Ennepe-Ruhr. Aylin Elstner ist die einzige Mütterpflegerin im Ennepe-Ruhr-Kreis. Ihre Arbeit beginnt, wo die der Hebamme endet. Das ist ihr unbekannter Beruf.
Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind großzuziehen. Wer kennt es nicht, dieses alte afrikanische Sprichwort? Immer weniger Frauen in Deutschland haben aber diese Unterstützung. Oftmals gibt es keine Verwandten in der Nähe oder sonst ein enges Netzwerk. Mütterpflegerinnen wie Aylin Elstner wollen Abhilfe schaffen und in schwierigen Situationen die Frauen entlasten. Bisher ist sie im EN-Kreis die einzige mit diesem noch unbekannten Beruf.
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Eine Mütterpflegerin ersetzt keine Hebamme
„Meine Arbeit beginnt da, wo die der Hebamme endet“, erklärt Aylin Elstner. Ihr Beruf decke keinerlei medizinische Leistungen ab. Dafür habe sie in der Regel mehr Zeit und ein höheres Stundenkontingent als Hebammen. Wie viel Zeit genau sie in der Woche für ihre Klientinnen zur Verfügung hat, hängt von der Bewilligung der Krankenkassen ab. Über eine ärztliche Notwendigkeitsbescheinigung kann ihre Tätigkeit über die Krankenversicherungen der Mütter abgerechnet werden.
„Ich bin die beste Freundin auf Zeit. Vor der man kein schlechtes Gewissen haben muss oder sich schämen muss, mit der man ganz offen reden kann.““
Für so eine Bescheinigung könne es viele Gründe geben. Psychische Belastung der Mutter, Bettlägerigkeit in der Schwangerschaft, eine komplizierte Geburt und gesundheitliche Folgen, Mehrlingsgeburten oder eine alleinerziehende Frau. Grundsätzlich kann man eine Mütterpflegerin in Anspruch nehmen, bis das jüngste Kind zwölf Jahre alt ist. Das würde dann Mütter in Krankheit, zum Beispiel Krebspatientinnen, betreffen. Vor allem aber sind es Mütter vor der Geburt, im Wochenbett und während des ersten Jahres mit Baby, die sich bei ihr melden.
Wichtig für die Beantragung sei es, dass niemand mit im Haushalt lebt, der tagsüber unterstützen kann. Das betreffe aber nicht nur Alleinerziehende, sondern auch Frauen, deren Partner schlichtweg berufstätig sind. Familien, die es sich leisten können, haben aber auch die Möglichkeit, ihre Dienste privat zu zahlen.
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Einen eigenen Antrag für Mütterpflege gibt es nicht. Zurzeit läuft es als Antrag für eine Haushaltshilfe, dabei sei sie viel mehr als das. „Die Unterstützung, die ich gebe, ist komplett unterschiedlich von Familie zu Familie“, sagt die 35-Jährige. Sie würde zwar auch viel im Haushalt helfen, Einkäufe mitbringen und Essen kochen, mal schnell die Küche aufräumen oder das Bett neu beziehen. Sie könne aber auch Raum dafür schaffen, dass die Mutter mal kurz etwas Zeit für sich hat und beispielsweise in Ruhe duschen kann, während sie das Baby in die Trage nimmt.
Auch Hilfestellungen bei der Rückbildung oder beim Stillen sind möglich. Ein Fußbad, Massagen, emotionale Gespräche von Frau zu Frau, Unterstützung bei der Alltagsbewältigung, kurzzeitige Betreuung von Geschwisterkindern. Ihr Arbeitsalltag kann ganz verschieden aussehen, je nach Bedarf der entsprechenden Mutter. Aber: Um als Reinigungskraft für das persönliche Chaos ausgenutzt zu werden, sei sie nicht da.
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Im Zuhause der Familien, die sie betreut, darf sie sich in der Regel frei bewegen. Oft guckt sie einfach selbstständig, was gerade zu tun ist. „Ich frage nicht ständig, was kann ich machen. Ich mache einfach.“ Ihr Tätigkeit beschreibt sie so: „Ich bin die beste Freundin auf Zeit. Vor der man kein schlechtes Gewissen haben muss oder sich schämen muss, mit der man ganz offen reden kann.“
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Wie es sich anfühlt, nach der Geburt größtenteils alles alleine managen zu müssen, weiß Aylin Elstner nur zu gut. Die 35-Jährige hat selbst drei Kinder und einen Mann, der mit eigenem Tattoo-Studio beruflich sehr eingespannt ist. Sie ist zugezogen und hat in der näheren Umgebung keine Familie, die sie damals unterstützen konnte.
Der Bedarf scheint hoch. Aktuell arbeitet sie aufgrund der eigenen Kinder nur halbtags als Mütterpflegerin, betreue aber seit Mai 2023 durchgehend ein bis drei Klientinnen die Woche. Für sie ist es ein Traumjob. Jetzt fühlt sie sich beruflich angekommen und hat dafür auch mehrere Tausend Euro in die eigene Ausbildung gesteckt.
Mütterpflege und Geburtsbegleitung
Neben der Ausbildung zur Mütterpflegerin, hat sich Aylin Elstner dazu entschlossen auch eine Ausbildung zur Doula zu absolvieren. Als Doula begleitet sie Frauen als emotionale Stütze während der Geburt. Das sei eine rein privat buchbare Leistung. „Das ersetzt natürlich nicht Arzt oder Hebamme“, betont sie auch hier. Sie würde die gesamte Zeit der Geburt nicht von der Seite der Frauen weichen.
Ausgerechnet dem medizinischen Personal, so ihre Erfahrung, fehle es aber oft an Verständnis für ihren Beruf. Auch hier wäre der Job noch gar nicht wirklich bekannt und oft würden sie nicht verstehen, was das überhaupt soll. „Gleichzeitig sehe ich dann die Mütter, die ich betreue. Die sind fix und fertig, haben Tränen in den Augen. Dann bin ich ein paar Tage da und die blühen richtig auf.“
Kontakt zu Mütterpflegerin Aylin Elstner gibt es über ihre Website www.mutterwunder.de.