Gladbeck. Seit 40 Jahren ist das historische Gebäude am Bernskamp Sitz der Gladbecker Musikschule. Wo sich noch Spuren aus längst vergangenen Tagen finden.
Umkreist von einer üppig belaubten Platanenallee liegt die Musikschule der Stadt Gladbeck inmitten einer grünen Oase. Von der Sandstraße kommend, führt der Bernskamp an einer steinernen Violine-Statue vor den Haupteingang des stolzen Gebäudes. Roter Ziegel und weißer Putz bilden die Fassade, Schlägel und Eisen sind an der Spitze des Mittelportals zu sehen. Keine Frage: Das Günter-Walaczek-Haus, benannt nach dem Gründer dieser städtischen Musikschule, besitzt ein besonderes Flair.
„Für das Musizieren bieten Gebäude und Lage ein ideales Ambiente“, stellt Rolf Hilgers fest. Der gebürtige Monschauer ist seit 1992 in der Musikschule tätig. Seit 2009 hält er als Schuldirektor zusammen mit seinem Stellvertreter Ernst Hesse die Zügel in der Hand. Beide kennen das historische Gebäude genau – und sie haben die Schlüssel, um einen Einblick in die Geschichten der Musikschul-Heimstätte zu geben. So viel sei gesagt: Mit Musik hatte das Haus zunächst gar nichts zu tun.
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Einst war das Haus Teil der Gladbecker Bergbauindustrie
Schlägel und Eisen geben schon einen Hinweis, für welchen Kontext das Gebäude ursprünglich genutzt wurde. Gebaut wurde es 1905 als Verwaltungssitz der königlich-preußischen Berginspektion. Mit dem Niedergang des Bergbaus in Gladbeck verlor es in den 1970er Jahren allerdings seine Funktion. Kurzzeitig zog eine Haushaltungsschule ein, auch der frühere Energiekonzern VEBA nutzte die Räumlichkeiten. Seit 1984 beherbergt das Gebäude die Gladbecker Musikschule. Ab 2001 wurde es aufwendig restauriert und renoviert, zwei Jahre später konnte die Musikschule wieder einziehen. 2004 war auch der Ausbau des Dachgeschosses abgeschlossen.
Trotz vieler Umbauarbeiten erinnern hier und da ein paar Überreste an die lange Geschichte des Hauses. Da wäre etwa das alte Treppenhaus. Oder der Tresor im Umkleideraum der Balletttänzerinnen und -tänzer. Hinter der dicken Stahltür lagern heute keine Goldbarren oder Geldscheine wie in Zeiten der alten Zahlstelle im Bergbau-Verwaltungssitz, sondern Requisiten und Kostüme fürs Ballett.
Diese Bilder zeigen das Besondere der Musikschule
Und auch ein Blick durch die hohen Altbaufenster nach draußen offenbart das historische Flair. Das Gebäude ist zudem von mehreren großen und ebenso alten Wohnhäusern umringt, in denen früher einmal der Bergwerksdirektor, hohe Beamte und die Baupolizeibehörde ihr Domizil hatten.
Dachboden lädt zum Musizieren in gemütlicher Atmosphäre ein
Doch zurück ins Gebäude, denn dort spielt im wahrsten Sinne des Wortes die Musik. Im Dachgeschoss sollten große Menschen ihre Köpfe einziehen, denn dank diverser Dachschrägen und Stützbalken geht es hier verwinkelt zu. Die Jazzmusikerinnen und -musiker haben im Raum am Ende des Flures ihr Zuhause gefunden. Es wirkt eher wie ein großes Wohnzimmer, nur eben voller Instrumente und vor allem mit besserer Akustik. Zusätzliche Schalldämmung sei in diesem Raum nicht nötig, sagt Hilgers. „Aber die Fenster sollten geschlossen bleiben, sonst könnten sich die Anwohnerinnen und Anwohner beschweren.“
Auf der anderen Seite des mit Brandschutztüren geteilten Flurs steht in einem sehr kleinen Zimmer ein ziemlich großer Flügel. Wie kam der hier bitte rein? „Die Beine des Flügels lassen sich abmontieren“, sagt Hilgers und fügt hinzu: „Dann wurde der Flügel quer aufgestellt und durch Türen und Treppenhaus getragen.“ Das sei bestimmt ein Knochenjob für die beauftragte Transportfirma, kommentiert Hesse. Gut, dass so schnell kein Umzug des Flügels geplant ist.
Stolz ist die Musikschule auf den hauseigenen Ballettsaal
Eine Etage weiter unten ist der Konzertsaal der Musikschule. Bis zu 80 Gäste können in diesem Raum Platz finden. Je nach Aufführung sei die Montage einer kleinen Bühne möglich, zudem gebe es eine feste Beleuchtungsanlage, erzählt Hilgers. Es habe sogar mal die Idee gegeben, ein Aufnahmestudio zu integrieren, aus der aber nichts geworden sei. Eine Glasscheibe zwischen Konzertsaal und dem Nebenraum erinnert aber bis heute an diesen Plan.
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Ein echtes Schmuckstück befindet sich im ersten Stock der Musikschule. Am Ende des Flurs öffnet sich ein großer Ballettsaal – mit vielen Spiegeln, Balken, gefedertem Boden und zusätzlicher Geräuschdämmung. In der Musikschule ist man stolz, einen hauseigenen Ballettsaal zu besitzen. „Das können nicht viele Schulen von sich behaupten“, ist sich Hilgers sicher. Während der Sanierung Anfang des Jahrtausends wurde der Saal vergrößert. Rund 300 Tänzerinnen und Tänzer finden in der Musikschule die Möglichkeit zum Ballett, die den Unterricht bereits seit etwa 50 Jahren anbietet.
Während der Sanierung fanden Bauarbeiter einen Schatz im Keller
Auf dem Weg Richtung Keller fällt Hilgers eine Anekdote zum Foyer der Musikschule ein. Zwei große, steinerne Säulen stehen hier jeweils links und rechts vom Haupteingang. Alles ist unscheinbar in Grautönen gehalten. „Das war nicht immer so“, sagt der Schuldirektor mit Blick auf die Säulen und lacht. Als die Musikschule in das Gebäude einzog, sei ein Künstler für die Gestaltung der Innenarchitektur engagiert worden, berichtet Hilgers. „Er malte die eine Säule blau, die andere rot an, quasi als These und Antithese.“ Der Haupteingang wurde in einem auffälligen Lila gestrichen. „Bei den Gästen sorgte diese Farbauswahl durchaus für Verwirrung“, so Hilgers, der die ehemalige Gestaltung ironisch als „künstlerisch ambitioniert“ bezeichnet.
Diese Bilder zeigen das Besondere der Musikschule
Eine Etage tiefer öffnet Hilgers die Tür zu einem der vielen Lagerräume. Diverses wartet hier auf seine Verwendung. Nichts erinnert mehr an den spektakulären Fund, den Bauarbeiter während der Sanierung hier hinter einer Wand machten. In einem Hohlraum am Ende des Raumes waren mehr als 30.000 Münzen versteckt. Sie stammen aus einem Kriegsgefangenenlager während des Ersten Weltkriegs. „Leider waren sie inzwischen wertlos“, sagt Hilgers. Ein Teil der Münzen ist inzwischen im Museum der Stadt Gladbeck ausgestellt.
Schulleitung wünscht sich Aufzug zur Inklusion eingeschränkter Menschen
Vom Verwaltungssitz aus Zeiten von Stahl und Kohle zum Ort der Musik und des Balletts – das historische Gebäude am Bernkamp hat viel zu erzählen. Wenn es nach Hilgers und Hesse geht, dürfen gerne weitere Geschichten dazukommen. „Das Gebäude könnte aber mal wieder einen frischen Anstrich vertragen“, meint Hilgers, der sich allerdings noch an frühere Tage erinnert: „Vor der Sanierung war die Fassade schwarz gefärbt vom Ruß der Schlote.“
Diese Zeiten sind vorbei, dafür brechen neue an. „Wir benötigen dringend einen Aufzug für Menschen, die etwa auf einen Rollstuhl angewiesen sind“, sagt Hesse. Für Aufführungen im Konzertsaal im dritten Stock müssten sich immer noch ältere Menschen das Treppenhaus hochquälen, manchen bleiben die Veranstaltungen komplett verwehrt. Die Schulleitung hofft daher auf ein rasches Handeln. „Wir können ja nicht für jede Veranstaltung die Stadthalle nutzen“, sagt Hilgers.
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Hin und wieder weicht die Musikschule auf andere Standorte aus, denn bei größeren Veranstaltungen genügt der Platz im eigenen Konzertsaal nicht. „Für einen größeren Saal wäre ein Anbau nötig“, meint Hesse. Allein aus Kostengründen sei eine solche Baumaßnahme aktuell kein Thema. „Aber träumen dürfen wir ja“, sagt der stellvertretende Schulleiter lachend. Unrecht hat er nicht, schließlich steckt das Gebäude voller Überraschungen.