Mülheim. Ein saniertes Mülheimer Denkmal-Ensemble mit langer Historie kommt unter den Hammer. Mindestgebot liegt bei 790.000 Euro. Ein Blick ins Innere.
Vereinzelt gibt es in Mülheim noch Häuser, die eine wirklich lange, interessante Geschichte haben. Eines davon steht mitten im Dorf Saarn und sein Anblick ist den Menschen lieb und vertraut. Bei der Herbst-Auktion des Auktionshauses Grundstücksbörse Rhein-Ruhr am Donnerstag, 26. September, 11 Uhr, soll es den Eigentümer wechseln.
Die Rede ist vom „Kotten Ferschen“ an der Düsseldorfer Straße 65, gelegen zwischen Spitzweg-Apotheke und „Stilvoll in Saarn“. Mülheims Geschichtsforscher Heinz Weirauch berichtet von diesem Fachwerk-Kleinod in seinem Buch „Von Bauern und Köttern, Pächtern und Aufsitzern - Höfe und Kotten in Saarn“. Er vermutet, dass das Ensemble mit Scheune schon um 1680 entstanden ist - und so verwundert es auch nicht, dass Auktionator Klaus-Peter Großmann sagt: „Wenn dieses Haus erzählen könnte, wäre das spannend.“
Erster namentlich bekannter Bewohner des Fachwerkhauses in Mülheim-Saarn hieß Johann Ferschen
Laut Heinz Weirauch, auf dessen Recherchen sich Großmann mehrfach bezieht, stammte der erste namentlich bekannte Bewohner des Ferschenhauses, Jan (Johann) Dietrich Stockmann, vom Niederrhein. Ab 1690 soll er in Saarn ansässig gewesen sein, rund zehn Jahre später eingeheiratet haben auf den Kotten. Eher ungewöhnlich für die damalige Zeit habe der Schumacher den Namen seiner Frau angenommen und sich seit Eheschließung Johann Ferschen genannt.
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Knapp 100 Jahre später lebte im Kotten ein namensgleicher Enkel. Dessen Frau Christina, geborene Brincken, brachte als Aussteuer Ackerland mit in die Ehe, hat Großmann in Weirauchs Buch gelesen. Die nächste Generation habe die rund 15 preußischen Morgen sowie 232 Ruthen Waldfläche untereinander aufteilen müssen. Ab 1830 war erneut ein Johann Ferschen, der als Schäfer arbeitete, Besitzer des Kottens. In den Folgejahren sollen Tochter Catharina und später Enkelin Catharina Wilhelmine mit ihren Männern dort gelebt haben. Noch bis 1918 habe man Landwirtschaft betrieben, sei dann in den Gartenbau eingestiegen. Geschichtsforscher Weirauch nennt das Objekt „die letzte vollständig erhaltene Saarner Kottenanlage“; mehr als 300 Jahre lang war sie in Familienbesitz.
Die Dörnenburgs waren die letzten Nachfahren der Ferschens, die im Kotten zu Hause waren
Der Name Ferschen allerdings ist über die Jahre verschwunden. Die letzten unmittelbaren Nachfahren hießen Nagel und Dörnenburg, besagt die Homepage des Stammtisches „Aul Ssaan“, auf der verschiedene Saarner Baudenkmäler vorgestellt werden. Demnach stammt auch der im Garten des eingeschossigen Fachwerkhauses stehende Schuppen vom Ende des 17. Jahrhunderts.
2006 ging die lange Familiengeschichte zu Ende, das weiß auch Ralf Hillenbrand, der aktuelle Eigentümer. Gärtner Hans Robert Dörnenburg, geboren 1941, habe sich damals vom Kotten getrennt, sei aber nach wie vor an der Entwicklung des Hauses und an der Sanierung interessiert gewesen. „Er kam auch nochmal vorbei, um sich alles anzuschauen“, erinnert sich Hillenbrand. „Er hat sich gefreut, wie schön und schmuck es geworden ist.“ Begeistert habe ihn auch, „was aus der ehemaligen Scheune geworden ist, die lange eine Ruine war“.
Die beiden Häuser werden aktuell gewerblich genutzt, die Mietverträge laufen noch zwei Jahre
Hillenbrand hat Vorder- und Hinterhaus 2010 teilsaniert übernommen und in den Folgejahren sukzessive nach Denkmalvorgaben fertiggestellt, diverse Ein- und Umbauten veranlasst. „Die Fachwerksanierung 2018/19 war der Höhepunkt.“ Nie sei es darum gegangen, ein Museum zu errichten, sondern die alte Substanz so zu überarbeiten, dass eine moderne Nutzung möglich ist. Wer die Häuser heute besichtigt, findet eine gelungene Kombination aus alt und neu vor, und manches Überraschendes wie die topmoderne Küche.
Anfangs bewohnte der 61-Jährige beide Gebäude, das vordere Haus hat rund 86 Quadratmeter, das hintere 50. Auch ein kleiner Garten gehört zum Ensemble, insgesamt misst das Grundstück 378 Quadratmeter. Seit 2012 wird das Hinterhaus gewerblich genutzt, die Volksbank Immobilien Rhein-Ruhr zog damals ein, entschied sich aber 2016, ihr Büro in die erste Reihe zu verlegen. Hinten arbeitet nun ein Börsenmakler. Beide Objekte also werden gewerblich genutzt. „Es spricht aber nichts dagegen, sie wieder in Wohnraum umzuwandeln“, so Großmann. Lange Jahre habe auch eine Baugenehmigung für einen Anbau ans Vorderhaus vorgelegen, diese sei kürzlich allerdings abgelaufen.
Auktionator bezeichnet das noch vermietete Objekt als „ideale Kapitalanlage“
Für weitere zwei Jahre bestehen noch Mietverträge; Großmann nennt das Objekt in guter Lage daher vor allem „eine ideale Kapitalanlage“. Den „mit viel Liebe zum Detail“ sanierten Kotten „auf technisch neustem Stand“ könne man kaum als „Immobilie von der Stange“ bezeichnen, er sei etwas Außergewöhnliches.
Das Mindestgebot für das Ensemble liegt bei 790.000 Euro. Weitere Informationen - auch zum Ablauf der Auktion im Philharmonie Essen Conference Center, Huyssenallee 53, sowie zur Registrierung - gibt es unter agb-rr.de. Dort finden sich unter anderem auch Angaben zu einem Mehrfamilienhaus an der Dohne und vier Eigentumswohnungen am Haagerfeld, die an diesem Tag ebenfalls versteigert werden sollen.
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