppe nicht gäbe“, gesteht Kurt Rosorius. Alle sprechen von einer gewissen Geborgenheit. Vielleicht brauche man so etwas auch. „Die junge Leute haben Facebook, wir haben uns“, meint Szech. Für Wolfmeyer steckt in der Gruppe auch der Geist von Alumni, einer Organisation, die den Zusammenhalt zwischen Ehemaligen einer Schule oder Hochschule pflegt, was in anderen Ländern stärker ausgeprägt ist als in Deutschland.

2015 soll es nach Dublin gehen. „Und wenn unser 50. Abiturjubiläum ansteht, planen wir was ganz Großes“ – so viel steht fest. Während die meisten sich nach der Schulzeit völlig aus den Augen verlören, erlebten sie, so drückt es Wessel aus, einen „umgekehrten Lebensablauf“. So könnte es für sie immer weitergehen, Ende offen.