Gladbeck. Seit 90 Jahren transportiert die Spedition Hubert Winnen aus Gladbeck Glas. Die Logistik erfordert viel Erfahrung und modernste Technik.
Wer auf den Autobahnen rund um Gladbeck unterwegs ist, wird sie wahrscheinlich schon häufig gesehen haben. Grüne Lkws, die Auflieger sind nach vorne hin abgeflacht. Umso größer erscheint das Heck, auf dem groß „Spedition Hubert Winnen“ und „Gladbeck“ geschrieben steht. Keine Frage, die Gespanne heben sich von den vielen normalen, kastenförmigen Lkws ab. Doch warum? Und wie sehen die Auflieger von Innen aus?
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Im Süden von Gladbeck, kurz vor der Stadtgrenze zu Bottrop, hat die Spedition Hubert Winnen ihren Sitz. Das Unternehmen hat sich auf den Transport von Glas spezialisiert. Genauer gesagt Bauglas, das aus den Werken des Glasherstelles NSG-Pilkington stammt und hauptsächlich für Türen, Fenster und Fassaden gebraucht wird.
Gladbecker Spedition transportiert tonnenschwere Glas dank raffinierter Technik
In großen Lagerhallen auf dem Gelände von Hubert Winnen wird das Glas umgeladen. Über drei Meter hoch und sechs Meter lang sind die riesigen, nur jeweils vier Millimeter dünnen Glasscheiben, jede einzelne ist 192 Kilogramm schwer. So kommt eine ganze Ladung schnell mal auf ein Gewicht von über 25 Tonnen! Durch noch einmal modifizierte Auflieger können sogar Glasscheiben bis zu zwölf Meter Länge transportiert werden.
So groß und schwer die Ladung auch sein mag – es ist und bleibt Glas. Wie transportiert man solch ein zerbrechliches Gut? Die Lösung: die Gestelle, auf denen die Glasscheiben fixiert werden, sind gleichzeitig der Boden der Lkw-Auflieger. Um die Gestelle aufzunehmen, senkt sich der ganze Auflieger per Hydraulik ab und fährt rückwärts, bis das ganze Gestell „umschlossen“ ist. Dann hebt sich der Auflieger wieder und mit ihm das Gestell und Glas.
Hubert Winnen hat 90 Jahre Erfahrung im Glastransport
Hydraulische Seitenstabilisatoren, sogenannte „Patschen“, sichern das Glas von links und rechts und gleichen auch die Kräfte aus, die während des Transports auf die Fracht wirken. Das besondere Ladesystem sei damals vom früheren Inhaber der Spedition mitentwickelt worden, erzählt Jörg Hoffmann, der Geschäftsführer von Hubert Winnen. Die Auflieger sind Spezialanfertigungen und erfordern auch von den Lkw-Fahrern viel Erfahrung.
Die Spedition Hubert Winnen wurde bereits 1934 gegründet, damals noch mit Sitz in Gelsenkirchen. In den 1970er-Jahren zog das Unternehmen nach Gladbeck, da das Glaswerk, dessen Ware die Spedition transportierte, hier ein weiteres Werk eröffnete. 2012 gründete Winnen mit der Hans Pfab Spedition aus dem bayrischen Weiherhammer das Gemeinschaftsunternehmen Winnen-Pfab-Service. Im vergangenen Jahr übernahm Winnen das Vermögen, gründete in Bayern eine eigene Betriebsstätte und wurde vom italienischen Glaslogistiker Lannutti aufgekauft.
Spedition ist besorgt: Kaputte Infrastruktur schadet dem Geschäft
Hauptkunde der Spedition sind seit vielen Jahren die deutschen Pilkington-Glaswerke. Die insgesamt fast 100 Lkws liefern die gläserne Fracht zu einem Großteil innerhalb des deutschen Raums, einige Touren führen aber auch „quer durch Europa“, wie Tim Hoffmann sagt. Der 31-jährige Sohn von Geschäftsführer Jörg Hoffmann ist als Prokurist in der Spedition tätig. Bis nach Norwegen, Portugal und in die Türkei liefert das Unternehmen das Bauglas. Circa 13 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftete das mittelständische Unternehmen mit seinen rund 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, davon 105 am Standort Gladbeck, im vergangenen Jahr.
Doch die wirtschaftliche Rezession macht sich inzwischen auch bei der Spedition bemerkbar. „Die Tendenz ist leider abnehmend“, sagt Tim Hoffmann. Etwa um 20 Prozent sei die Baubranche aktuell eingebrochen. Probleme bereiten zudem die Infrastruktur: „Die Brückensituation ist eine große Herausforderung.“ Gesperrte Autobahnen und lange Staus bringen Logistikunternehmen ans Limit. Und da es zu wenig Rastmöglichkeiten für Lkws gebe, müssten die Fahrer inzwischen viel Zeit für die Suche nach einem Schlafplatz einplanen, so Hoffmann.
Große Fortschritte im Nachhaltigkeitsmanagement
Ein weiteres Problem: Es fehlen Lkw-Fahrer. Hubert Winnen setzt zwar weiterhin ausschließlich Fahrer aus der Region ein, doch auch hier bemerkt man eine Veränderung des Arbeitsmarktes. „Europaweit fehlen zehntausende Fahrer“, sagt Tim Hoffmann. Immer weniger Menschen hätten eine Fernfahrer-Passion. Längst habe die Work-Life-Balance auch in dieser Branche an Bedeutung gewonnen. Immer mehr Arbeitnehmer möchten nur noch tagsüber unterwegs und abends wieder bei ihren Familien sein.
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Erfolge feiern konnte die Spedition zuletzt in puncto Umweltschutz. Seit 2018 führt das Unternehmen ein selbst entwickeltes und mehrmals ausgezeichnetes Nachhaltigkeitsmanagement. Unter anderem verringern moderne Zugmaschinen und die Umstellung auf den Recycling-Diesel HVO den Vebrauch an Treibstoff. „Wir setzen uns intensiv damit auseinander, die Emissionen gering zu halten“, so Tim Hoffmann. Um 15 Prozent hat Winnen den ökologischen Fußabdruck bereits reduzieren können.
Forderung: Mehr Unterstützung vom Staat
Auch die Anschaffung von E-Lastkraftwagen ist ein Thema. Doch die elektrischen Zugmaschinen sind teuer und haben eine deutlich geringere Reichweite als ein Verbrennerantrieb. Für die Ladestationen wären zudem umfassende Umbauten auf dem Gelände notwendig. Bürokratische Hürden sind eine weitere Herausforderung. „Hier wäre mehr staatliche Hilfe wünschenswert“, kritisiert Tim Hoffmann. Ein mittelständisches Unternehmen könne solche Maßnahmen kaum alleine schaffen.
Für das Nachhaltigkeitsmanagement trägt Tim Hoffmann die Verantwortung. Geschäftsführer und Vater Jörg Hoffmann ist die Verteilung der Leitung auf mehrere Akteure wichtig. Das Unternehmen sei verjüngt worden, so der gelernte Diplomkaufmann und erfahrene Logistiker. Neben Tim ist seit Anfang des Jahres auch sein Bruder Marc Hoffmann in der Spedition als Disponent angestellt.
So erklärt sich die Form der Lkw-Auflieger
Bis zum Verkauf an Lannutti 2023 war der Glastransporteur noch in den Händen der Familien Winnen und Welsch. Flache Hierarchien und ein gutes Miteinander sind im Unternehmen schon längst etabliert. Viele Mitarbeitende kamen als Quereinsteiger hinzu, so Marc Hoffmann, der zuvor Journalismus und PR studierte. „Die Leute müssen charakterlich ins Team passen“, weiß sein Bruder Tim.
Bleibt die Frage nach der abgeflachten Form der Auflieger. Das habe gewichtstechnische Gründe, erklärt Tim Hoffmann. Das Gewicht der Lkws ist in Deutschland auf 40 Tonnen reguliert, weshalb die Auflieger stetig optimiert werden, um die maximale Transportmenge unterzubringen. Um Gewicht zu reduzieren, wurde durch die Form Material gespart, sodass die Auflieger „nur“ noch sechs Tonnen wiegen.
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