Gladbeck. Die umgebaute Christuskirche Gladbeck ist wieder eröffnet. Fehlt nur noch die Orgel. Die WAZ schaut einem Experten bei der Sanierung zu.

Zwei Jahre hat der Umbau der evangelischen Christuskirche in Gladbeck gedauert, zum ersten Advent gab es die feierliche Wiedereröffnung. Kantor Michael Oddei muss allerdings bisher die Gottesdienste an einer kleinen mobilen Orgel im Kirchraum begleiten. Nun befinden sich jedoch Sanierung und Teilerneuerung der Steinmann-Orgel auf der Zielgeraden. Spezialist Burkhard Klimke lässt sich bei der Arbeit über die Schulter schauen.

Hoch auf der Empore steht das meterhohe Gehäuse aus Tannen- und Fichtenholz des alten Instrumentes, aber „die Königin“ ist leer. „Die rund 2000 Pfeifen wurden ausgebaut“, informiert Oddei. Er ist dankbar, dass das Presbyterium einer umfassenden Sanierung der Orgel zu gestimmt hatte.

Burkhard Klimke hat sogar in Rom Orgeln gebaut und gewartet

Das „gute Stück“ stammt aus den 1950er Jahren von der Firma Steinmann aus Vlotho, die im 20. Jahrhundert viele Orgeln in evangelischen Kirchen im Ruhrgebiet gebaut hat. Mit der Restaurierung nun beauftragt wurde Burkhard Klimke aus Kirchhellen. Er hat dort die katholische Pfarrei St. Johannes der Täufer betreut, sogar in Rom Orgeln gebaut und gewartet. „Das ist heute kein Problem mehr, aber früher gab es durchaus eine strikte Einteilung in evangelische und katholische Orgelbauer“, erzählt der Fachmann.

Kantor Michel Oddei (vorne) hilft Orgelbauer Klimke gerne bei der Arbeit und freut sich schon auf seinen Einsatz am sanierten Instrument in der Christuskirche Gladbeck.
Kantor Michel Oddei (vorne) hilft Orgelbauer Klimke gerne bei der Arbeit und freut sich schon auf seinen Einsatz am sanierten Instrument in der Christuskirche Gladbeck. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Klimke hat die meisten Pfeifen in der Christuskirche schon gewaschen und gerundet, die Stimmvorrichtungen in Ordnung gebracht. Im Spielschrank sind die beiden Manuale bereits wieder eingebaut, die Tasten mit edlem Material neu belegt – Ebenholz für die schwarzen und Knochen für die weißen. „Elfenbein benutzt man selbstverständlich nicht mehr“, betont Klimke. 56 Töne können im Manual angespielt werden, im Pedal mit den Füßen sind es weitere 30. Bisher gab’s die rein mechanische Betätigung.

Der Wind kommt aus einem Motor, ein „Riesenventilator“, der mit 1200 Umdrehungen pro Minute Luft in das Instrument bläst. Bislang für 24 Register. Der Orgelspezialist: „Man muss sich vorstellen, es sind 24 Musiker“. Diese werden nun neue „Kollegen“ bekommen, die Zahl der Register wird auf 30 erweitert.

Orgelbauer Burkhard Klimke ist den Blick ins Innenleben einer Kirchenorgel gewohnt, Laien staunen ob der komplizierten Technik.
Orgelbauer Burkhard Klimke ist den Blick ins Innenleben einer Kirchenorgel gewohnt, Laien staunen ob der komplizierten Technik. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Die Christuskirche hat durch den Neubau des Kirchenraums eine völlig neue Akustik, und so haben Kantor Michael Oddei und Klimke überlegt, wie sie die Orgel den neuen Gegebenheiten anpassen können. „Wir brauchen mehr Bässe“, konkret Kontrabass, Cello und Geigenklänge. Die Bässe, im tiefen C mit 4,80 Metern, in Orgelsprache 16-Fuß, werden ganz schön vibrieren.

Für den 21. Mai ist ein großes Konzert in der Christuskirche Gladbeck geplant

Burkhard Klimke hat günstig historisches Material in England einkaufen können, von einer alten Orgel aus der Werkstatt Henry Willis & Sons. Sie zählen zu den renommiertesten Orgelbauern von Großbritannien, sind auch für die Royal Albert Hall tätig. Die imposanten Pfeifen aus Tannenholz liegen seit sechs Monaten in einem oberen Nebenraum, so kann sich das Holz akklimatisieren. Komplett neu ist: Diese werden elektrisch bedient. Die Magnete für diese 56 Schwanzventile sind schon eingebaut. „Anfang März werden sie durch eine Spezialfirma elektrifiziert“.

Orgelbauer Burkhard Klimke reinigt die Pfeifen, setzt sie wieder ein, beginnt demnächst die Intonation – es gibt viel zu tun.
Orgelbauer Burkhard Klimke reinigt die Pfeifen, setzt sie wieder ein, beginnt demnächst die Intonation – es gibt viel zu tun. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Nach und nach werden dann die Pfeifen wieder eingesetzt, übrigens ebenso weitere kleine englische, die Klimke der Kirche gestiftet hat. Dann kann der Orgelbauer mit der Intonation beginnen. „Dafür brauche ich insgesamt vier Wochen Raumstille“, sagt er. Das Prospekt, also die Außenansicht, wird ebenfalls leicht verändert, es gibt ein kleines Schwellwerk – ein Holzkasten, der geöffnet größere Lautstärke produziert.

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In knapp drei Monaten wird es soweit sein, dass die „Königin der Instrumente“ in der Christuskirche wieder erklingen kann. Michael Oddei, der Klimke immer eifrig zur Hand geht, freut sich immens auf seine neue Wirkungsstätte und plant für den 21. Mai ein großes Konzert.

Orgel in St. Stephani

Burkhard Klimke hat schon einmal eine Orgel in einem Gladbecker evangelischen Gotteshaus wieder zum Strahlen gebracht. Im Jahre 2019 nahm sich der Fachmann des Musikinstruments in St. Stephani an der Söllerstraße an.Diese Sanierung in Zweckel erstreckte sich seinerzeit über vier Wochen. Insgesamt 906 Pfeifen mussten überarbeitet werden.

„Da will ich alle unterschiedlichen Klangfarben der Soloregister vorführen“, kündigt der Kantor an. Ganz klar, es wird Musik des barocken Meisters Johann Sebastian Bach geben, auch des großen französischen Orgelromantikers Leon Boellmann. Aber gleichfalls sind Werke wie der Soundtreck zu „Interstellar“ von Hans Zimmer geplant. Kino-Orgel, das ist ein großes Steckpferd von Oddei. Die Gemeinde der Christuskirche und ganz Gladbeck können sich auf viele großartige Orgelerlebnisse in den kommenden Jahren freuen.

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