Gelsenkirchen. Nach der Europawahl ist das Machtverhältnis in Gelsenkirchen ins Wanken geraten. Was das für die OB-Wahl 2025 bedeuten könnte. Eine Annäherung:
Die Stimmung bei den Sozialdemokraten in Gelsenkirchen ist nach der Europawahl „bedrückt“, um es dezent auszudrücken. Der Schock, in der einstigen SPD-Hochburg hinter der CDU und der AfD, wenn auch knapp, nur als drittstärkste Kraft aus der Wahl gegangen zu sein, sitzt tief. Doch allzu viel Zeit hat die SPD nicht, um ihre Wunden zu lecken.
Denn schon im nächsten Jahr stehen mit der Kommunal- und der Bundestagswahl zwei wichtige Entscheidungen an, die für die nähere Zukunft der SPD von großer Bedeutung sein dürften. „Wir wollen in Gelsenkirchen wieder stärkste Kraft werden“, zeigt sich Parteichef Markus Töns trotz aller Enttäuschung kämpferisch. Dafür gelte es zunächst einmal das Ergebnis der Europawahl (21,5 %) genauer zu analysieren und Lehren daraus zu ziehen, was der Parteivorstand in seiner nächsten Sitzung tun werde.
Doch unabhängig davon, wie lange der Lernprozess der SPD dauern mag, stellt sich langsam immer mehr die Frage, welche Kandidaten die Parteien – vor allem CDU, AfD und SPD – 2025 ins Rennen um den Posten des Oberbürgermeisters bzw. die Oberbürgermeisterin schicken werden. Glaubt man den Parteien, dann sind die Entscheidungen dazu noch nicht gefallen. In diesem „PolitGEflüster“ lotet die Redaktion die wahrscheinlichsten Konstellationen aus:
Oberbürgermeisterwahl 2025 in Gelsenkirchen - Der SPD-Check
Bisher hat sich die amtierende Oberbürgermeisterin, Karin Welge, noch nicht dazu geäußert, ob sie eine zweite Amtszeit im Hans-Sachs-Haus anstrebt. Welge ist von allen möglichen Kandidaten zwar diejenige, die mit Abstand die größte Verwaltungserfahrung hat. Doch so selbstverständlich scheint es auch für Gelsenkirchener Sozialdemokraten nicht zu sein, dass sie nochmal für ihre Partei antritt, wie man hinter vorgehaltener Hand hört. Mit Spannung wird daher der Parteitag im September erwartet, bei dem die SPD ihren Kandidaten oder ihre Kandidatin für die OB-Wahl küren will. Sollte sich Karin Welge dazu entscheiden, ihren Hut in den Ring zu werfen, ist der Rest nur noch Formsache. Mit einer Schlossrevolte ist nicht zu rechnen. Die Partei wird sich dann hinter ihre OB stellen.
Doch was ist, wenn sich Welge nicht zur Wahl stellen will? Man muss kein Hellseher sein, um vorauszusagen, dass die Kommunal- und Bundestagswahl 2025 höchstwahrscheinlich kein Selbstläufer für die SPD wird. Innerhalb eines Jahres kann sich die Stimmung zwar verändern, aber nach Lage der Dinge droht der SPD ein bitteres Wahlergebnis. Ob sich Karin Welge das antun will? Ungewiss.
Nicht sehr wahrscheinlich scheint, dass jemand anderes aus dem derzeitigen Verwaltungsvorstand der Stadt für das OB-Amt kandidiert. Weder die in Bochum lebende Sozialdezernentin Andrea Henze (SPD), noch der in Witten wohnende Ordnungsdezernent Simon Nowack (CDU) werden derzeit große Ambitionen nachgesagt, für ihre Parteien anzutreten, wobei bei Henze sicher noch nicht das letzte Wort gesprochen ist.
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SPD-Parteichef Markus Töns möchte weiter als Bundestagsabgeordneter in Berlin arbeiten, wenn ihn seine Partei wieder aufstellt, wovon auszugehen ist. OB-Ambitionen? Keine!
Horcht man in die Partei hinein, wird für den Fall, dass Welge nicht kandidieren will, meist zunächst der Landtagsabgeordnete Sebastian Watermeier als mögliche Alternative genannt. Aber auch die Namen von einigen Ratsmitgliedern geistern in den Gedankenspielen um eine mögliche OB-Kandidatur immer wieder herum. Bei einem dürfte davon aber keine Rede mehr sein. Denn Lukas Günther hat nach der Europawahl beschlossen, sich vom Amt des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden zurückzuziehen. „Kommunalpolitik ist meine größte Leidenschaft, aber meine Familie und mein Beruf haben in meiner derzeitigen Lebenssituationen für mich eine höhere Priorität. Den Ansprüchen, die ich selbst an einen stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden stelle, kann ich derzeit nicht gerecht werden“, erklärte Günther gerade erst. Dass er im kommenden Jahr als potenzieller Welge-Ersatz antritt, ist kaum vorstellbar.
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Wie auch immer der Parteitag im Herbst entscheidet, wer auch immer für die SPD im kommenden Jahr antritt, der oder diejenige wird ein schweres Kreuz zu schultern haben. Die Partei in Gelsenkirchen strotzt nicht gerade vor Menschenfängern und die Sozialdemokratie im Allgemeinen steckt in einer schweren Krise.
Oberbürgermeisterwahl 2025 in Gelsenkirchen - Der CDU-Check
Die CDU hat bundesweit und auch in Gelsenkirchen im Moment Oberwasser. Aus der Europawahl ging die Partei hüben wie drüben als stärkste Kraft hervor. Nur logisch, dass sich die Christdemokraten zunehmend mehr Chancen ausrechnen, nach 21 Jahren SPD-Oberbürgermeisterschaft wieder ein Stadtoberhaupt in Gelsenkirchen zu stellen. Doch auch die hiesige CDU kann nicht gerade mit einer langen Liste von Personen aufwarten, die einem einfallen würden, wenn es um die Frage geht, wer wohl am ehesten für die Partei in die vergleichsweise recht aussichtsreiche Wahl gehen darf.
Fakt ist, der Herausforderer von 2021, Malte Stuckmann, wird es nicht nochmal. Seither sind Laura Rosen und Markus Karl für die Gelsenkirchener CDU erfolglos bei der Bundes- und der Landtagswahl angetreten. Dass die Wahlplakate von Rosen oder Karl aus dem Keller geholt und für die OB-Wahl überarbeitet werden, ist nicht ganz ausgeschlossen, scheint aber doch unwahrscheinlich.
Eine Kandidatin aus einer anderen Stadt mit Gelsenkirchener Vergangenheit zu nominieren, schien zwischenzeitlich auch wahrscheinlicher als jetzt. Dass die ehemalige Polizeipräsidentin, Britta Zur, gerne für die CDU ins OB-Rennen gegangen wäre, ist auf dem politischen Parkett in Gelsenkirchen ein offenes Geheimnis. Diese Option scheint in der Zwischenzeit aber in den Hintergrund gerückt zu sein. Und so ist es doch am wahrscheinlichsten, dass sich Partei- und Fraktionschef Sascha Kurth selbst als Kandidat zur Wahl stellt. Von allen potenziellen CDU-Kandidaten dürfte er auch das beste Rüstzeug für den Job mitbringen. Eine Entscheidung wird die Partei offiziell aber erst Ende 2024 oder Anfang 2025 fällen.
Oberbürgermeisterwahl 2025 in Gelsenkirchen - Der AfD-Check
Wie hoch das Ergebnis der AfD bei der Kommunalwahl ausfällt, wird auch bei der Rechtsaußenpartei bis zu einem gewissen Grad davon abhängig sein, wer für die AfD als OB-Kandidat oder Kandidatin antritt. Offiziell will auch hier die Partei noch nichts zu sagen und kündigt eine Entscheidung dazu für Anfang 2025 an.
Am wahrscheinlichsten scheint jedoch ein parteiinternes Duell zwischen dem Fraktions- und der Parteichefin, also zwischen Jan Preuß und Enxhi Seli-Zacharias. Letztere wird im kommenden Jahr jedenfalls nicht versuchen, ihr Landtags- gegen ein Bundestagsmandat zu tauschen, und weiterhin neben der Arbeit in Düsseldorf auch Lokalpolitik in Gelsenkirchen machen - so viel steht fest. Die gebürtige Albanerin könnte strategisch für die AfD die klügere Wahl sein. Als Frau mit Migrationshintergrund spricht sie möglicherweise mehr Wählerinnen und Wähler an, als Preuß. Hinzukommt, dass die 31-Jährige, die bald ihr erstes Kind erwartet, parteiintern bundesweit einige Berühmtheit erlangt hat und ihre Kandidatur sicher auf großen Zuspruch in der AfD stoßen dürfte.
Letztlich aber wird der Kandidat der AfD keine reelle Chance haben, Oberbürgermeister zu werden. Spätestens in der Stichwahl dürften dem Kandidaten der SPD oder der CDU die Stimmen der meisten Wähler in Gelsenkirchen sicher sein. Dass es einem Kandidaten außerhalb dieser drei Parteien gelingen könnte, ernsthafte Chancen auf das OB-Amt zu bekommen, ist im Sommer 2024 kaum vorstellbar.