Mülheim. Aus der Mülheimer Walkmühlenkapelle ist ein beeindruckendes Wohnhaus entstanden. Auch Urlauber und Hochzeitspaare können die Immobilie nutzen.

Keine Frage, es war eine Herausforderung: der Umbau der ehemaligen Kapelle im Mülheimer Rumbachtal zu exquisitem Wohnraum. Auch, weil es manchen gab, der gern festgehalten hätte am evangelischen Gotteshaus, also mit Argusaugen verfolgte, was sich vor Ort tat. Rainer und Annette Sensener schreckte das nicht. Sie waren inspiriert vom alten Gemäuer – und haben sich dort in rund anderthalb Jahren ein einzigartiges Zuhause geschaffen. Ihre fünfköpfige Familie mit Hund und Katz teilt sich den Prachtbau nun mit mehreren Mietern. Und auch andere Menschen können dort glücklich werden: Wer mag, kann an der Walkmühlenstraße luxuriös Urlaub machen – oder sogar heiraten.

Neben der Villa am Ruhrufer, Mülheims einzigem Fünf-Sterne-Hotel, gibt es nun auch eine Fünf-Sterne-Ferienwohnung in der Stadt. Der Deutsche Tourismusverband hat das 80 Quadratmeter große Designstudio „Church 46“ unlängst besichtigt und den Senseners bestätigt, dass der Standard den strengen Kriterien entspricht.

Wer den Kopf in den Nacken legt, schaut geradewegs in den alten Glockenturm

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Die Unterkunft, für die 190 Euro pro Nacht zu zahlen sind, ist voll ausgestattet und mit hochwertigen Möbeln versehen, zudem klimatisiert. Sie verfügt über Cabriofenster, die sich in Sekunden zu einem Mini-Balkon in Richtung Rumbach und Wald verwandeln lassen. Die Historie des Kirchleins ist auch in diesen Räumen unübersehbar: Wer den Kopf in den Nacken legt, schaut geradewegs in den alten Glockenturm, auf dem seit rund 35 Jahren der goldene Wetterhahn posiert.

Bimmeln kann die Glocke noch, das demonstrieren die Senseners beim Rundgang durchs Haus, doch es gibt keinen festen Rhythmus mehr. Das antike Geläut kann hochmodern per Handy angesteuert werden, theoretisch geht das zu jeder Tageszeit, zum Beispiel um Freunde standesgemäß zu begrüßen. Oder neue Gäste. Zuletzt hatte sich ein kanadisches Ehepaar für zehn Tage in die Ferienwohnung eingemietet. Über die Online-Plattform Booking.com waren sie auf das Kleinod im fernen Mülheim an der Ruhr aufmerksam geworden. Und völlig begeistert, erzählt Immobilienkauffrau Annette Sensener: „Sie waren happy, fanden die Wohnung noch viel schöner als auf den Bildern im Netz.“

Der Umbau ist vollbracht: Aus der Kapelle im Mülheimer Rumbachtal ist ein großzügiges Zuhause für die Familie von Rainer und Annette Sensener geworden. Das Foto zeigt sie auf der ehemaligen Orgelbühne.
Der Umbau ist vollbracht: Aus der Kapelle im Mülheimer Rumbachtal ist ein großzügiges Zuhause für die Familie von Rainer und Annette Sensener geworden. Das Foto zeigt sie auf der ehemaligen Orgelbühne. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

„Ein Opa hat gesagt: ,Immer, wenn ich da jetzt vorbeigehe, strahlt mein Herz’“

Überschwängliche Reaktionen auf das in neuem Glanz erstrahlende Objekt gibt’s oft, erzählt die stolze Eigentümerin: „Ständig bleiben Leute stehen. Es haben auch schon Autos angehalten und die Fahrer mit hoch erhobenem Daumen gegrüßt. Auch beim Sommerfest letztens haben sich Nachbarn bedankt. Und ein Opa hat gesagt: ,Immer, wenn ich da jetzt vorbeigehe, strahlt mein Herz’.“

Auch sie selbst sind – jetzt, da nur noch kleinste Arbeiten zu erledigen sind – einfach zufrieden. „Das ist weit und breit das schönste Haus“, findet Rainer Sensener. Das Raumklima im hallenartigen Wohnzimmer, in dem früher der Altar stand, sei „selbst bei 40 Grad ein Traum“. Und dass die Kapelle so ausgerichtet ist, dass die Sonne den ganzen Tag über durch die alten Kirchenfenster strahlt und den Raum in buntes Licht taucht, sei perfekt. „Es ist auch wunderbar, direkt am Wald zu wohnen. Morgens hören wir oft den Kuckuck.“

Dort, wo früher Gläubige beteten, steht jetzt eine hochmoderne, offene Küche

Erfahrene Ruhrgebietler, die durchs Haus streifen, fühlen sich ein bisschen wie sonst auf der Route Industriekultur. An vielen Stellen findet sich Vertrautes – die hölzerne Flügeltür am Eingang, die Orgelbühne, Teile der historischen Mauern – und doch ist alles anders. So steht dort, wo früher Gläubige beteten, jetzt eine hochmoderne, offene Küche. Und eine Treppe mit massiven Holzstufen führt aus dem Wohnzimmer mit Eichenholzparkett – früher der Hauptraum des Kirchleins – hoch ins Büro der Senseners.

Vom Wohnzimmer mit Eichenholzparkett – früher der Hauptraum des Kirchleins – führt eine massive Treppe hoch zum Büro des Ehepaares. Die Kirchenfenster wurden erhalten. Die Schlafzimmer der Familie und die Sauna befinden sich im Untergeschoss.
Vom Wohnzimmer mit Eichenholzparkett – früher der Hauptraum des Kirchleins – führt eine massive Treppe hoch zum Büro des Ehepaares. Die Kirchenfenster wurden erhalten. Die Schlafzimmer der Familie und die Sauna befinden sich im Untergeschoss. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Anstelle von Kirchenbänken steht ein Kamin mitten im Hauptzimmer. Eine Terrasse ist angebaut, mit Treppe in den Garten. Hinter Bogenfenstern im Untergeschoss befindet sich die Sauna. Und angrenzend ein Hauswirtschaftsraum, „den’s 100 Jahre lang gar nicht gab“. Das Zimmer lag verborgen hinter dicken Mauern. „Wir dachten schon, wir finden da noch einen Popen . . .“, sagt der Hausherr und grinst.

Unten wohnte der Pfarrer, darüber der Küster – nun sind die Bewohner ganz weltlich

Auch drei Mietwohnungen sind in dem Objekt entstanden, zwischen 50 und 105 Quadratmeter groß. Eine ist nur von außen erreichbar, die anderen über das wunderschön restaurierte Treppenhaus im Inneren. Im Erdgeschoss wohnte einst der Pfarrer, in Etage eins der Küster. Seit Juni erklimmen rein weltliche Bewohner frohen Mutes tagtäglich die roten Stufen.

Blick ins Treppenhaus der umgebauten Kapelle im Rumbachtal
Blick ins Treppenhaus der umgebauten Kapelle im Rumbachtal © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Senseners selbst sind bereits Ende April eingezogen, da war die Baustelle noch in vollem Gange. Der Weg zu all dem Schönen war nicht nur einfach: Zwar hat Rainer Sensener als Bausachverständiger gute Kontakte zu Handwerkern und auch die Zusammenarbeit mit dem städtischen Denkmalschutz habe hervorragend geklappt. „Die nehmen ihren Job ernst, sind für jedes Detail, für jede Farbe extra rausgekommen und haben zusammen mit uns nach Lösungen gesucht.“

Einige Bogenfenster waren falsch ausgemessen – bedeutete: Acht Wochen Verzug

Und doch, so wie bei fast jeder anderen Baumaßnahme, gab es auch bei Senseners Schwierigkeiten. Sie mussten „einen harten Kampf“ ausfechten, um eine Lösung für die Haustüre zu finden – das alte Portal sollte unbedingt erhalten bleiben. Außerdem waren einige Bogenfenster falsch ausgemessen worden und mussten erneuert werden, was einen Verzug von zwei Monaten bedeutete.

Die alten Holztüren umrahmen die moderne, energieeffiziente Eingangstür.
Die alten Holztüren umrahmen die moderne, energieeffiziente Eingangstür. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Das größte Problem aber entstand bei der Überarbeitung der Fenster. „Das war das Heftigste“, sagen Senseners unisono. Um energieeffizient zu sein, habe man besonderes Glas eingesetzt – „so wie in der Elbphilharmonie in Hamburg“ –, leider sei dieses aber schon an mehreren Stellen verkratzt. „Und dann wurden noch die historischen Fenster-Verschlüsse aus Holz einfach überstrichen“, ärgern sie sich. „Wir konnten nächtelang nicht schlafen.“ Auch Nacharbeiten hätten die Sache nicht verbessert. Und das nervige Kapitel sei leider noch nicht beendet: „Ein Sachverständiger hat uns zu rechtlichen Schritten geraten.“

Krise im Handwerk: Baukosten erhöhten sich um rund ein Viertel

Letztlich mussten Annette und Rainer Sensener in ihr Haus „rund 20 bis 25 Prozent mehr investieren als geplant“. Man sei „weit im siebenstelligen Bereich“ gelandet, sagt der Hausherr. Natürlich sei die Krise im Handwerk mitursächlich. „Zum Glück haben wir vorausschauend geplant und Material frühzeitig bestellt und auf Lager gelegt“, so seine Frau. „Andernfalls wäre es noch teurer geworden.“

Wer sich für das Projekt interessiert, hat voraussichtlich am ersten Adventswochenende die Gelegenheit zu einem näheren Gespräch mit den Eigentümern. Das Paar plant, Nachbarn, Freunde, Bekannte und Handwerker zu Glühwein und Suppe in den Innenhof einzuladen.

„Man wird in der alten Kapelle wieder heiraten können“, verspricht die Hausherrin

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Ein Thema dürfte dann auch dieses sein: „Man wird in der alten Kapelle wieder heiraten können“, kündigt Annette Sensener beim Rundgang an. Die Leiterin des Standesamtes habe sich bereits vor Ort umgesehen und befürworte das Vorhaben. Noch ist nicht alles durchgeplant, aber angedacht ist, „alle zwei Monate freitags mehrere Hochzeiten im ehemaligen Kirchenraum zu ermöglichen“. Sprich, im Wohnzimmer der Familie. Bis zu 20 Gästen wollen sie Zutritt gewähren, so die Senseners, und auch zum Sektempfang laden.

Die Kirche wird daran nicht beteiligt sein; Vorbild sollen die standesamtlichen und freien Trauungen im Aquarius Wassermuseum sein. Natürlich wolle man mit dieser Aktion „auch ein wenig Geld“ verdienen. „Vor allem aber haben wir Spaß daran, die Menschen hier bei uns zu empfangen.“