Überraschende Entdeckung bei der Reinigung der Orgel in der Hl. Familie: Die Hälfte der 1100 Pfeifen ertönte schon 1913. "Ein wahrer Leckerbissen", schwärmt der selbstständige Orgelbauer Klimke
"Solche Pfeifen sind ein Leckerbissen", schwärmt Orgelbauer Burkhard Klimke und hebt ein unscheinbar graues Metallrohr vom Boden: eine Orgelpfeife aus dem Jahr 1913.
Denn das war die Überraschung bei der Reinigung der 1100 Orgelpfeifen in der Hl. Familie: Die Hälfte von ihnen ertönte bereits in der alten Kirche, die Anfang der 1970-er Jahre wegen Bergschäden abgerissen werden musste. "Wir wussten nicht, dass sie 1974 in die Orgel der neuen Kirche integriert wurden", freut sich Organist Detlef Steinbrenner über diesen Fund.
Für rund 20 000 Euro werden zurzeit die Grafenwälder Pfeifen vom Feinstaub befreit. Ein Klacks, wenn man den Wert der Orgel zugrunde legt. "Etwa 300 000 Euro", schätzt der zweite selbstständige Orgelbauer im Team, Jens Salzmann. Nach über 30 Jahren ist die Pfeifenputzer-Aktion dringend erforderlich. Die Orgel klingt bedeckt, dumpf. Werk für Werk wird sie jetzt in rund fünf Wochen gereinigt: Pedal-, Haupt- und Brustwerk werden nach und nach ausgeräumt, gereinigt. Dann wird neu intoniert, eine penible Arbeit, "da wird rumgehämmert, rumgepiekst, rumgefeilt", seufzt Burkhard Klimke. Der 50-Jährige hat schon die Orgel von St. Johannes intoniert, die Pfeifen aufeinander abgestimmt, "elf Wochen", erinnert er sich. "Hinterher warst du krank", lacht Organist Detlef Steinbrenner, der bei der Intonierung mithilft, "wir sprechen darüber, gehen nach hinten in die Kirche und lauschen; das ist spannend."
Schon jetzt freut sich Steinbrenner, nach der Fusion Organist in St. Johannes und in der Hl. Familie, auf sein erstes Konzert nach der Putzaktion: "Ich werde Monate brauchen für das Entdecken des neuen Klanges." Denn die Orgel erhält ein neues Klangbild: weg vom Neo-Barock, das in den 1970-er Jahren vorherrschte, hin zur Neo-Romantik, das 1913 "in" war. Diese historischen Register kommen nach der Intonierung stärker zur Geltung. "Die Klangkronen beim Neo-Barock sind in den hohen Tönen spitz und schrill", erklärt der 28-jährige Dortmunder Jens Salzmann, "die ersten fertigen Register sind viel tragfähiger, nach oben abgemildert und viel weicher im Klangbild, eben neuromantisch."
Und das Einmalige: Auch während der Reinigungsphase bleibt die Orgel bespielbar. "Alle anderen Firmen hätten sie komplett abgebaut", erklärt Pfarrer Klaus Klein-Schmeink, der die Kosten aus Zweckrücklagen bestreitet. Burkhard Klimke sieht es als wichtige Aufgabe an, dass die Gemeinde "unsere Arbeit nachvollziehen kann und sieht, warum das so teuer ist." Schließlich sei alles Handarbeit. Zum Einsatz kommt nicht eine Maschine, dafür recht individuelles Werkzeug: Hämmerchen, Zangen, Pfeilspitzen, Skalpelle.
Die Gemeinde kann übrigens nachvollziehen, wie sich der Orgelklang verändert. Ein Toningenieur macht Aufnahmen - vorher und nachher. Eins der Lieder: Hänschen klein . . .