Herne. In Herne kandidiert Moritz Ritterswürden für die FDP: Wie er sich intern durchsetzte, wofür er antritt, warum er mit der AfD abgestimmt hätte.

In Herne heißt der Frank Sinatra der Herner FDP Moritz Ritterwürden. Der 23-jährige singt zwar nicht so schön wie einst der US-Weltstar und ist auch keine Hollywood-Legende. Doch als Bundestagskandidat hat er sich auf gewisse Weise die Botschaft von Sinatras Klassiker „New York, New York“ - wenn du es dort schaffst, schaffst du es überall - zu eigen gemacht.

Fünf Prozent strebt er als Direktkandidat der Herner FDP im Wahlkreis an. „Wenn wir das hier schaffen, dann schaffen wir das überall.“ So ganz sicher ist sich der Jura-Student vor dem Hintergrund der politischen Großwetterlage allerdings nicht, dass seine Partei bundesweit die 5-Prozent-Hürde nehmen und in den Bundestag einziehen wird. „Es wäre schade und tragisch, falls dies nicht gelingen würde. Selbst Menschen, die die uns nicht gut finden, sagen, dass eine liberale Stimme dem Bundestag gut tut“, erklärt er und verweist unter anderem auf den früheren SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel.

„Ein super Spitzenkandidat“: Moritz Ritterwürden lobt den FDP-Vorsitzenden Christian Lindner, übt aber auch leise Kritik am Parteikurs beim Ampel-Aus.
„Ein super Spitzenkandidat“: Moritz Ritterwürden lobt den FDP-Vorsitzenden Christian Lindner, übt aber auch leise Kritik am Parteikurs beim Ampel-Aus. © dpa | Franziska Kraufmann

Es war 2018 vor allem die Stimme des FDP-Vorsitzenden, die ihn zum Eintritt in die FDP bewegt hat: „Ich wollte politisch etwas tun. Und was die FDP und vor allem Christian Lindner sagten, hat mich am meisten abgeholt.“ Ganz unkritisch sieht er den Parteivorsitzenden bzw. dessen Rolle heute allerdings nicht. „Ich mag ihn sehr, und er ist für die FDP ein super Spitzenkandidat. Aber es konzentriert sich derzeit alles etwas zu sehr auf ihn.“

+++ Die Direktkandidaten für die Bundestagswahl 2025 im Wahlkreis Herne/Bochum II: +++

Auch für die Herner FDP hat Ritterswürden den Anspruch, dass nach außen mehrere Köpfe für die Partei stehen sollten. Er habe deshalb mit seiner Kandidatur intern ein „Gegenangebot“ zum langjährigen FDP-Landtagsabgeordneten Thomas Nückel machen wollen, der ursprünglich ins Rennen gehen sollte (wir berichteten). „Ich habe gesagt: Ich würde das gerne machen und traue es mir auch zu.“ Es habe zwar keine Kampfabstimmung gegeben, doch mit seiner Haltung habe er sich letztlich im FDP-Kreisvorstand durchgesetzt. Dass Nückel anschließend erklärt habe, aus beruflichen Gründen nicht für den Bundestag antreten zu wollen, sei wohl eher eine „gesichtswahrende Äußerung“ gewesen.

Moritz Ritterswürden (re.) wollte dem Herner FDP-Vorstand mit seiner Bundestagskandidatur „ein Gegenangebot“ zum früheren Landtagsabgeordneten Thomas Nückel (li.) machen. Hier beide im Jahr 2022 mit dem damaligen FDP-NRW-Chef Joachim Stamp vor dem Herner Kulturzentrum.
Moritz Ritterswürden (re.) wollte dem Herner FDP-Vorstand mit seiner Bundestagskandidatur „ein Gegenangebot“ zum früheren Landtagsabgeordneten Thomas Nückel (li.) machen. Hier beide im Jahr 2022 mit dem damaligen FDP-NRW-Chef Joachim Stamp vor dem Herner Kulturzentrum. © WAZ | Lars Christoph

Auf leise Kritik stößt bei dem Vorsitzenden der Jungen Liberalen in Herne (Julis) auch die Rolle der FDP beim Bruch der Ampel. „Die Kommunikation hätte klarer sein können. Das war etwas unsouverän“, betont er. Zum Schluss hätten aber auch die SPD und die Grünen auf das Aus hingearbeitet. Den Vorwurf, dass die FDP als Regierungspartei zu unflexibel gewesen sei, weist er zurück. „Wir haben große Abstriche machen müssen.“ Die Blockaden der Koalitionspartner und insbesondere der Grünen in der Wirtschafts- und der Migrationspolitik seien aber nicht mehr tragbar gewesen.

Herner FDP-Kandidat fordert mehr Generationengerechtigkeit

Ob in der Ampel, als Opposition oder im Wahlkampf: Beim inhaltlichen Kurs ist Moritz Ritterswürden zu 100 Prozent bei seiner Partei, wie auch ein Blick auf seine persönlichen Wahlkampfthemen zeigt. Der Slogan „Freiheit und Marktwirtschaft sind die Bausteine einer gerechten und liberalen Gesellschaft“ dient als Überschrift des fünf Schwerpunkte umfassenden Programms. Im Einzelnen sind das: Generationengerechtigkeit, Europa, Steuern, Recht und Bürokratieabbau.

Besonders wichtig sei ihm „ein Kulturwechsel“ im Rentensystem, in das viele junge Menschen kein Vertrauen mehr hätten, kritisiert der Kandidat. Man müsse sich mal ehrlich machen und angesichts der Änderung des Umlageschlüssels über neue Wege nachdenken. Dazu gehören für ihn unter anderem die Einführung der Aktienrente und eine (vom Staat unterstützte) Stärkung der persönlichen Vorsorge, aber auch das Aus für den derzeit festgeschriebenen Anspruch auf einen Renteneintritt nach 45 Beitragsjahren.

Moritz Ritterwürden aus Herne möchte in den Bundestag

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    Auch den umstrittenen Kurs der (Mehrheit in der) FDP-Fraktion, bei den Anträgen der CDU/CSU zur Migrationspolitik mit der AfD zu stimmen, unterstützt der Herner Nachwuchspolitiker: „Die Menschen wollen eine härtere Migrationspolitik aus der Mitte des Parlaments.“ Der Vorstoß der CDU sei vielleicht strategisch ungeschickt, aber inhaltlich richtig und kein Tabubruch gewesen. Leider seien insbesondere die Grünen „mal wieder“ nicht bereit gewesen, „das Richtige“ zu tun. Dass sich in der zweiten Bundestagsabstimmung relativ viele FDP-Abgeordnete gegen den Antrag der Union gestellt hätten, sei nicht als Riss in der Partei, sondern vor dem Hintergrund des Grundsatzes des freien Mandats zu bewerten. Und: Man dürfe sich von der AfD nicht vorschreiben lassen, „was man gut und was man schlecht finden kann“, sagt er.

    Für den (so gut wie ausgeschlossenen) Fall, dass Ritterswürden am 23. Februar in den Bundestag einziehen würde und er einen Wunsch frei hätte, würde es weder um Rentenpolitik noch um Migration gehen. Sondern: „Bei der Kapitalertragssteuer muss der Freibeitrag sofort erhöht werden. Nur 1000 Euro steuerfrei - das reicht einfach nicht, wenn sich junge Menschen etwas aufbauen wollen.“

    Mehr zur Bundestagswahl in Herne:

    Zurück nach Herne: Wenn Ritterswürden in seinen diversen politischen Ämtern selbst Angaben zu seiner Person macht, führt er in der Regel an, dass er als Sohn einer alleinerziehenden Mutter aufgewachsen ist. Warum betont er das stets? Er wolle damit nicht den Eindruck „bitterer Armut“ erwecken, sagt er. „Ich will damit zeigen, woher ich komme.“ Und er wolle damit die Bewunderung für seine Mutter ausdrücken, die als berufstätige Frau - mit Hilfe der Großeltern - ein Kind großgezogen habe: „Alleinerziehende Mütter sind Helden.“

    >>> Entweder/oder: Für Wolfgang Kubicki und gegen Verbrenner

    E-Auto oder Verbrenner?

    Moritz Ritterswürden: E-Auto. Ich besitze zurzeit kein Auto, aber wenn ich mir eins kaufen würde, wäre es ein E-Auto.

    X oder Instagram?

    Instagram. Ich bin bei X, betreibe es aber nicht aktiv. Dass in den sozialen Medien Faktenchecks zurückgefahren werden sollen, finde ich gut. Faktenchecks sind subjektiv. In Streitfragen sollten Gerichte entscheiden, nicht irgendwelche NGOs (Nicht-Regierungs-Organisationen; die Redaktion).

    Gerhart Baum oder Wolfgang Kubicki?

    Wolfgang Kubicki. Er steht für klare Kante.

    Am FDP-Bundestagsabgeordneten Wolfgang Kubicki schätzt Moritz Ritterswürden die „klare Kante“.
    Am FDP-Bundestagsabgeordneten Wolfgang Kubicki schätzt Moritz Ritterswürden die „klare Kante“. © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

    >>> Zur Person: Mitglied im Herner Sozialausschuss

    • Moritz Ritterswürden ist in Herne-Süd aufgewachsen. Der Student der Rechtwissenschaften an der Bochumer Ruhr-Uni wohnt zurzeit in Holsterhausen.
    • Der 23-Jährige gehört dem Herner FDP-Kreisvorstand an. Für seine Partei ist er derzeit sachkundiger Bürger im Herner Sozialausschuss sowie (für Kultur) im Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) in Münster. Seit 2021 führt Ritterwürden die Jungen Liberalen in Herne. Außerdem gehört der dem Bezirksvorstand der FDP-Nachwuchsorganisation an.
    • Bei der Kommunalwahl im Herbst 2025 will er als FDP-Spitzenkandidat für die Bezirksvertretung Herne-Mitte antreten.

    Herner FDP korrigiert Darstellung ihres Bundestagskandidaten

    Die Herner FDP reagierte auf die Veröffentlichung dieses Berichts mit einer „Richtigstellung“. Die Pressemitteilung im kompletten Wortlaut: „Entgegen der Darstellung des Bundestagskandidaten Moritz Ritterswürden am 08.02.2025 im Kandidateninterview in der WAZ möchte der Kreisvorstand der Herner FDP klarstellen, dass sich Herr Ritterswürden mit seiner Kandidatur im Kreisvorstand nicht gegen Thomas Nückel durchgesetzt hat, sondern nach einer einvernehmlichen Einigung im geschäftsführenden Vorstand kandidiert hat. Thomas Nückel hat auf eine zuvor in Erwägung gezogene Kandidatur verzichtet, da er wegen des vorgezogenen Bundestagswahltermins seine bereits beruflich feststehenden Aufträge als selbstständiger Journalist nicht einfach absagen konnte. Um sicherzustellen, dass im Bundestagswahlkampf die Herner FDP vor Ort angemessen vertreten ist, hat sich Thomas Nückel daher gegen eine Kandidatur entschieden. Wäre es beim regulären Wahltermin geblieben, wäre Thomas Nückel als Kandidat im Wahlkreis 142 (Herne/Bochum II) angetreten. Der geschäftsführende Kreisvorstand hat danach in der Mitgliederversammlung nach vorheriger Interessensbekundung Moritz Ritterswürden als Kandidat zur vorgezogenen Bundestagswahl vorgeschlagen. Da es in der Mitgliederversammlung keine weiteren Kandidatenvorschläge gegeben hat, ist Moritz Ritterswürden als Bundestagskandidat im Wahlkreis 142 (Herne/Bochum II) gewählt worden.“