Gelsenkirchen. Ein XXL-Katalog mit Klima-Projekten soll in Gelsenkirchen von 2023-2025 abgearbeitet werden. Wie weit die Stadt ist und wie Bürger profitieren.

Es gilt weiterhin der Klima-Notstand in Gelsenkirchen. Und das hat zur Folge, dass die Stadtverwaltung jedes halbe Jahr ausführlich darüber berichten muss, wie sie eigentlich so bei Klimaschutz und Klimaanpassung vorankommt. Hierzu wurde das „Klimamaßnahmenprogramm 2023 - 2025“ entwickelt, das eine Fülle an Projekten beinhaltet, die Gelsenkirchen schnellstmöglich voranbringen soll. Wie Bürger davon profitieren, wo es hakt und wo es Kritik gibt – der Überblick.

Was ist der Höhepunkt des Programms?

Aushängeschild des Maßnahmenkatalogs ist das städtische Klima-Förderprogramm. Besonders beliebt ist und bleibt die darin enthaltene Solardach-Förderung, die seit Jahren gut genutzt wird. Das Programm ist so niederschwellig angelegt, dass Bürger auch Zuschüsse für ein Balkonkraftwerk bekommen können. Das passt augenscheinlich zu einer Stadt mit einer geringen Eigentumsquote und Kaufkraft wie Gelsenkirchen. „Die Anträge für Photovoltaik-Anlagen sind weiterhin auf einem hohen Niveau. Zwei Drittel der eingegangenen Anträge betreffen Balkonkraftwerke“, bestätigt man auch bei der Verwaltung. Die Zuwendungen durch die Stadt betragen mindestens 100 Euro (Balkon-Solarmodul bis 400 Watt) und maximal 4000 Euro für große Photovoltaik-Anlagen.

Die Energiewende im Kleinen: Balkon-Kraftwerke können über ein Gelsenkirchener Förderprogramm bezuschusst werden.
Die Energiewende im Kleinen: Balkon-Kraftwerke können über ein Gelsenkirchener Förderprogramm bezuschusst werden. © dpa | Stefan Sauer

Für 2025 ist eine Neuausrichtung der Förderschwerpunkte geplant. Bislang kann man über das Programm auch den Ersatz von Kohleheizungen erstattet bekommen. Diese Möglichkeit soll durch eine neue Förderung für die Durchführung von Sanierungsmaßnahmen an der Gebäudehülle ersetzt werden. Gefördert werden kann über das Stadt-Programm übrigens auch die (weiterhin vergleichsweise wenig nachgefragte) Dach- und Fassadenbegrünung. Da Anträge mittlerweile aber nicht nur vor, sondern auch nach Fertigstellung einer Maßnahme gestellt werden können, rechnet die Stadt damit, dass viele Bürger noch im zweiten Halbjahr ihr Geld zurückbekommen wollen.

Damit das insgesamt beliebte Programm 2025 nicht schnell finanziell erschöpft ist, wird bei der SPD bereits an Haushaltsanträgen gearbeitet, mit denen der Topf voluminöser ausgestattet werden soll. Wie in den vergangenen Jahren ist hier mit breiter Zustimmung in der Politik zu rechnen.

Wie können die Menschen in Gelsenkirchen ansonsten mitwirken und profitieren?

Ein großer Bestandteil des Klimamaßnahmenprogramms ist die Aktivierung der Stadtgesellschaft über die Kommunikationskampagne „klimaGEnial“. Ein Schwerpunkt liegt weiterhin auf der Umweltbildung von Kindern (Exkursionen, „Umweltdiplom“ mit Abenteuern im Wald, am Wasser und in der Stadt, „Klima-Challenge Energie“ usw.), aber auch die Erwachsenenbildung soll vorangebracht werden. Neu sein wird das Format „Klimatraining“, bei dem Erwachsene ab Frühjahr 2025 dabei unterstützt werden sollen, ihr Alltagsverhalten so anzupassen, dass weniger Energie und Ressourcen verbraucht werden. Teilnehmer sollen ab dem 4. Quartal 2024 gefunden werden.

Drei Jahre in Folge wurden interessierte Gelsenkirchener schon von OB Karin Welge (4.v.li.) und ihrer Verwaltung mit Obst- und Klimabäumen beschenkt. Hier ein Foto von einer Aktion aus 2022.
Drei Jahre in Folge wurden interessierte Gelsenkirchener schon von OB Karin Welge (4.v.li.) und ihrer Verwaltung mit Obst- und Klimabäumen beschenkt. Hier ein Foto von einer Aktion aus 2022. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Die Verbraucherzentrale bietet 2024 mit dem Basis-Check ein kostenloses Angebot zur Energiesparberatung von Mieterhaushalten an. Für das Angebot sollen künftig mehr junge Erwachsene begeistert werden. Seitens der Großen Koalition aus SPD und CDU gibt es außerdem das Signal, die Aktion „GEpflanzt“ 2025 fortführen zu wollen. 2024 wurden dabei 750 Bäume an Menschen in Gelsenkirchen verschenkt.

Wie sieht es mit der Kommunalen Wärmeplanung aus?

Die „Kommunale Wärmeplanung“ dürfte vielen Menschen in Deutschland noch aus der Zeit der turbulenten Diskussionen zum Heizungsgesetz ein Begriff sein. Diese Wärmeplanung „soll als wegweisendes Instrument auf der Grundlage der lokalen Gegebenheiten einen Weg aufzeigen, wie zukünftig Schritt für Schritt die Wärmeversorgung auf die Nutzung von Erneuerbaren Energien oder unvermeidbarer Abwärme umgestellt werden kann“, heißt es beim Bundesbauministerium. Bürger sollen so auch eine Auskunft darüber erhalten, wie, wo und wann ihr Wohnumfeld künftig fossilfrei mit Energie versorgt werden kann.

Ob Fernwärme am eigenen Wohnort mittel- bis langfristig möglich sein wird oder nicht, darüber soll die Kommunale Wärmeplanung aufklären (Symbolfoto).
Ob Fernwärme am eigenen Wohnort mittel- bis langfristig möglich sein wird oder nicht, darüber soll die Kommunale Wärmeplanung aufklären (Symbolfoto). © dpa | Soeren Stache

Der Bund hat Kommunen mit mehr als 100.000 Einwohnern verpflichtet, bis spätestens zum 30. Juni 2026 einen entsprechenden Wärmeplan erstellt zu haben. Aufgrund der städteübergreifenden Strom-, Gas- und Fernwärmenetze der ELE-Städte Bottrop, Gelsenkirchen und Gladbeck „wird die Wärmeplanung interkommunal erstellt“, erläutert die Stadt. Die gemeinsame Ausschreibung für den Wärmeplan soll 2024 erfolgen, sodass mit der Erstellung Anfang 2025 begonnen werden kann.

Wie kommt die Stadt mit der Sanierung ihrer Gebäude voran?

Selbst wenn die Stadt all ihre eigenen Gebäude in musterhafte Öko-Häuser verwandeln würde, könnte sie damit die Klima-Bilanz Gelsenkirchens nicht retten. Dafür ist der Anteil der kommunalen Liegenschaften an den Gebäuden in der Stadt zu gering. Trotzdem will man als Vorbild agieren. Eine weitere wichtige Planung dafür ist der sogenannte Sanierungsfahrplan für die städtischen Liegenschaften. Dieser soll bis 2026 aufgestellt werden. Hier soll dann eine Prioritätenliste der zu sanierenden Gebäude in Gelsenkirchen aufgeführt werden.

Die Stadt erarbeitet einen Sanierungsfahrplan für ihre Liegenschaften (Symbolbild).
Die Stadt erarbeitet einen Sanierungsfahrplan für ihre Liegenschaften (Symbolbild). © dpa | Nicolas Armer

Verankert wurde in Gelsenkirchen außerdem ein Standard für klimagerechten Neubau und die Sanierung städtischer Liegenschaften. In 2024 wurden nach Angaben der Stadt jedoch „keine größeren Sanierungs- oder Neubauprojekte beauftragt, sodass noch keine umfassende Erfahrung in der Anwendung der Leitlinie gesammelt werden konnte.“

Wie passt sich die Stadt an Hitze und Regen an?

Wer über Klimaschutz spricht, muss auch über Klimaanpassung sprechen. Mehr Hitze, mehr Niederschlag – das bringt der Klimawandel mit sich. Auch hier läuft wieder eine große Planung: die aktualisierte Klimaanalyse mit ihren umfassenden klimatologischen und lufthygienischen Daten zur Stadt. Hierfür sollen 50 Klimasensoren in der Stadt verbaut werden, was sich allerdings verzögert. Die Datenanalyse für den XL-Plan startet also erst Ende 2025.

Gemütlich und grün: Die Pergola-Bänke wurden am Mittwochmorgen, 4. Juli, geliefert.
Beliebt: Die Pergola-Bänke in der City bei ihrer Anlieferung im Juli 2024. © WAZ | Gordon Wüllner-Adomako

Greifbarer für die Stadtbevölkerung als solche großen Verwaltungsdokumente sind kleine Maßnahmen wie die Trinkwasserspender an verschiedenen Orten in der Stadt oder die schicken Pergola-Bänke, die in den Sommermonaten auf dem Heinrich-König-Platz und Neumarkt für Abkühlung sorgten. Als unstrittig gilt, dass die beliebten Bänke 2025 zurückkehren. Neben einer „Starkregengefahrenkarte“ oder Aufklärungskampagnen und Infoveranstaltungen, die Risiko-Gruppen wie ältere Menschen über die gesundheitliche Gefahr von Hitze aufklären, gehört auch die Pflanzung neuer Bäume zu den Maßnahmen zur Klimaanpassung. An folgenden Straßen wurden oder werden kürzlich nennenswerte Baumpflanzungen umgesetzt:

  • Hüller Straße
  • Lothringer Straße
  • Uechtingstraße
  • Kärntner Ring
  • Rheinische Straße 
  • Hiberniastraße

Wo hakt es und wo gibt es Kritik?

Für die Umsetzung des Maßnahmenkatalogs hatte die Stadt langfristig über 20 zusätzliche Stellen im Rathaus und bei Gelsendienste eingeplant. Vor allem im Bereich Hochbau und Liegenschaften, also dort, wo die Stadt besonders viel für die eigene Treibhausgas-Bilanz tun kann, läuft die Personalsuche allerdings noch schleppend, wie Politik und Stadt gleichsam bedauern. „Früher musste man viele Teile der Verwaltung dazu drängen, mehr fürs Klima zu tun; heute wollen sie, aber das Personal fehlt“, stellt der Umweltausschuss-Vorsitzende Manfred Leichtweis (SPD) fest. „Der Stellenmarkt ist leider leergefegt“, sagt auch der umweltpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Patrick Jedamzik.

Manfred Leichtweis (SPD), Vorsitzender des Umweltausschusses: „Heute will die Verwaltung, aber das Personal fehlt.“
Manfred Leichtweis (SPD), Vorsitzender des Umweltausschusses: „Heute will die Verwaltung, aber das Personal fehlt.“ © Foto: Martin Möller / FUNKE Foto Services | Martin Möller

Bei den Grünen vermisst man außerdem weiterhin ein nachvollziehbares Monitoring. „Was uns fehlt, sind klare Ziele für die Unterprogramme, klare Indikatoren dafür, wo wir in welchem Bereich wirklich stehen“, sagt Jedamzik. „Wenn wir das Ziel haben, als Stadtverwaltung bis 2040 klimaneutral zu sein, dann muss es hier mehr Klarheit geben.“ Leichtweis verweist hingegen darauf, dass die Zielmessung Sinn macht, wenn man die Kommunen auch miteinander vergleichen kann. Es könne ja nicht sein, dass jede Stadt ihre eigenen Berechnungsmethoden entwickelt. Für die Vereinheitlichung ist die Stadt allerdings auf den RVR angewiesen. Der erstellt gerade erstmalig eine gesonderte Treibhausgasbilanz für die Verwaltung.