Hattingen. Den Pilz im Wald fotografieren und von der App identifizieren lassen – das kann richtig schiefgehen. Experte Martin Maschka macht den Praxistest.

Wenn Martin Maschka der Pilzerkennungsapp „PictureThis“ blind vertraut hätte, dann hätte das vermutlich übel enden können. Denn der Flaschenstäubling oder der Schönfußröhrling sind eigentlich giftig, aber die App hat diese falsch erkannt – und stufte sie damit nicht als giftig ein. Wie zuverlässig die Pilz-Apps funktionieren, hat unsere Redaktion mit dem Experten aus Hattingen getestet.

Jetzt gerade sprießen auch überall in den Hattinger Wäldern hunderte Pilzarten aus dem Boden, was auch viele Sammler in die Natur lockt. Doch die zu essen, kann durchaus gefährlich werden, wie jüngst ein Fall in Essen gezeigt hat: Dort schwebten drei Kinder und ein Erwachsener lange in Lebensgefahr und waren auf eine Leber-Transplantation angewiesen, nachdem sie selbst gesammelte Pilze - vermutlich den Knollenblätterpilz - gegessen hatten.

Experte: Nie hundertprozentig auf App verlassen

„Ein bisschen mit Pilzen auskennen, reicht nicht. Viele Leute, die genau das geglaubt haben, sind auch tatsächlich gestorben“, warnt deswegen der Pilzexperte Maschka von der Wildnisschule Ruhrgebiet. Eine App zur Pilzerkennung hat er noch nie ausprobiert und wagt jetzt das Experiment. Zweifelnd holt er das Handy hervor, bevor er den ersten Pilz bestimmen lässt. „Wenn ich nur auf YouTube-Videos und Instagram gucke oder Apps benutze, kann ich den tödlichen Doppelgänger erwischen, weil ich nur ein kleines Merkmal vergessen habe. Deshalb sollte man sich nie hundertprozentig auf nicht menschliche Hilfe verlassen“, betont er. 

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Zwei kostenlose Apps nimmt er unter die Lupe. Und die erste ist eine überaus positive Überraschung. Die App „Picture Mushroom“ ist schnell heruntergeladen. Dann knipst Maschka den Pilz: ein Bild von oben, eins von unten und ein drittes von der Seite. Es dauert nur wenige Sekunden, bis der erste Pilz bestimmt ist: „Schopftintling“, sagt die App. „Richtig, das ist echt gut, toll!“, staunt er. Oben werden erst mehrere Bilder angezeigt. Dann kommen weitere Informationen zur Giftigkeit, wann der Pilz wächst und wo er verbreitet ist (beides in schönen Diagrammen und Karten), zu den Merkmalen oder auch wie er riecht. 

Erkennt die App auch das gemeine Stockschwämmchen?

Zudem ist das Ergebnis mit einem Warn-Hinweis verbunden, dass die Ergebnisse nicht immer richtig sein müssen. „Achtung! Die Bestimmungsergebnisse können fehlerhaft sein!“ steht dort prominent hervorgehoben. 

Ein Screenshot aus der Pilzerkennungsapp „Picture Mushroom“: Hier zeigt die App, was sie zum Fliegenpilz weiß, nachdem dieser fotografiert und erkannt wurde.
Ein Screenshot aus der Pilzerkennungsapp „Picture Mushroom“: Hier zeigt die App, was sie zum Fliegenpilz weiß, nachdem dieser fotografiert und erkannt wurde. © WAZ | Lukas Brechtefeld

Auch den bekannten Fliegenpilz oder den dunklen Hallimasch bestimmt die App richtig. Deswegen greift der Pilzexperte in eine Kiste und holt eine Art heraus, die der Härtetest sein soll: das gemeine Stockschwämmchen. „Das ist der schwierigste Pilz überhaupt“, sagt Maschka. Und tatsächlich liegt die App auch hier richtig. „Ich bin überrascht, weil es den Gifthäuptling gibt, der diesem Pilz zum Verwechseln ähnlich sieht. Da geht es nur noch um kleinste Schuppen“, staunt Maschka nicht schlecht.

Immer wieder Ungenauigkeiten

Doch die böse Überraschung folgt bei der zweiten App, die nicht ganz so genau ist. Sie zeigt nicht die genaue Pilzart, sondern nur die Pilzfamilie an. Immer wieder macht Maschka von den Pilzen ein Foto – und es kommt immer wieder zu Ungenauigkeiten. Sie zeigt damit perfekt auf, warum es so gefährlich sein kann, als Neuling ohne Erfahrung mit einer App im Wald auf Pilz-Jagd zu gehen. „Man kann sich nicht eine App holen und sich sein Essen zusammensuchen. Da besteht Lebensgefahr“, warnt Martin Maschka eindringlich und ist damit nicht alleine: „Es gibt sehr viele giftige Pilze, die den essbaren Exemplaren ähneln. Die Unterscheidung ist für unerfahrene Pilzsuchende nicht immer einfach“, warnt auch AOK-Serviceregionalleiter Jörg Kock.

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Besser als die Apps sei es laut Maschka, sich professionelle Anleitung zu holen. „Es gibt viele Pilzcoaches von der deutschen Gesellschaft für Mykologie und da kann man mitgehen und etwas über Pilze lernen. Wir kontrollieren auch die Körbe und schauen uns jeden Pilz einmal an“, sagt er. Auch er bietet die Kurse an. Zudem gebe es Pilzsachverständige, zu denen man hingehen könne, die dann die Pilze bestimmen.

Aber er sagt auch: „Grundsätzlich darfst auch du in den Wald und dir deine Mahlzeit zusammensuchen.“ Momentan sei Hochsaison, beste klimatische Bedingungen. In den hiesigen Wäldern habe er schon 420 verschiedenen Pilzarten gefunden. Ob die Apps auch jede einzelne richtig bestimmt, ist allerdings fraglich - wie unser Praxistest gezeigt hat.

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