Gladbeck. Ordnungsamt geht regelmäßig Hinweisen zu Sozialleistungsbetrug nach. 1600 Wohnungen wurden von Januar bis Ende Oktober in Gladbeck kontrolliert.
Gibt es in Gladbeck Wohnungen, in denen abwegig viele Menschen gemeldet sind, so dass sich der Verdacht des Missbrauchs von Sozialleistungen aufdrängt? Also, dass die Meldeadresse genutzt wird, ohne dort tatsächlich zu wohnen, um Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld, Wohngeld oder Kindergeld zu kassieren? Dieses Thema wurde jetzt im Sozialausschuss der Stadt Gladbeck beleuchtet. Die Informationen des dafür eingesetzten Ermittlungsdienstes des Ordnungsamtes sorgten auch für Überraschung bei der Lokalpolitik.
Auf die Tagesordnung hatte die CDU-Fraktion das Thema gebracht. Aus umliegenden Städten sei altbekannt, dass es dort Problemimmobilien gebe, so die Begründung. In Essen gebe es Wohnungen, in denen im Extremfall mehr als 200 Personen gemeldet seien, so dass einiges dafür spreche, dass hier Sozialmissbrauch erfolge. Dass es in Gladbeck auch Fälle gegeben habe, „ist auch bekannt“, so Ratsherr Dietmar Drosdzol. Ihm sei es wichtig, „dass man es den Menschen, die unser Sozialsystem ausnutzen, nicht leicht macht“ und dagegen angehe, „dass dies in Gladbeck nicht wird, wie in anderen Städten“.
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Thema mit mediale Präsenz seit der EU-Osterweiterung und Zuwanderung
Dass das Thema „Missbrauch von Sozialleistungen“, seit der EU-Osterweiterung und der Zuwanderung immer wieder mediale Präsenz erfahre, teilte Sozialdezernent Rainer Weichelt über die Berichtsvorlage der Verwaltung mit. Den speziellen Fall des Sozialmissbrauches kenne das deutsche Strafrecht indes nicht. Ein Sozialleistungsbetrug liege aber immer dann vor, wenn gegenüber den Sozialbehörden falsche Angaben gemacht würden, oder pflichtwidrige Angaben verschwiegen würden, „so dass es zu einer unberechtigten Anzahlung von Sozialleistungen kommt“. Gleichwohl unterstrich Weichelt im Ausschuss, dass man Antragsteller nicht grundsätzlich unter Generalverdacht stellen dürfe und auch nicht stelle. „Wir wissen, dass es Kriminalität auch in Chefetagen gibt, nicht nur bei Sozialhilfeempfängern.“ Und es gebe Kontrollmechanismen, „dass das Recht nicht missbraucht wird“.
Kritik gegenüber dem CDU-Antrag äußerte Ratsherr Gerd Dorka (DKP) vom sozialen Ratsbündnis ABD, der den Christdemokraten vorwarf, damit „eine besondere Gruppe zu stigmatisieren“. Man könne ebenso auch das entgegengesetzte Thema Mietwucher in Gladbeck ansprechen, da brauche man nicht lange nach Fällen zu suchen. Und SPD-Ratsherr Norbert Dyhringer sah in der Antragsbegründung sehr wohl einen Generalverdacht, „das kann Herr Drosdzol noch so drehen wie er will“.
Die Stadt erhält oft auch Hinweise aus der Nachbarschaft
Leistungsmissbrauch kann zum Strafverfahren führen
Das Jobcenter in Gladbeck veranlasse rund 500 Hausbesuche pro Jahr, bei den Fällen, „wo wir Bedenken haben, das etwas nicht stimmt“, so die Leiterin der Regionalbehörde Karin Byrszel. Zumeist bestehe der Verdacht, dass bei zwei in einer Wohnung gemeldeten Personen kein getrenntes wirtschaften, sondern eine Haushaltsgemeinschaft besteht. Somit müsste das Einkommen des berufstätigen Partners auf den Leistungsbezieher angerechnet werden.In Gladbeck beziehen mehr als 5000 Bedarfsgemeinschaften (Familien mit insgesamt mehr als 12000 Personen) regelmäßig Sozialleistungen. Auch der rechtmäßige Antrag zur Erstausstattung mit Mobiliar und für Renovierungskosten werde überprüft. Fehlbezug werde zumeist als Ordnungswidrigkeit geahndet. Fälschlich gewährte Sozialleistungen müssten zurückgezahlt werden, Ratenregelungen seien möglich. Byrszel: Erfolge keine Rückzahlung, „ist auch ein Strafprozess vor Gericht möglich“.
Es gebe in Gladbeck durchaus bekannte problematische Immobilien, aber große Problemhäuser mit massiven Fällen des Sozialmissbrauchs wie in Essen oder Gelsenkirchen, „so etwas gibt es in Gladbeck nicht“, stellte Christoph Günther klar. Er leitet im Ordnungsamt der Stadt die dafür zuständige Abteilung Einwohner- und Gewerbewesen. Die Stadt erhalte Hinweise aus der Nachbarschaft und zudem „täglich fünf bis 15 Mitteilungen anderer Behörden“, etwa der Polizei, so dass sich Verdachtsmomente ergäben, „dass Menschen unter der gemeldeten Adresse nicht wohnen, oder dort mehr Personen gemeldet sind, als tatsächlich in der Wohnung leben“.
Dann werde das Ermittlungsteam heraus geschickt. Vor Ort werde dann abgeglichen, wer offiziell in der Wohnung gemeldet ist, ob vielleicht auch andere Namen am Klingelschild stehen und auch Nachbarn würden befragt. „Rund 1600 Wohnungen sind von Januar bis Ende Oktober dieses Jahres kontrolliert worden“, so Günther. Eine stattliche Anzahl, die einige Ausschussmitglieder überraschte. Wie viele Mitarbeiter denn mit der Aufgabe betraut seien, wollt Ratsherr Uwe Zulauf (SPD) wissen. Günther: Das Team bestehe aus vier Kollegen, die Mehrfamilienhäuser in dichten Wohngebieten etwa zügig kontrollierten, da sie das Klientel gut kennen würden.
Das Fazit der Ermittler des Ordnungsamtes ist eindeutig
Das Fazit der Ermittler mag beruhigen. Letztlich würden Einzelfälle entdeckt, die durchaus auch mal mehrere 1000 Euro Sozialleistungen erschlichen hätten. Unter Strich gebe es in Gladbeck insgesamt „aber keinen großen Sozialmissbrauch“.