Gelsenkirchen. Wer tritt für SPD, CDU, AfD und Grüne in Gelsenkirchen als OB-Kandidat an? Einige Überraschungen scheinen möglich. Ein PolitGEflüster:
Es war einmal ein Gelsenkirchen, da stellte sich die Frage (fast) nie: Welche Partei stellt den Oberbürgermeister? Mit einer Ausnahme, als Oliver Wittke für die CDU einmal das Amt gewann, residierte im OB-Büro stets ein Sozialdemokrat oder wie seit 2020 eine Sozialdemokratin.
Lange galt die These vom Besenstiel. Am Beispiel des konservativen Teils von Baden schrieb die Frankfurter Allgemeine Zeitung einmal, hier könne „die CDU den sprichwörtlichen Besenstiel aufstellen, und er würde gewählt.“ In der viel zitierten „Herzkammer der Sozialdemokratie“, also dem Ruhrgebiet, galt dieser Spruch analog für die SPD.
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Doch diese Zeiten sind vorbei. Längst haben nicht mehr alle Stadtoberhäupter zwischen Duisburg und Dortmund ein SPD-Parteibuch, und auch in Gelsenkirchen musste die Partei bei den vergangenen Wahlen immer mehr Federn lassen. Angesichts dessen und mit Blick auf die rekordverdächtige Unbeliebtheit der Ampel-Regierung, stellt sich immer drängender die Frage: Wer will für die Gelsenkirchener SPD Oberbürgermeisterin werden – und was machen die anderen Parteien?
Bislang mag sich keiner so recht aus der Deckung wagen. Es ist, als würden alle anderen Parteien erstmal abwarten, ob die amtierende Oberbürgermeisterin, Karin Welge, ihren Hut auch für eine zweite Amtszeit in den Ring wirft. Sie selbst hat sich dazu noch nicht öffentlich geäußert, was zuletzt gar die vormals OB-kritischen Bezirksbürgermeister zu einer ebenso überraschenden wie durchschaubaren Liebeserklärung bewegt hatte. „Gelsenkirchen ist auf dem richtigen Weg und wir sind uns sicher, dass wir mit Karin Welge vorankommen“ - so huldigten die Fünf im Juli ihrem Stadtoberhaupt.
Bei der SPD Gelsenkirchen kann es noch eine richtig dicke Überraschung geben
Mit Karin Welge sei man inzwischen sehr zufrieden, sie solle unbedingt wieder für die SPD antreten, hieß es. Dass man mit dieser öffentlichen Zuneigung nicht zuletzt auch anderen Interessierten in der Partei, die man für ungeeignet hält, gleich das Wasser abgraben wollte, sagt natürlich keiner öffentlich, ein Geheimnis ist es aber auch nicht.
Gleichwohl: Die Chancen, dass Karin Welge noch einmal antritt, stünden gut, hört man inzwischen aus der Partei. Die Amts- und Mandatsträger in der SPD haben ihren Frieden gefunden mit der Oberbürgermeisterin, mit der sie zu Beginn ihrer Amtszeit fremdelten. Das gilt allerdings nicht für alle in der Partei, weshalb zum Zeitpunkt, als dieser Text geschrieben wird, noch immer eine dicke Überraschung für die SPD möglich ist, wie diese Redaktion aus gut informierten Kreisen weiß.
In unserem letzten „PolitGEflüster“ hieß es zwar noch, dass „mit einer Schlossrevolte nicht zu rechnen ist“, doch so eindeutig ist es inzwischen nicht mehr. Noch immer geht mancher in der Partei mit dem Gedanken schwanger, im Zweifel auch gegen Welge anzutreten, weil er oder sie überzeugt ist, der bessere OB sein zu können. So viel ist jedenfalls sicher: Den Sozialdemokraten könnte noch ein brisanter Nominierungswettkampf bevorstehen. Beim Unterbezirksparteitag am 21. September, da wollen sie aber erst einmal nur ihre Bundestagsnominierung unter Dach und Fach bringen.
CDU und Grüne konnten sich bisher nicht auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen
Ähnliches gilt im Übrigen auch für die CDU, wo man davon ausgeht, dass man entweder gegen die SPD oder die AfD in die Stichwahl gehen wird, wenn 2025 ein neuer Oberbürgermeister gewählt wird. Auch bei den Christdemokraten steht noch nicht fest, ob Partei- und Fraktionschef Sascha Kurth selbst antreten möchte, nachdem er nach der letzten Kommunalwahl den internen Machtkampf in der Partei für sich entschieden hat. Statt sich jetzt als alternativlosen Kandidaten zu präsentieren, lotet Kurth mit seinem Kreisverband derzeit aber erst einmal potenzielle Kandidaten ohne Parteibuch aus - und das gemeinsam mit den Gelsenkirchener Grünen, wie man an mehreren Stellen in der Stadt hört.
Diese zaghaften Versuche haben bisher noch zu keinem Ergebnis geführt. Im Gespräch waren bisher mindestens drei Männer mit Spitzenjobs in der Stadt bzw. mit viel Engagement im soziokulturellen Bereich. Doch das wird wohl nichts, was vor allem für die Grünen bitter ist, da man doch so gerne irgendwie wegkommen will von der Last, die der Partei auch durch ihre eigene Rolle in der Ampel anhängt.
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Bei der CDU ist auch die Frage noch gar nicht vollends geklärt, ob sich nicht doch noch parteiintern Interessierte zusammentun, um eine oder einen aus ihrer Mitte zu nominieren - und sei es nur, um Sascha Kurth auf diesem Posten zu verhindern.
Denn so wie bei der SPD, wo es parteiintern bereits seit einer Weile eine gar nicht mal so kleine Gruppe gibt, die mit der Parteiführung und der OB unzufrieden ist, so wächst dem Vernehmen nach auch bei den Christdemokraten immer mehr der Ärger über Sascha Kurths angeblichen Ego-Kurs. Kurth selbst äußert sich auf WAZ-Nachfrage bisher noch nicht zur OB-Frage. Hinter den Kulissen hofft so mancher deshalb weiterhin, doch noch zusammen mit den Grünen einen Kandidaten zu finden, der nicht zwingend aus der Politik kommt.
Die dritte Partei, die sich nach Lage der Dinge Hoffnung machen kann, mit ihrem Kandidaten in die Stichwahl zu kommen, ist die AfD. Die Partei, die in Gelsenkirchen zwar vergleichsweise viele Wähler hat, aber außer der Landtagsabgeordneten und Parteichefin, Enxhi Seli-Zacharias, dem Bundestagsabgeordneten Jörg Schneider sowie dem Fraktionsvorsitzenden Jan Preuß parteiintern eigentlich keine weitere Option auf einen OB-Kandidaten hat, wird sich erst im kommenden Jahr auf einen Namen einigen.