Heiligenhaus. . Das Fleischerhandwerk in Heiligenhaus reagiert gelassen auf das Fleisch-Label der Supermärkte. Der Verbraucherzentrale geht es nicht weit genug.

Die großen Supermarktketten und Discounter haben seit April eine einheitliche Kennzeichnung auf ihren Fleischverpackungen eingeführt. Kunden sollen dadurch besser erkennen können, wie die Schweine, Rinder und das Geflügel gehalten wurden, deren Fleisch abgepackt ist. Heiligenhauser Metzgereien sehen diese Initiative gelassen. Die Verbraucherzentrale begrüßt dieses Haltungslabel, ihr geht es allerdings nicht weit genug – nicht zuletzt, weil das meiste angebotene Fleisch weiterhin aus der Massentierhaltung kommt.

Metzger nutzen die Haltungskennzeichnung der Supermärkte nicht. Sie beziehen ihr Fleisch oft von regionalen Bauern und wissen, wie er die Tiere hält.
Metzger nutzen die Haltungskennzeichnung der Supermärkte nicht. Sie beziehen ihr Fleisch oft von regionalen Bauern und wissen, wie er die Tiere hält. © Lars Heidrich

„Ich sehe die Supermärkte oder ihre Wursttheken nicht als Konkurrenz“, sagt Stefan Wanischek, Fleischermeister mit Laden in der Oberstadt. Denn er habe seit jeher auf eine vernünftige Tierhaltung geachtet, „und den Unterschied zur Massentierhaltung sieht in der Pfanne und man schmeckt ihn.“ So beziehe seine Metzgerei das Schweine- und Rindfleisch von zwei Betrieben in Südlohn und lasse in Essen schlachten. „Mein Lieferant züchtet, schlachtet und zerlegt die Tiere“, und er wisse, dass sie kein Mastfutter bekämen und viel Auslauf hätten.

Mehr Zulauf für kleine Betriebe

Der Heiligenhauser Fleischermeister Michael Kaltenpoth zittert ebenfalls nicht vor dem neuen Label der Supermärkte. Dass er deshalb Kunden verlieren wird, daran glaubt er nicht. „Kleine Betriebe haben derzeit mehr Zulauf.“ Gerade weil auch in Heiligenhaus immer mehr Menschen darauf achten, kein Schnitzel, Roastbeef oder keine Hähnchenbrust aus Massentierhaltung zu kaufen.

In einer Metzgerei könne man ausschließen, dass das Fleisch aus großen Mastbetrieben kommt. „Unser Schweinefleisch bekommen wir von kleineren Betrieben in Viersen, und geschlachtet wird in Gelsenkirchen“, sagt Kaltenpoth. Bei Rindfleisch habe er zwar mehrere Partner, nicht nur Kleinbetriebe, doch die artgerechte Zucht und Haltung der Rinder sei durch das Qualitätslabel Charoluxe zertifiziert, und das wüssten die Kunden zu schätzen.

Fleischerhandwerk setzt auf Beziehung zu Landwirten

Gelassen sehen nicht nur die örtlichen Metzger das freiwillige Haltungslabel der Supermärkte, sondern auch die gesamte Branche. „Wir als Fleischerhandwerk brauchen so ein Label nicht, weil wir die Beziehung zu den Landwirten pflegen“, sagt Adalbert Wolf, Landesinnungsmeister des Fleischerverbands NRW. „Diese Beziehung ist viel wertvoller als ein Label.“ Denn zu guter Fleischqualität und gutem Geschmack gehöre auch eine gute Behandlung vom Stall bis zur Fleischtheke – darunter viel Auslauf und möglichst wenig Stress. Das sehe man etwa am japanischen Kobe-Rind, dem teuersten Rindfleisch der Welt.

Dass die Kunden bewusster einkaufen wollen, beobachtet Sabine Klein, Lebensmittelexpertin der Verbraucherzentrale NRW. Das von der Initiative Tierwohl koordinierte vierstufige Label biete Kunden „eine gewisse Orientierung“, es sei aber kein echtes Tierwohl-Label. „Das Gros der Tierhaltung in Deutschland findet innerhalb der gesetzlichen Mindeststandards statt.“ Dies sei auch Massentierhaltung – und Stufe eins des Labels, während Stufe vier etwa Auslaufmöglichkeiten im Freien haben.

Verbraucherzentrale kritisiert mangelndes Angebot

Kritik übt Sabine Klein daran, dass die Supermärkte kaum Fleisch der Stufen drei und vier anböten. Zudem bedeute die zweite Stufe lediglich „minimal mehr als die gesetzlichen Standards“. „Zur Entscheidungsfreiheit gehört nicht nur eine Kennzeichnung“, ergänzt sie, „sondern auch ein ausreichendes Angebot.“ Dennoch sei diese Kennzeichnung ein Fortschritt.

Dieses Label werden Metzger aus Heiligenhaus und anderswo nicht übernehmen. Statt dessen wollen sie auf guten Service und regionales Fleisch setzen sowie auf Informationen, wo genau die Türe gezüchtet, aufgezogen und geschlachtet worden sind.

>> DIE VIER STUFEN DES TIERHALTUNGSLABELS

  • Das neue Label hat vier Stufen, die erste „Stallhaltung“ entspricht lediglich den gesetzlichen Vorgaben. Stufe zwei („Stallhaltung Plus“) bedeutet, dass die Tiere zehn Prozent mehr Platz haben und besser beschäftigt werden. Laut Sabine Klein von der Verbraucherzentrale sei es vor allem für Geflügel gedacht. Stufe drei („Außenklima“) garantiert den Tieren noch mehr Platz und Frischluft, während bei der vierten Stufe („Premium“) Auslaufmöglichkeiten im Freien dazukommen. Biofleisch soll ebenfalls dort eingeordnet werden.
  • Die Verbraucherzentrale verweist zudem darauf, dass sich Kunden nicht von schönen Bildern glücklicher, freilaufender Kühe oder Schweine auf Verpackungen irritieren lassen sollten. Denn Werbefotos und die Label-Stufe hingen nicht zusammen. Auch dürfe ein Supermarkt die Tierhaltung als artgerecht bezeichnen, wenn die gesetzlichen Standards eingehalten werden, so Sabine Klein, „aber Tierschützer und die meisten Verbraucher sehen das anders“.
  • Weitere Informationen gibt es auf www.verbraucherzentrale.de/tierwohl