Düsseldorf. . Sie kommen in Wohnungen, in denen man keine Möbel vorfindet, dafür sauber sortierte Klarsichtfolien-Ordner mit Bescheinigungen für die Behörden. Sie sehen Briefkästen am letzten Nagel, deren ordentliche Namensschilder jedoch die Zustellung der Sozialhilfebescheide garantieren. Sie stehen vor Firmentüren, hinter denen niemand arbeitet.

Sie kommen in Wohnungen, in denen man keine Möbel vorfindet, dafür sauber sortierte Klarsichtfolien-Ordner mit Bescheinigungen für die Behörden. Sie sehen Briefkästen am letzten Nagel, deren ordentliche Namensschilder jedoch die Zustellung der Sozialhilfebescheide garantieren. Sie stehen vor Firmentüren, hinter denen niemand arbeitet.

Bei der zweiten Großrazzia ge­gen Sozialbetrug im Ruhrgebiet haben verschiedene Behörden am Dienstag wieder Hunderte Südosteuropäer kontrolliert. In Dortmund wurden zwei Personen festgenommen, in Duisburg zwei Schrottimmobilien für unbewohnbar erklärt. Insgesamt waren fast 150 Mitarbeiter von Polizei, Zoll, Arbeitsagentur und Kommunen in Dortmund, Duisburg und Gelsenkirchen im Einsatz. Sie gingen in einer konzertierten Aktion Verdachtsfällen von Scheinbeschäftigung, Schwarzarbeit, Sozial- und Kindergeld-Missbrauch nach.

Auch wenn die gesamten Ermittlungsergebnisse erst in den kommenden Tagen ausgewertet seien, sprach NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) bereits von einem Erfolg. „Kriminelle Banden locken Menschen aus Bulgarien oder Rumänien mit falschen Versprechungen nach Deutschland“, sagte Kutschaty. Zuwanderer würden auf engstem Raum in Schrottimmobilien untergebracht und mit fingierten Arbeitsverträgen ausgestattet, um hier nach EU-Recht Sozialleistungen beantragen zu können. Zudem würden Bescheinigungen über Kinder gefälscht, um Kindergeld zu kassieren.

„Wir müssen das System hinter den Personen aufbrechen“, sagte die Chefin der NRW-Arbeitsagentur, Christiane Schönefeld. Erstmals hatten sich im Dezember verschiedene Behörden zu einer Großrazzia im Ruhrgebiet koordiniert. Beim Datenabgleich war aufgefallen, dass sich Verdachtsfälle von Schwarzarbeit, Scheinbeschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch räumlich oft dort konzentrierten, wo die Kommunen ohnehin mit Schrottimmobilien zu kämpfen haben. Vor allem das Ruhrgebiet sei betroffen, sagte Kutschaty. Aber auch Hagen und Teile von Köln. Allein bei der Dezember-Razzia waren elf Briefkastenfirmen, mehrere Fälle von Leistungsbetrug und zahlreiche erfundene Kinder aufgespürt worden.

Schönefeld machte deutlich, dass mit einem fingierten Arbeitsvertrag eine Familie mit fünf Kindern leicht in einem halben Jahr Sozialleistungen in Höhe von mehreren Tausend Euro ergaunern könne. Zumeist arbeiteten hinter den Betroffenen professionelle Strukturen der organisierten Kriminalität: Der vermeintliche Ar­beitgeber sei häufig auch der Vermieter und verfüge über eine Kontovollmacht für die Sozialhilfeempfänger. Man treffe auch immer wieder dieselben Dolmetscher an. Antworten für Fragenbögen der Ämter würden auswendig gelernt. Der Vizepräsident der Generalzolldirektion, Hans Josef Haas, sprach von einer „intensiven Verschleierungstaktik“.

Hartz IV plus Kindergeld übersteigen oft den Lohn in der Heimat

Seit 2014 stehen auch Arbeitskräften aus Rumänien und Bulgarien die Grenzen nach Deutschland offen. 55 000 von ihnen arbeiten ganz regulär sozialversicherungspflichtig in NRW. Ein kleiner Teil nutzt jedoch den EU-weiten Anspruch auf Sozialleistungen aus. Kutschaty betonte, die Landesregierung unterstütze die Pläne der Bundesregierung, Sozialleistungen erst nach fünf Jahren im Gastland auszuzahlen. Das Kindergeld für Kinder, die gar nicht bei den Eltern in Deutschland leben, müsse auf das Niveau der Lebenshaltungskosten im Heimatland gesenkt werden. Bislang übersteigt die Kombination aus Hartz IV und Kindergeld das Einkommen in Rumänien und Bulgarien oft deutlich.