Gladbeck. Die Stadt Gladbeck plant parallel fünf Ersatzbauten für marode Brücken im Stadtgebiet. Warum sich die Projekte über Jahre hinziehen.
Die Bilder aus Dresden, wo vor einigen Wochen die Carolabrücke über die Elbe in Teilen eingestürzt ist, haben viele noch vor Augen. Die gute Nachricht vorweg: Eine solche Gefahr sehen die Verantwortlichen für Gladbeck nicht. Bleibt ein Restrisiko, aber Frank Restemeyer, Leiter des Ingenieuramtes der Stadt, sagt ganz deutlich: „Eher würden wir Brücken sperren, als da irgendein Risiko einzugehen.“ Denn wie für fast alle Städte in Deutschland, so gilt auch für Gladbeck: Es gibt Probleme mit maroden Brücken, die angegangen werden müssen.
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Zeitgleich laufen beim Ingenieuramt im Moment Vorbereitungen für den Bau von fünf größeren Ersatzbrücken im Stadtgebiet. Das sind die Schultenbrücke an der Arenbergstraße, die Brücken Scheideweg und Winkelstraße, die Brücke Bülser Straße über die Bahn sowie die Brücke an der Burgstraße. Sie werden regelmäßig geprüft, teils gelten bereits Einschränkungen, um die stark belasteten Bauwerke noch weiter zu erhalten.
Gladbecker Ingenieuramt kündigt Einschränkungen auf Schultenbrücke an
Im Gespräch mit der Lokalredaktion kündigt Frank Restemeyer für eine der Brücken dann auch weitere Einschränkungen an. In der nächsten Zeit wird die Schultenbrücke für den Schwerlastverkehr gesperrt. Lediglich Busse und die Feuerwehr dürfen mit ihren schweren Fahrzeugen die Brücke dann noch nutzen. Man warte nur noch auf die verkehrsrechtliche Anordnung, sagt Restemeyer. Im Herbst vergangenen Jahres hatten die Experten des Ingenieursamtes festgestellt, dass eine eigentlich geplante Sanierung des Bauwerks nicht möglich ist, stattdessen ein Neubau hermuss.
Gleichzeitig stellt Restemeyer nochmal klar, dass die Brücken in Gladbeck sicher seien, man kein Risiko eingehe. Regelmäßige Brückenprüfungen, die in einer DIN-Norm eindeutig geregelt sind, geben da den Rahmen vor. Alle sechs Jahre wird so eine Brücke einer Hauptprüfung unterzogen.
Hauptuntersuchung der Brücken übernehmen externe Gutachter
Externe Gutachter prüfen dann jedes Detail an den Bauwerken, klopfen mit dem Hammer Beton ab und prüfen die Konstruktion auf Herz und Nieren. Sie bewerten mögliche Schäden und ihren Einfluss auf Standsicherheit, Verkehrssicherheit und Dauerhaftigkeit, also welche Bedeutung haben sie für die Bausubstanz als ganzes. Dazu kommt nach drei Jahren eine weitere Prüfung, außerdem werden alle städtischen Brücke einmal jährlich einer Besichtigung durch die Experten unterzogen, sowie im Rahmen der Straßenbegehungen weitere zweimal im Jahr betrachtet.
Das seien die Mindestanforderungen, machen Frank Restemeyer und Lars Neubauer, im Ingenieuramt verantwortlich, für konstruktive Bauwerke, worunter auch die Brücken fallen, deutlich. „Wir haben in der Stadt auch Brücken, die sind aufgrund der Vorschäden in der jährlichen Prüfung“, sagt Neubauer. Auch für Holzbrücken etwa seien jährliche Prüfungen vorgeschrieben. Nach dem Brückeneinsturz von Dresden gebe in der Fachwelt auch Diskussionen, diese jährliche Prüfpflicht auch auf Spannbetonbrücken auszuweiten. Doch da sei noch nichts entschieden.
„Die Vorbereitungszeit ist deutlich länger als die eigentliche Bauzeit“
Für 43 Brücken im Stadtgebiet ist das Ingenieuramt verantwortlich, darunter 18 maßgebliche, also große Brücken. Wer aufmerksam ist, dem wird auffallen, dass es in Gladbeck wohl einige Brücken mehr gibt. Doch dafür sind dann andere Ebenen verantwortlich. Der Kreis, der Landesbetrieb Straßen NRW, die Autobahn GmbH oder auch die Bahn – sie alle sind für Bauwerke in Gladbeck verantwortlich und unterliegen entsprechenden Verpflichtungen.
Doch warum sind einige Brücken in der Stadt so marode? Zusammengefasst ist es wohl die Mischung aus Alter und Belastung. Eine Brücke sei ausgelegt auf eine Haltbarkeit von 80 Jahren, sagt Neubauer. Ab den 1980er-Jahren seien sie auch stabiler gebaut worden. Das Problem: Viele Brücken in der Stadt sind älter. Beispiel die gesperrte Brücke Winkelstraße und ihr Pendant am Scheideweg. Die sind von 1909, ihren Lebenszyklus haben sie weit überschritten.
Viel Abstimmungsbedarf mit Bahn und Versorgern beim Neubau von Brücken
Das Problem hier, wie bei vielen anderen Brücken in der Stadt: Sie gehörten früher der Bahn, durch eine Neuordnung gingen sie an die Stadt über – als Geschenk. Allerdings war das kein Geschenk, das Freude auslöst. Denn die Probleme beim Neubau von Brücken sind immens, gerade wenn die Bahn beteiligt ist. Es müssen Absprachen getroffen werden, Sperrpausen vereinbart werden, der Aufwand ist enorm. Restemeyer bringt das Beispiel der Brücke Beethovenstraße in Zweckel.
„Vom ersten Gespräch mit der Bahn bis zur Fertigstellung hat es neun Jahre gedauert.“ Allein für die Vertragsgestaltung zwischen Stadt und Bahn seien sieben Jahre draufgegangen, weil sich die Struktur der Bahn geändert habe, weil Ansprechpartner wechselten. Der eigentliche Bau habe am Ende etwas mehr als ein Jahr gedauert.
Hinzu kommt: Für solche Arbeiten sind Sperrpausen notwendig, heißt der Bahnverkehr muss zeitweise eingestellt werden. Darüber entscheidet die Bahn. Beispiel Bülser Straße: Eigentlich hätte die Brücke längst fertig sein sollen. Seit 2020 verhandele man mit der Bahn über Sperrpausen, mittlerweile habe die das mindestens auf das Jahr 2028 verschoben, ärgern sich Neubauer und Restemeyer.
Bahn verschiebt notwendige Sperrpausen immer weiter nach hinten
Das bremst auch den Bau der Brücken in Gladbeck aus. Auch deshalb plane man verschiedene Maßnahmen parallel, um dann sofort parat zu stehen, wenn es entsprechende Freigaben gibt. Und auch wenn die Abstimmungen mit der Bahn womöglich besonders aufwändig sind, so ist das bei weitem nicht der einzige Verwaltungs- und Organisationsaufwand beim Neubau von Brücken.
Stadt Gladbeck mit Appell an Bund und Land
„Wir müssen uns auch mit den Versorgern abstimmen, denn unterhalb der Brücke verlaufen Leitungen“, sagt Restemeyer. Das sind zum einen die klassischen Versorger wie Telekom, Wasserwerk und Ele. Vielfach verlaufen unterhalb der Brücken auch Versorgungsleitungen, durch die Gase und Produktionsmittel strömen, die für die Chemiebetriebe von großer Bedeutung sind. Dann hängt vielleicht die Produktion bei Ineos Phenol, im Chemiepark Marl oder in der Raffinerie in Scholven von der Rohrleitung ab, die über Gladbecker Stadtgebiet unterhalb einer Gladbecker Brücke verläuft.
All das zu koordinieren, sei ein enormer Aufwand und koste viel Zeit und Manpower. „Die Vorbereitungszeit ist deutlich länger als die eigentliche Bauzeit“, macht Restemeyer den Verwaltungsaufwand dahinter deutlich. Sie würden sich wünschen, dass Bund und Land die Planungen insgesamt vereinfachen würden.
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