Herne. Die Zahl der Abschiebungen hat in Herne einen neuen Tiefstand erreicht. Das hat zwei Gründe. Warum sich das bald wieder ändern könnte.
In Herne sind 2024 neun Menschen abgeschoben worden - so wenige wie seit Jahren nicht. Ein Grund für die vergleichsweise geringe Zahl: Geflüchtete mit schlechter Bleibeperspektive seien zuletzt überwiegend in den Landesaufnahme-Einrichtungen untergebracht worden, so Stadtsprecher Tobias Kindel.
Zu den Zahlen: Vor der Corona-Pandemie hat die Stadt Herne noch deutlich mehr Menschen „zurückgeführt“, wie es im offiziellen Sprachjargon heißt. So erreichte die Zahl der Abschiebungen 2017, zwei Jahre nach der sogenannten Flüchtlingskrise, einen neuen Höchststand. Damals mussten 103 Menschen zurück in ihre Heimat. 2019 gab es noch 63 Abschiebungen, zuletzt 2023 immerhin 46. Nun waren es im vergangenen Jahr „nur“ neun.
Herne: In fünf Länder abgeschoben
Laut Stadt wurden die Menschen in fünf Länder zurückgebracht: Fünf mussten zurück nach Usbekistan, jeweils ein Geflüchteter nach Bangladesch, Montenegro, Spanien und Marokko. Abgeschoben wurden die Menschen, weil sie „vollziehbar ausreisepflichtig waren, die Voraussetzungen für eine Abschiebung vorlagen und die Abschiebung tatsächlich auch erfolgen konnte“, so Stadtsprecher Kindel.
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Dass Menschen auch in ein anderes EU-Land abgeschoben werden, liegt am sogenannten Dublin-Abkommen. Demnach ist derjenige Staat verpflichtet, ein Asylverfahren durchzuführen, in dem die Geflüchteten zum ersten Mal die Europäische Union betreten haben. Im Jahr zuvor wurden die meisten Menschen nach Nordmazedonien im Balkan abgeschoben; Usbekisten stand gar nicht auf der Liste.
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Widerstände gegen Abschiebungen gab es laut Stadt 2024 keine. Ein Geflüchteter sei aber untergetaucht, um seine Abschiebung zu verhindern. Letztlich erfolglos: „Diese Person wurde dann im Nachgang in Abschiebungshaft genommen und bei einem zweiten Versuch abgeschoben“, so Kindel.
Die Zahl der Abschiebungen sei im Vergleich zu den Vorjahren deshalb gering, da Ausländerinnen und Ausländer mit sogenannter schlechter Bleibeperspektive weitgehend in den Landesaufnahme-Einrichtungen untergebracht worden seien, erklärt der Stadtsprecher. Nur in geringem Umfang seien diese Menschen den örtlichen Ausländerbehörden, sprich: den Städten zugewiesen wurden. Der Stadt Herne seien sogar keine Menschen mit schlechter Bleibeperspektive zugewiesen worden. Sie seien in der Herner Landesaufnahme-Einrichtung an der Dorstener Straße, die zum Jahresende geschlossen wurde, untergebracht worden. Die Menschen, die dort lebten, wurden auf die Quote angerechnet. Dazu muss man wissen: Flüchtlinge werden den Städten nach einem Schlüssel vom Land zugewiesen.
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Darüber hinaus hätten rund 250 Geflüchtete - alle „vollziehbar Ausreisepflichtige“ - zum potenziell begünstigten Personenkreis des „Chancen-Aufenthaltsrechts“ gehört. Ihnen werde und wurde durch diese Initiative mitunter eine Aufenthaltserlaubnis erteilt. „In diesen Fällen“, erklärt Kindel, „unterbleibt bis auf Weiteres eine Abschiebung.“ Hintergrund: Das Chancen-Aufenthaltsrecht ist eine Aufenthaltserlaubnis, die gut integrierten, langjährig in Deutschland lebenden Ausländerinnen und Ausländern, die aktuell einen Duldungsstatus haben, eine Bleibeperspektive eröffnen soll.
Herner Flüchtlingsberaterin erwartet mehr zugewiesene Flüchtlinge
Für Katja Jähnel, Flüchtlingsreferentin im Eine Welt Zentrum Herne des evangelischen Kirchenkreises, sind die gesunkenen Abschiebezahlen in Herne kein Grund zur Freude. Noch immer drohe vielen Geflüchteten eine Abschiebung, betont sie. Die mit schlechter Bleibeperspektive seien zuletzt allein nicht mehr unter städtischer Regie untergebracht worden, sondern in einer Landesunterkunft: „Dort wird vorsortiert“, erklärt sie. Wer in eine Landesunterkunft komme, könne oft nicht gut beraten werden.
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Die Stadt wiederum habe es deshalb 2024 oft nur noch mit Geflüchteten zu tun gehabt, die geduldet seien. Abschiebungen habe sie deshalb kaum durchführen müssen, etwa nur dann, wenn Menschen „auffällig“, sprich etwa strafbar geworden seien.
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Jähnel rechnet damit, dass in diesem Jahr die Abschiebezahlen wieder steigen. Herne habe zurzeit keine Landeseinrichtung mehr im Stadtgebiet. Flüchtlingszahlen könnten also nicht mehr auf die Quote angerechnet werden könnten. Deshalb dürfte auch die Zahl der zugewiesenen Flüchtlinge schnell steigen - auch die mit schlechter Bleibeperspektive.