Herne. Der Student, die Journalistin, der Rentner, die Vorsitzende: Sie opferten Heiligabend, um einsamen Menschen in Herne schöne Stunden zu bereiten.

Seit 1929 feiert der Christliche Verein für junge Menschen (CVJM) in Herne den Heiligen Abend mit alleinstehenden, einsamen und/oder armen Menschen. So auch am Dienstagabend: 80 Hernerinnen und Herner kamen ins Ludwig-Steil-Forum an der Kreuzkirche, um dort mit einem weihnachtlichen Programm und bei reichlich Essen und Trinken besinnliche Stunden zu verbringen. Möglich gemacht wird dies durch zahlreiche Spenden und vor allem durch das Engagement von mehr als 40 Ehrenamtlern, die ihre eigenen Bedürfnisse an Weihnachten hintenan stellen. Die WAZ hat vier von ihnen an Heiligabend während der Vorbereitungen der Feier gesprochen.

Der Student

Kai Lauenstein (19) gehört praktisch qua Geburt zum Heiligabend-Team, er ist familiär „vorbelastet“: Seine Mutter Britta Lauenstein war bis 2016 hauptamtliche Geschäftsführerin des CVJM in Herne. Den Rollenwechsel vom interessierten kindlichen Beobachter zum aktiven Helfer habe er vor etwa fünf Jahren vollzogen, erinnert er sich. In Frage gestellt habe er das nie: „Das gehört für mich einfach dazu und hat schon Tradition“, sagt der Student der Germanistik und evangelischen Theologie. Diesmal ist er vor allem für die Tischdeko und die Weihnachtsteller zuständig. Was sich für Kai Lauenstein durch das Ehrenamt ändert: Der Zeitplan ist an Heiligabend enger getaktet. Die Bescherung finde nach den Feiervorbereitungen und dem Krippenspiel sowie vor der CVJM-Feier statt, sagt er. Kein Stress, sondern Normalität. Und Vergnügen: „Ich mache das gerne.“

Die Journalistin

Carola Quickels engagiert sich seit 2016 bei der Heiligabend-Feier des CVJM. Nach dem Tod ihres Mannes Wolfgang Quickels im Oktober 2014 - er arbeitete als Fotograf lange für die WAZ und war Mitgründer des Internetmediums „HalloHerne“ - sei an ein normales Weihnachten nicht mehr zu denken gewesen, erzählt sie. „Wir haben zusammengesessen und nur geheult.“ Mit ihren Söhnen Lukas und Lino habe sie sich dann entschieden, Weihnachten 2016 zum CVJM zu gehen und bei der Alleinstehenden-Feier zu helfen, sagt die Chefin von HalloHerne.

Carola Quickels ist seit 2016 aktiv bei der Heiligabend-Feier des CVJM.
Carola Quickels ist seit 2016 aktiv bei der Heiligabend-Feier des CVJM. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Daran habe sich auch nach dem Tod von Sohn Lino im Jahr 2023 nichts geändert. Im vergangenen Jahr sei eine gute Freundin aus Hamburg Weihnachten zu Besuch gekommen und habe sie zur CVJM-Veranstaltung begleitet: „Sie fand das so toll, dass sie in diesem Jahr wieder angereist ist, um zu helfen.“ Und auch Carola Quickels möchte diese Erfahrung nicht mehr missen: „Das ist total klasse. Die Menschen sind so dankbar.“ Die 65-Jährige gehört zu den Ehrenamtlern, die an Heiligabend eine Doppelschicht fahren und morgens bei den Vorbereitungen (Brötchen schmieren) und abends bei der Durchführung hilft. Nach Ende der Feier gehe sie mit ihrer Freundin und Sohn Lukas nach Hause, um bei Tee und Wein den Tag Revue passieren zu lassen, erzählt sie. „Wir sind dann ziemlich fertig, aber auch sehr zufrieden.“

Der Rentner

Winfried Burghardt (67) hat bei der Heiligabend-Feier schon das Gold-Jubiläum gefeiert: Er ist - mit kleinen Unterbrechungen - seit mehr als 50 Jahren dabei. Auf seinem Handy hat er alte Fotos von der Alleinstehenden-Feier 1974 gespeichert. Er erinnert sich: „Damals wurde noch handgespült. Das war schon spektakulär.“ Und auch das hat er nicht vergessen: „Damals wurden Zigarren verteilt, die dann auch sofort gepafft wurden. Das war eine richtige Räucherhöhle.“, sagt der Rentner, der im Alter von 16 Jahren seine erste CVJM-Jugendgruppe geleitet hat.

„Drei Stunden unter Volldampf“: Das Ehepaar Winfried und Christine Burghardt bedient an Heiligabend im Ludwig-Steil-Forum die Industriespülmaschine.
„Drei Stunden unter Volldampf“: Das Ehepaar Winfried und Christine Burghardt bedient an Heiligabend im Ludwig-Steil-Forum die Industriespülmaschine. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Mit seiner Frau ist er ebenfalls am Morgen und am Abend dabei. Als eingespieltes Team bedienen sie während der Feier die Industriespülmaschine. Essensreste abkratzen, einräumen, das gespülte, aber noch feuchte Geschirr abtrocknen - und am Ende die Küche aufräumen: „Wir stehen drei Stunden unter Volldampf“, sagt er.

So feierte der Herner CVJM vor 50 Jahren: eine Impression von der Alleinstehenden-Feier 1974.
So feierte der Herner CVJM vor 50 Jahren: eine Impression von der Alleinstehenden-Feier 1974. © CVJM

Die Vorsitzende

Es ist nicht so einfach, mit Margret Springkämper am Morgen des Heiligen Abends im Gemeindehaus ein Gespräch zu führen: Immer wieder muss sie Fragen zu Brötchen, Besteck oder Butter beantworten. Bei der CVJM-Vorsitzenden und früheren Geschäftsführerin laufen die Fäden zusammen. Als Ehrenamtlerin organisiert und koordiniert sie mit der neuen Hauptamtlichen Noemie Bruch die traditonielle Feier, die in Herne nur während des 2. Weltkriegs und der Corona-Pandemie ausfallen musste.

Bei ihr laufen die Fäden zusammen: die Herner CVJM-Vorsitzende Margret Springkämper.
Bei ihr laufen die Fäden zusammen: die Herner CVJM-Vorsitzende Margret Springkämper. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Der Bedarf sei in Herne groß, sagt die 58-Jährige. Nur zwei Tage nach dem Start der Anmeldung Anfang Dezember seien die 80 Plätze ausgebucht gewesen. Viele Stammgäste seien unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern, aber stets auch neue Gesichter. Alleinstehende seien zwar in der Mehrzahl, aber es kämen auch Familien, die sich größere Feiern nicht leisten könnten, so Springkämper. Und: „Es ist anrührend, wie dankbar Menschen auf dieses Angebot reagieren.“ Bei allem Stress könne aber immer auch gelacht werden, sagt sie und berichtet von „Running Gags“. Zum Beispiel: Immer wieder mal werde vergessen, die Butter rechtzeitig aus dem Kühlschrank zu nehmen, was dann das Schmieren der Brötchen erheblich erschwere ...

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>>> Heiligabend-Feier 2024: Rundum positive Bilanz

  • Nicht nur das Belegen der Brötchen verlief wie geschmiert: Nach der (geschätzt) 90. Herner Heiligabend-Feier für Alleinstehende zieht CVJM-Vorsitzende Margret Springkämper eine rundum positive Bilanz.
  • „Das war diesmal fast ein Spaziergang“, sagt sie. Grund: Spontan seien noch weitere Helferinnen und Helfer ins Ludwig-Steil-Forum gekommen. Nach etwa dreieinhalb Stunden weihnachtlichem Programm sowie einem mehr als reichhaltigen kulinarischen Angebot (Kaffee und Kuchen, belegte Brötchen, Gulasch, Rotkohl und Nudeln) traten die 80 Gäste den Heimweg an.