Herne. Mini-Jobs der etwas anderen Art, eine TV-Kritik aus dem Herner Rathaus, eine überraschende Personalie - der Wochenrückblick im Politgeflüster.
„Ich glotz TV“ (Nina Hagen)
Nach dem sehr holprigen Start für den neuen Anbieter von Rats-TV bei der Premiere im September war der Livestream bei der Ratssitzung am Dienstag schon deutlich weniger fehleranfällig. Wackelbilder gab es diesmal ebenso wenig wie (zu) dominante Hinterköpfe (oder lag das an einer geänderten Sitzordnung der CDU-Fraktion?!). Luft nach oben besteht allerdings nach wie vor. Zum Beispiel: wenn Mitglieder der Dezernentenriege das Wort ergreifen, diese aber nicht im Bild zu sehen sind. Was man der neuen Produktionsgesellschaft allerdings nicht anlasten kann: Informations- und Unterhaltungswert der nur knapp eine Stunde kurzen Ratssitzung hielten sich diesmal in Grenzen.
„Niemals geht man so ganz“ (Trude Herr)
Zum 1. Mai 2024 haben sich Kämmerer Hans Werner Klee und Baudezernent Karlheinz Friedrichs von der Stadtverwaltung verabschiedet und sind in den Ruhestand gegangen. Doch endgültig war der Abschied nicht - stand doch für beide Wahlbeamten Trude Herr mit ihrem Klassiker „Niemals geht man so ganz“ Pate: Die ehemaligen Dezernenten stehen als Mini-Jobber royal weiter bei der Verwaltung in Lohn und Brot.
Klee und Friedrichs seien bei städtischen Tochtergesellschaften auf Basis von Beschlüssen der jeweiligen Aufsichtsgremien aktiv, berichtet die Stadt auf Anfrage der WAZ. Klee sei tätig für die Schulmodernisierungsgesellschaft (HSM) und die Stadtentwicklungsgesellschaft (SEG), während Friedrichs für die Wanne-Herner Eisenbahn und Hafen GmbH (WHE) arbeite. Vertraglich vereinbart worden seien „Beratungsleistungen zu strategischen, organisatorischen, betriebswirtschaftlichen und immobilienwirtschaftlichen Fachthemen sowie projektbezogene Beraterleistungen“.
Die Leistungen würden nicht pauschal beauftragt, sondern konkret einzeln abgerufen. „Daraus resultiert auch, dass es kein pauschales Honorar gibt, sondern, dass die erbrachten Leistungen stundenscharf zu einem marktüblichen Satz im deutlich unteren Bereich abgerechnet werden.“ Wie hoch der „marktübliche Satz“ ist, lässt die Stadt offen. Was die Stadt preisgibt: Der zeitliche Umfang der Beraterleistungen dürfe im Schnitt nicht mehr als zehn Stunden im Monat betragen. Und: Die Verträge hätten eine Laufzeit von zwölf Monaten mit der Option auf eine monatliche Verlängerung, längstens aber 18 Monate.
„Eins, zwei, Polizei“ (Mo-Do)
In Bochum soll derweil ein ehemaliger Spitzenbeamter eine „Verlängerung“ um satte fünf Jahre erhalten: SPD und Grüne wollen in der Nachbarstadt den ehemaligen Herner (und Wittener und Bochumer) Polizeipräsidenten Jörg Lukat als Kandidat für die Oberbürgermeisterwahl nominieren, so die überraschende Nachricht. Der „gelernte“ Polizist Lukat (62), seit vier Wochen Pensionär, soll Nachfolger von OB Thomas Eiskirch (SPD) werden. Der 53-Jährige - wie Hernes OB Frank Dudda seit 2015 im Amt - wird bei der Kommunalwahl am 14. September 2025 nicht mehr antreten.
„Bessere Zeiten klingt gut“ (Kolossale Jugend)
Wird Herne künftig wieder mit zwei Abgeordneten im Bundestag vertreten sein? Ausgeschlossen ist das nicht, sofern die Grünen am 28. September 2025 nicht den Wahlkreis Herne-Bochum II direkt gewinnen sollten (was aber derzeit in etwa so wahrscheinlich ist wie der Friedensnobelpreis für Wladimir Putin, echter Tierschutz in Deutschland oder die Wiedervereinigung von Pink Floyd). Denn: Neben dem Wahlkreis-Sieger - beste Chancen hat nach wie vor die SPD mit ihrem Kandidaten Hendrik Bollmann - könnte auch die Herner Grünen-Kandidaten Anna di Bari über die Reserveliste ihrer Partei ins Berliner Parlament einziehen. Nach Runde 1 im parteiinternen Kampf um aussichtsreiche Listenplätze ist die 23-Jährige jedenfalls nach wie vor gut im Rennen.
Heute kaum noch vorstellbar: Es gab mal Zeiten, da hatte Herne insgesamt sechs Politikerinnen und Politiker in überregionalen Parlamenten - vordere Plätze auf den Listen der Parteien machte das möglich. Zuletzt war dies 2014 der Fall, als Jürgen Klute (Linke) und Renate Sommer (CDU) dem Europaparlament angehörten, Alexander Vogt (SPD) und Thomas Nückel (FDP) im Landtag saßen sowie Michelle Müntefering (SPD) und Ingrid Fischbach (CDU) Mitglieder des Deutschen Bundestages waren. Heute vertreten nur noch Müntefering und Vogt die Herner Farben in Berlin bzw. Düsseldorf. Das Beispiel Gelsenkirchen zeigt allerdings, dass eine hohe Zahl von Abgeordneten nicht automatisch dazu führt, dass eine Stadt starken Einfluss nehmen kann auf überregionale Politik. Hernes nach wie vor im Niedergang befindliche Nachbarstadt ist seit 2021 mit vier Abgeordneten im Bundestag vertreten, von 2017 bis 2021 gab es sogar sechs (!) Bundestagsabgeordnete mit Gelsenkirchener Wohnsitz.
Hinweis: In einer alten Fassung des Berichts hieß es, dass die früheren Dezernenten Hans Werner Klee und Karlheinz Friedrichs Mitglied in den Aufsichtsgremien jener Stadttöchter seien, bei denen sie derzeit beschäftigt sind. Das ist falsch. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.