Herne. Was die Polizei über die „Grauen Wölfe“ in Herne weiß. Und warum ein Experte sagt, dass nicht nur Rechtsextremisten den „Wolfsgruß“ zeigen.

Durch die Fußball-EM sind die vom Verfassungsschutz beobachteten „Grauen Wölfe“ (Ülkücü-Bewegung) in den Fokus geraten. Konkret: durch ihren „Wolfsgruß“, den der türkische Spieler Merih Demiral beim Torjubel sowie tausende türkische Fans zeigten. In der Nachbarstadt Bochum ist die türkisch-nationalistische, rechtsextreme Bewegung öffentlich schon länger ein Thema. Im Stadtteil Dahlhausen betreiben Anhänger der „Grauen Wölfe“ eine Art Vereinslokal, was bereits zu Protesten und Gegenaktionen geführt hat.

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In Herne sind die „Grauen Wölfe“ ebenfalls präsent, wie die Polizei der WAZ Herne auf Anfrage mitteilte. Es gebe einen der Polizei bekannten Kulturverein, der der Bewegung zuzuordnen sei, erklärt Polizeisprecher Marco Bischoff. Den Namen „können und dürfen wir nicht nennen“. Von diesem Verein seien jedoch bislang keine Straftaten, Aktionen oder Ähnliches bekannt.

Ausschreitungen bei Herner Kurdendemo nach „Wolfsgruß“

Eine Rolle spielten die „Grauen Wölfe“ bzw. der Wolfsgruß in Herne-Mitte auch im Oktober 2019 bei einer Kurden-Demonstration gegen den türkischen Militärangriff auf Syrien: Nachdem Demonstrantinnen und Demonstranten aus einem Kiosk heraus diese Geste gezeigt wurde, kam es zu ersten Ausschreitungen. Später eskalierte die Lage am Sitz eines türkischen Vereins.

Das Zeigen des Wolfsgrußes provozierte im Oktober 2019 Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Kurdendemo in Herne-Mitte.
Das Zeigen des Wolfsgrußes provozierte im Oktober 2019 Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Kurdendemo in Herne-Mitte. © Lars-Oliver Christoph

Nach Angaben des Verfassungsschutzes haben die „Grauen Wölfe“ in NRW etwa 3700 Anhängerinnen und Anhänger, in ganz Deutschland sollen es mehr als 12.000 sein. Die bekanntesten Symbole der „Grauen Wölfe“ sind der Wolf und drei Halbmonde. Der Wolfsgruß ist in Deutschland nicht verboten.

Tuncay Nazik: Nicht nur Rechtsextremisten zeigen den „Wolfsgruß“

Tuncay Nazik von der Islamischen Gemeinde Röhlinghausen geht davon aus, dass der Großteil der türkischen Fans in Berlin und auch Nationalspieler Merih Demiral den Wolfsgruß nicht aufgrund einer rechtsextremistischen Gesinnung gezeigt hätten.

Dieser Gruß der „Grauen Wölfe“ (Ülkücü-Bewegung) sei zwar ein nationalistisches, faschistisches Zeichen, erklärt der Vorsitzende der Röhlinghauser Gemeinde. Das Zeichen werde in der Türkei aber längst nicht mehr nur von der rechtsextremistischen Partei MHP - sie ist Teil der Regierung - benutzt, sondern unter anderem auch von Erdogan-Anhängern, der kemalistischen Seite, von Kurden und sogar in der politischen Linken.

Tuncay Nazik ist Vorsitzender der Islamischen Gemeinde, die immer wieder mit Aktionen auf sich aufmerksam macht. Zuletzt war Ex-Bundespräsident Christian Wulff zu Gast.
Tuncay Nazik ist Vorsitzender der Islamischen Gemeinde, die immer wieder mit Aktionen auf sich aufmerksam macht. Zuletzt war Ex-Bundespräsident Christian Wulff zu Gast. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Wenn der Wolfsgruß in Deutschland gezeigt werde, müsse im Einzelfall genau hingeschaut werden, warum dies geschehe. Was aber laut Nazik grundsätzlich festzustellen sei: Das Zeichen finde in der türkischen Community in Deutschland und auch unter Jugendlichen immer stärker Verbreitung. Das sei weniger auf eine rechtsextremistische, nationalistische Gesinnung zurückzuführen als vielmehr auf Trotz.

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„Ein großer Teil der deutschen Gesellschaft nimmt alles, was aus dem Ausland und vornehmlich aus der Türkei und von muslimischer Seite kommt, als alarmierend und negativ wahr“, so Nazik. Es werde insbesondere von großen Teilen der Politik und der Medien stark pauschalisiert und dämonisiert - wie es zum Beispiel auch in der Palästina-Debatte der Fall sei. Die Folge sei, dass sich die türkisch-muslimische Gesellschaft in Deutschland nicht weiterentwickele, sondern dass sich die Abwehrhaltung verstärke.

Verstärkend komme hinzu, so Nazik, dass die in der Türkei sehr beliebten TV-Serien den Nationalismus förderten und dieser dadurch Einzug in die Sub- und Popkultur gehalten habe.