Gladbeck. Wie sieht die Grundsteuer in Gladbeck künftig aus? Die Verwaltung hat der Politik eine lange Vorlage geschrieben, eine Empfehlung gibt es nicht.

Das ist ungewöhnlich: Die Verwaltung, genauer die Kämmerei, hat für die nächste Sitzung des Haupt-, Finanz- und Digitalisierungsausschusses (HFDA) eine lange Vorlage zur Grundsteuer verfasst. Doch anders als sonst bei den Verwaltungsvorlagen üblich, gibt es diesmal am Ende keine Handlungsempfehlung für die Politik. Wo sonst am Ende eines solchen Papiers ein Beschlussentwurf steht, finden sich diesmal drei gleichberechtigt untereinander stehende Vorschläge.

Das sind im Wesentlichen die schon bekannten Optionen, die bei der Frage der neuen Ausgestaltung der Grundsteuer im Raum stehen. Weil sich das Land trotz der Kritik der Kommunen nicht bewegt und sich weigert, die Steuermesszahlen anzupassen, muss nun vor Ort entschieden werden, ob und wenn ja, was getan werden kann um zu verhindern, dass insbesondere die Kosten für Ein- und Zweifamilienhäuser stark steigen könnten, wohingegen die Grundsteuer für Gewerbeflächen noch stärker sinken könnte.

Nach den neuesten Zahlen, die der Stadt nun vorliegen, müsste ein einheitlicher Hebesatz bei 1085 Punkten liegen, damit die Stadt im kommenden Jahr genauso viel aus der Grundsteuer einnimmt wie in diesem Jahr. Ziel war es immer, dass die Reform für die Städte aufkommensneutral ist, sie also am Ende kein größeres Loch in der Kasse haben oder aber hohe Mehreinnahmen. Bei differenzierten Hebesätzen käme man am Ende auf 929 Punkte für Wohngebäude, daneben stehen 1673 Punkte für Gewerbeeinheiten.

In ihrer Vorlage hat die Kämmerei neben den beiden Optionen differenzierter und einheitlicher neuer Hebesatz auch eine dritte Option aufgenommen, nämlich das Beibehalten des bisherigen einheitlichen Hebesatzes von 950 Punkten. Ausführlich stellen die Experten der Verwaltung die Auswirkungen der verschiedenen Möglichkeiten dar.

Einheitliche Hebesatz in bisheriger Höhe von 950 Punkten

Bleibt es beim einheitlichen Hebesatz von 950 Punkten, so wäre die neue Grundsteuer für die Stadt Gladbeck nicht mehr aufkommensneutral. Laut Kämmerei würde das den kommunalen Haushalt um jährlich 1,7 Millionen Euro zusätzlich belasten. Vereinfacht ausgedrückt: Das jetzt schon tiefe Loch in der Stadtkasse würde noch tiefer. Nicht-Wohngrundstücke würden bei dieser Variante um rund 2,3 Millionen Euro entlastet, Wohngrundstücke mit rund 600.000 Euro belastet. Weiter listet die Verwaltung positive wie negative Aspekte mit Blick auf die Öffentlichkeit auf, die hier im Folgenden jeweils wiedergegeben werden.

Positive Aspekte

  • Durch die Beibehaltung des aktuellen Hebesatzes wird für alle Gladbecker Bürger:innen die Auswirkungen der Grundstücksneubewertung transparent, da ggf. höhere Aufwendungen einzig mit der Neubewertung durch die Grundsteuerreform zusammenhängen.
  • Nicht-Wohngrundstücke werden bei der Beibehaltung des aktuellen Hebesatzes profitieren, da sowohl der empfohlene differenzierte Hebesatz als auch der einheitliche Hebesatz des Landes NRW zu einer höheren Steuerlast für dieses Segment führen würde.

Negative Aspekte

  • Der Haushalt der Stadt Gladbeck ist defizitär. Durch gleichbleibende Hebesätze erhöht sich dieses Defizit weiter. Dieser Verlust müsste zudem in die Planjahre übernommen werden und würde damit auch die Genehmigungsfähigkeit des Haushaltssicherungskonzeptes erschweren.
  • Wohngrundstücke werden nicht entlastet, wie dies bei der Einführung differenzierter Hebesätze der Fall ist. Daher könnten Wohngrundstücks-Eigentümer:innen den Vorwurf erheben, dass die Stadt die vom Land eingeräumte Möglichkeit, das Wohnen zu entlasten, nicht genutzt habe.

Differenzierte Hebesätze

Hier geht die Kämmerei zunächst davon aus, dass diese Gestaltung aufkommensneutral ist, es also nicht unbedingt zu einem Loch in der Kasse führt. Aber auch in diesem Szenario gibt es Grundstückseigentümer, die durch die Reform mehr zahlen müssen als bisher. Umgekehrt profitieren andere und zahlen künftig weniger. Die Kämmerei kommt zu dem Schluss, „dass 50 Prozent der Wohngrundstücke und 64 Prozent der Nichtwohn-
Grundstücke nach Durchführung der Grundsteuerreform eine höhere Grundsteuerlast zu tragen haben, als noch im Jahr 2024“. Das sei zurückzuführen auf die Neuberwertung der Grundstücke seitens des Finanzamts. Bei den Nicht-Wohngrundstücken blieben trotz der deutlichen Anhebung des Hebesatzes immer noch 36 Prozent der Betroffenen hinter den Grundsteuerzahlungen des Jahres 2024 zurück.

Positive Aspekte

  • Die Nutzung der differenzierten Hebesätze führt dazu, dass die Belastungsverschiebung für Wohngrundstücke abgeschwächt wird.
  • Durch die Heranziehung der differenzierten Hebesätze werden sowohl Wohn- als auch Nichtwohngrundstücke insgesamt zu gleichen Teilen belastet, wie dies vor der Grundsteuerreform der Fall war. Dies bedeutet, dass die Gesamtheit der Wohngrundstücke denselben Betrag entrichtet wie vor der Grundsteuerreform und ebenso die Gesamtheit der Nichtwohngrundstücke.
  • Gut 19.000 Eigentümer:innen bzw. Mieter:innen werden durch die Hebesatzsenkung für die Wohngrundstücke in Bezug auf die Wohnnebenkosten durch die Stadt entlastet.
  • Den Wohngrundstückseigentümern wird deutlich, dass individuelle Grundsteuererhöhungen nicht durch den Hebesatz der Kommune bewirkt wurden, sondern vielmehr durch die Neubewertung ihres Grundstücks.
  • Ggf. höhere Aufwendungen für die Grundsteuer können von Gewerbetreibenden als Betriebsausgabe veranschlagt und somit durch ihren steuer senkenden Charakter andere Steuer-
    Verpflichtungen der Betriebe zum Teil kompensieren.

Negative Aspekte

  • Die konkreten Auswirkungen der Grundsteuerreform auf die individuell zu zahlende Grundsteuer ist für die Eigentümer:innen der Nicht-Wohngrundstücke nicht offensichtlich, da die Neubewertung zeitgleich mit der Anwendung eines erhöhten Hebesatzes einhergeht.
  • Es ergeben sich höhere Belastungen für Wohnende auf gemischt-genutzten Grundstücken mit mindestens 20 % Gewerbeanteil, da diese der Gruppe der Nicht-Wohngrundstücke zuzuordnen sind. Von den rd. 420 gemischt genutzten Grundstücken in Gladbeck müssten 105 bzw. 25 % aufgrund der erhöhten Hebesätze mehr Grundsteuer entrichten, als dies noch in 2024 der Fall war.

Einheitlicher neuer Hebesatz

Auch hier sieht die Kämmerei das Thema aufkommensneutral als gegeben an. Doch für die Eigentümerinnen und Eigentümer würde das bedeuten, dass auf 68 Prozent der Wohngrundstücke eine höhere Steuerlast zukäme. Aber: Das wäre laut Vorlage auch bei 49 Prozent der Nicht-Wohngrundstücke der Fall.

Positive Aspekte

  • Durch die Nutzung des empfohlenen einheitlichen Hebesatzes werden die Nichtwohngrundstücke noch mehrheitlich entlastet.

Negative Aspekte

  • Durch die Nutzung des empfohlenen einheitlichen Hebesatzes werden die Wohngrundstücke höher belastet.
  • Der Hebesatz für Wohn- und Nichtwohngrundstücke, also für alle Steuerobjekte in Gladbeck, liegt deutlich höher als bisher (Sprung von 950 v.H. auf 1.085 v.H.) und damit im kreisweiten Vergleich weiterhin an erster Stelle.
  • Die konkreten Auswirkungen der Neubewertung der Grundstücke durch die Grundsteuerreform auf die individuell zu zahlende Grundsteuer wird für die einzelnen Bürger:innen nicht ersichtlich, da diese zeitgleich mit der Anwendung eines neuen Hebesatzes vermischt werden.
  • Vor allem die Wohngrundstückeigentümer:innen könnten sich ungerecht behandelt fühlen. Es wäre mit einer noch größeren Vielzahl von Widersprüchen zu rechnen.

Bleibt die rechtliche Frage. Ein Gutachten im Auftrag der Landesregierung kommt zu dem Schluss, dass es keine rechtlichen Hürden für differenzierte Hebesätze gibt. Einzige Bedingung: Sie dürften nicht zu weit auseinanderklaffen. Das aber wäre in Gladbeck nicht der Fall, so die Kämmerei. Ganz so einfach scheint es jedoch nicht zu sein. Ein Gutachten im Auftrag des Städtetags kommt zu einem gänzlich anderen Schluss, demnach seien differenzierte Hebesätze nicht rechtssicher anwendbar. Aus Sicht der Kämmerei hieße das: „Das könnte im schlimmsten Fall dazu führen, dass die Grundsteuerbescheide der Stadt Gladbeck rechtswidrig und gerichtlich anfechtbar sind, sofern sich die Stadt für die Hebesatzdifferenzierung entscheidet und sich die Gerichte der Argumentation der Gutachter des Städtetages anschließen würden.“ Technisch umsetzbar aber seien alle drei Optionen.

Wie der HFDA am kommenden Dienstag entscheidet, ist nicht vorhersehbar. Einzig die CDU hat sich bereits für die differenzierten Hebesätze ausgesprochen und einen Antrag gestellt, wonach die ab 2025 gelten sollten. Die SPD hat für die Sitzung ebenfalls einen Antrag gestellt, da ging es jedoch einzig darum, das Thema auf die Tagesordnung zu bringen. Wie die größte Partei im Rat sich entscheidet, ist noch offen. Allerdings heißt es im SPD-Antrag: „Als SPD-Fraktion stehen wir an der Seite der Bürgerinnen und Bürger: Eine weitere Verteuerung des Wohnens in Gladbeck darf es nicht geben. Wir kämpfen gegen Mehrbelastungen.“ Gleichzeitig erneuert die SPD ihre Kritik am Vorgehen des Landes, das das Problem einfach auf die Städte und Gemeinden abwälze.