Gladbeck. Am Gladbecker Heisenberg-Gymnasium war am Mittwoch ein Holocaust-Experte aus Polen zu Gast. Er verriet Details, über die kaum noch einer spricht.
Das Heisenberg-Gymnasium in Gladbeck durfte am Mittwochmorgen einen ganz besonderen Gast aus Polen begrüßen. Wieslaw Wysok ist Experte für Erinnerungskultur bzw. Gedenkstättenarbeit und stellvertretender Direktor des staatlichen Museums Majdanek in Lublin. Auf Einladung des Vereins „Erinnern für eine Europäische Zukunft e.V.“ aus Münster und des Erinnerungsortes „Alter Schlachthof“ in Düsseldorf reist Wysok derzeit durch Deutschland, um über die grausamen Ereignisse des Holocausts aufzuklären. Dabei fokussiert sich der Fachmann auf die Ermordungen von Juden, die unter dem Begriff „Aktion Reinhardt“ im Osten Polens durchgeführt wurden.
Rund 50 Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe elf am Heisenberg-Gymnasium lauschten gut eine Stunde dem Geschichts-Vortrag von Wieslaw Wysok und erhielten viele Details, die man aus den wenigsten Geschichtsbüchern zur NS-Zeit erfährt. Auch Gladbecks stellvertretender Bürgermeister Norbert Dyhringer hörte beim Vortrag am Heisenberg-Gymnasium zu.
Gladbeck: Holocaust-Experte erinnert Heisenberg-Schüler an vergessene Lager
„Diese Taten sind und bleiben ein Teil unserer Geschichte“, eröffnete Dyhringer die Veranstaltung am Mittwochmorgen. „Eine Geschichte, die wir immer wieder erzählen müssen, damit sie sich nicht wiederholt“, fügte er hinzu und übergab damit das Wort an den Experten. „In der Erinnerungskultur zum Holocaust steht meistens Auschwitz im Mittelpunkt und wird als größtes Konzentrationslager bezeichnet“, begann Wysok seinen Vortrag. „Aber das ist historisch gar nicht richtig“, betonte er.
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Vor 80 Jahren begannen die Nationalsozialisten ihre systematischen Ermordungen unter dem Begriff „Aktion Reinhardt“ im Osten des von Deutschland besetzten Polens. Unter dieser Bezeichnung wurden die drei Lager Belzec, Sobibór und Treblinka gebaut, in denen die sofortige Ermordung mit Gas im Mittelpunkt stand. „Die meisten polnischen Juden – circa 1,5 Millionen – wurden hier ermordet“, erklärte Wysok. „Das waren weder Konzentrations- noch Arbeitslager, sondern reine Vernichtungslager. Wer hier überhaupt noch lebend ankam, wurde in wenigen Minuten umgebracht“, schilderte der Experte. Heute sind die oftmals vergessenen Lager Gedenkstätten, die besichtigt werden können.
Anja Peters-Kern: „Wir tragen keine Schuld, aber Verantwortung“
Besonders wichtig war es Wysok auch zu betonen, dass viele Juden zur Holocaust-Zeit gar nicht so passiv waren, wie sie in der Geschichte oftmals dargestellt würden. „Man hat nicht wortlos alles über sich ergehen lassen“, betonte er. „Es gab viele Aufstände, auch innerhalb der Lager. Man hat versucht zu fliehen, aber die meisten sind spätestens auf der Flucht gestorben.“ Darüber spreche heute kaum einer mehr.
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Die stellvertretende Schulleiterin und Geschichtslehrerin Anja Peters-Kern hatte die „Aktion Reinhardt“ zuvor bereits mit ihren Elftklässlern im Unterricht thematisiert und ergriff zum Ende der Veranstaltung das Wort. „Für uns als Deutsche ist es unter anderem wichtig, an der deutsch-polnischen Freundschaft zu arbeiten. Auch ihr könnt mit Kleinigkeiten dazu beitragen“, sagte sie zu ihren Schülern. „Wir tragen keine Schuld an dem, was passiert ist, aber Verantwortung. Ich hoffe, dass euch das bewusstgeworden ist.“