Gelsenkirchen. Das Heizungsgesetz sorgt in Gelsenkirchen und im Land weiter für Chaos. Woran Fachbetriebe jetzt verzweifeln und was das für Verbraucher heißt.
Wer bei diesen kalten Temperaturen von einer alten Gas- oder Ölheizung gewärmt wird, sollte große Hoffnungen darauf setzen, dass das Gerät nicht plötzlich den Geist aufgibt. Denn fast ein halbes Jahr nach Verabschiedung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) herrscht bei Handwerksbetrieben weiter große Ratlosigkeit, nicht zuletzt aufgrund der aktuellen Haushaltskrise im Bund.
„Weil alles in der Schwebe ist, wissen wir überhaupt nicht, in welche Richtung wir beraten sollen“, sagt Martin Rüsel, Obermeister der Innung für Sanitär, Heizung und Klima (SHK) Gelsenkirchen. Schließlich sei nicht klar, welche Förderungen es für ökologischere Heizsysteme wie Wärmepumpen überhaupt geben soll, jetzt wo Robert Habecks Klima- und Transformationsfonds auf der Kippe steht. „Da ist es schwer, Entscheidungen zu treffen.“
Heizungsaustausch: Immer noch keine Klarheit für Beratungen
Zwar hat sich die Ampel – trotz Haushaltsmisere – Medienberichten zufolge bereits auf ein neues Förderprogramm für den Heizungsaustausch ab 2024 verständigt (siehe Infobox). Aber schwarz auf weiß haben Verbraucher und Betriebe noch nichts. „Es gibt noch keine Sicherheit“, sagt Norbert Schmitz, Geschäftsführer Technik beim Fachverband SHK NRW. Die Betriebe könnten nicht einfach ohne Rechtssicherheit Empfehlungen aussprechen.
Hinzukomme: „Es gibt immer noch keine Beratungsrichtlinie.“ Die Richtlinie sollte den Betrieben genaue Vorgaben machen, wie der Kunde beraten werden soll. „Dabei soll sie eigentlich bis Ende des Jahres kommen“, so Schmitz. „Das ist das nächste Dilemma.“
Als wäre das nicht genug, ärgert sich die Branche weiterhin über Unklarheiten und unrealistische Vorgaben im Heizungsgesetz. So sagt der Gesetzgeber beispielsweise, dass bei einem irreparablen Gerät erst einmal eine gebrauchte Gasheizung oder ,Miet-Gasheizung’ eingebaut werden darf. „Ich kann aber kein gebrauchtes Gerät kaufen und das von einem Fachbetrieb einbauen lassen. Viele Betriebe werden die Verantwortung für so ein Gerät nicht übernehmen wollen“, sagt Schmitz. Auch einen Markt für Mietheizungen gebe es nicht wirklich. „In der Praxis wird die Regelung also kaum zum Tragen kommen.“
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Also doch ein ganz neues Gerät bei einem Heizungsausfall? Dann betritt man einen „Kosmos, der sich schwer durchblicken lässt“, wie es beim Fachverband heißt. „Wir können unseren Betrieben nur sagen: Baut das neu ein, was perspektivisch die 65 Prozent Erneuerbaren verspricht“, sagt Schmitz. Denn klar ist: Ab 2024 darf nach gesetzlichen Vorgaben nur ein neues Gerät eingebaut werden, das fähig ist – notfalls in Kombination mit anderen Geräten – langfristig zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben zu werden.
Nachdem das Heizungsgesetz aufgrund großen öffentlichen Drucks korrigiert wurde, hat sich bei vielen Eigentümern jedoch der Glaube eingestellt, auch weiter auf fossile Brennstoffe setzten zu können, bis die Kommunale Wärmeplanung vorliegt. Eine 260.000-Einwohner-Stadt wie Gelsenkirchen muss die Wärmeplanung bereits bis 2026 erarbeitet haben. Sie soll zeigen, in welchen Straßen einer Stadt eine Fernwärme-Versorgung geplant ist oder wo ein Wasserstoffnetz aufgebaut werden soll.
Das soll die neue Förderung können
Für Eigentümer, die ihre Gas- oder Ölheizung austauschen, soll es eine Sockelförderung von 30 Prozent geben. Weitere 30 Prozent sind für einkommensschwache Haushalte geplant (zu versteuerndes Einkommen von bis zu 40.000 Euro).
Außerdem soll es einen Klima-Geschwindigkeitsbonus für alle geben, die schnell sanieren (bis zu 25 Prozent bis Ende 2024, Förderung sinkt dann schrittweise bis null Prozent auf Ende 2036). Insgesamt soll die Förderung bei 70 Prozent der Kosten gedeckelt werden. Bis Verbraucher wirklich Sicherheit haben, müssen die Pläne aber erst einmal im Bundesanzeiger veröffentlicht werden.
Aber ob die Wärmeplanung in Gelsenkirchen nun rechtzeitig steht oder nicht: „Die Pflichtanteile der Erneuerbaren rechtzeitig zu erfüllen, liegt erst einmal in der Verantwortung der Verbraucher“, stellt Norbert Schmitz klar. Auf jeden Fall erreicht wird diese Vorgabe mit einer Wärmepumpe – bei vielen anderen Systemen geht man ein gewisses Risiko ein, zum Beispiel bei Gasheizungen.
Pflichten für erneuerbare Versorgung: Eigentümer in Gelsenkirchen sind in der Pflicht
Denn auch Gasthermen dürfen 2024 tatsächlich noch eingebaut werden, zumindest, wenn diese nachweislich erneuerbare Gase nutzen, also Biomethan, biogenes Flüssiggas oder Wasserstoff. Hier gilt die Erneuerbaren-Quote schrittweise: Wer 2024 eine Gasheizung einbaut, muss diese ab 2029 zu 15 Prozent klimaneutral betreiben. Dieser Pflichtanteil steigt 2035 auf 30 Prozent und 2040 auf 60 Prozent.
Dem Fachverband SHK zufolge ergibt sich dadurch folgende kuriose Situation: Wer auf ein modernes Gasgerät setzt, beispielsweise weil sich eine Wärmepumpe für ihn nicht eignet, der muss hoffen, dass der Netzbetreiber 2029 tatsächlich eine klimaneutrale Versorgung zur Verfügung stellt. Tut er das nicht, hat der Verbraucher Pech gehabt – und muss sich nachträglich selbst darum kümmern, dass er die 15 Prozent irgendwie erreicht. Beispielsweise indem er doch noch eine Wärmepumpe einbaut und sie als Hybridheizung nutzt. Oder indem er sich vom Versorgungsnetz trennt und sich einen Flüssiggas-Tank aufs Grundstück stellt.
Welche Möglichkeiten sich für welches Gebäude ergeben, das sei jedoch stets eine sehr individuelle Lösung, sagt auch Innungsobermeister Martin Rüsel. „Nur wie sollen wir individuell beraten, wenn wir einfach keine Klarheit haben?“ In der Konsequenz würden viele Leute, die eine energetische Sanierung ihrer Immobilie beabsichtigen, weiter abwarten. Schmitz: „Wer jetzt gerade nicht zwingend muss, der macht es auch nicht.“