Gelsenkirchen. Enxhi Seli-Zacharias ist gebürtige Albanerin und Co-Fraktionsvorsitzende der AfD in Gelsenkirchen. Im WAZ-GEspräch erklärt sie, was sie antreibt.
- Dieser Text wurde erstmals im Januar 2022 im Rahmen einer Serie zu Lokalpolitikerinnen in Gelsenkirchen veröffentlicht und anlässlich des Weltfrauentags aktualisiert.
Enxhi Seli-Zacharias hat sich das mondäne Schloss Berge ausgesucht, als die Redaktion ihr – wie allen anderen Lokalpolitikerinnen in dieser Serie – anbot, sich mit ihr an einem Ort ihrer Wahl zum WAZ-GEspräch zu treffen. Wir wollen wissen, was diese Frauen antreibt, sich politisch in Gelsenkirchen zu engagieren, welche Hürden sie überwinden musste, und müssen in einer nach wie vor von Männern geprägten Domäne – der Lokalpolitik.
Es ist kalt an diesem Freitagmittag, die Sonne schafft es nicht, sich durch die graue Wolkendecke zu kämpfen, dennoch findet das Interview mit der jungen AfD-Politikerin draußen statt, bei einem Spaziergang im Schlossgarten und entlang des Berger Sees.
AfD-Lokalpolitikerin ist nicht gegen Corona geimpft: „Mein freier Wille“
Seli-Zacharias ist nicht gegen Corona geimpft, „weil es meine freie Entscheidung ist“, sagt die Politikwissenschaftlerin knapp. Das Café im Schloss darf sie deshalb aber eben auch nicht betreten. Die 28-Jährige zieht die Schultern hoch, als wolle sie sagen, „Tja, ist halt so“. Als unsolidarisch versteht sie ihre Impfverweigerung nicht, die Entscheidungsfreiheit sei ihr wichtiger. Sie lebt mit den Konsequenzen, zieht Mütze und Schal an und läuft los.
Seli-Zacharias ist eine entschlossene, machtbewusste Frau, die keinem Konflikt aus dem Weg geht. Dass sie als einzige Frau in der elfköpfigen AfD-Ratsfraktion dennoch maßgeblich den Ton angibt, überrascht mitnichten. Die Rolle der „Schlossherrin“ liegt ihr im Blut, wie sie in Anspielung auf den Ort ihrer Wahl halb ernst, halb scherzhaft kokettiert.
Die erste Frage, die sich wohl die meisten Menschen stellen, wenn sie die gebürtige Albanerin sehen, ist vermutlich diese: Warum ist eine junge Frau mit Migrationshintergrund ausgerechnet in einer wegen ihrer rechtsextremen Tendenzen von vielen Menschen hierzulande geächteten Partei aktiv?
Dass die AfD eine rassistische Partei sei, weist die 28-Jährige gleich vehement als unsachgemäßes Totschlagsargument „politischer Feinde“ zurück. AfD-interne Verwerfungen, den Richtungsstreit zwischen konservativen und rechtsradikalen Strömungen, daraus resultierende Parteiaustritte - das alles relativiert Seli-Zachrias mit vielen Worten, erklärt es zum Reifungsprozess „einer jungen Partei“.
„Totschlagsargument politischer Feinde“
„In erster Linie sind es die Aussagen von Menschen, die dieses Land mit all seinen Werten und Traditionen verachten, die mich motivieren, in der AfD Politik zu machen“, sagt Seli-Zacharias, die als Sechsjährige zusammen mit ihrer Schwester und ihren Eltern vom Balkan nach Deutschland kam und die nach eigener Aussage deshalb eine „tiefe Dankbarkeit dafür empfindet, hier ein Leben in Freiheit und Wohlstand führen zu können.“ Im Gegensatz zu anderen wisse sie diese Werte zu schätzen, sagt sie und schimpft auf vermeintlich „undankbare Gören wie die Bundessprecherin der Grünen Jugend“, denen sie eine radikale Haltung und einen „verengten Blick“ auf soziale Gerechtigkeit und Rassismus vorwirft.
„Ich mache Politik, weil ich es nicht länger hinnehmen will, dass zu dem Repertoire des politischen Narrativs unserer Zeit Selbstverständlichkeit, Undankbarkeit, Gleichgültigkeit, Geringschätzung, Übersättigung und nicht zuletzt eine Selbstverleugnung gehören“, sagt Seli-Zacharias, die am Ricarda-Huch-Gymnasium das Abitur ablegte.
Die AfD als Trutzburg also, als letzte Instanz, bevor das Land in Selbsthass aufgeht und alles Deutsche verpönt ist? Was die Gelsenkirchenerin, die im Frühjahr aller Voraussicht nach über einen aussichtsreichen Listenplatz in den NRW-Landtag einziehen wird, konkret damit meint, wo sie denn den oft zitierten Untergang des Abendlandes sieht, wollen wir wissen.
„Ich nenne Ihnen ein Beispiel“, sagt sie. „Für mich gehört der Islam nicht zu Deutschland. Wenn ich feststelle, dass der Islam nicht zu Deutschland gehört, dann meine ich damit seinen normativen Kern, also insbesondere die Scharia und die Sunna. Beide konstituieren ein eigenes Rechtssystem, dessen Bestimmungen der vom Grundgesetz aufgerichteten Werteordnung widersprechen. Ich kämpfe also nicht gegen den persönlichen Glauben der Muslime, sondern gegen Versuche, die Scharia als Maßgabe bei der Gestaltung von Politik, Staat und Gesellschaft durchzusetzen.“
Und diese Gefahr sieht die 28-Jährige für Deutschland?
„Die dogmenbasierte Politik der traditionellen Parteien trägt für die Vertiefung arabisch-islamischer Wertenormen Verantwortung. Wir sind heute faktisch die einzige Partei, die Zuwanderer zur Assimilation auffordert“, erklärt Seli-Zacharias.
Damit meine sie nicht, dass Menschen ihre Herkunft verleugnen sollen, versichert sie, „sondern dass man sich zuallererst als Bürger dieses Landes versteht, sich dessen Wohl verpflichtet und entsprechend handelt.“ Dazu gehöre auch eine entsprechende Kindererziehung.
„Ich will, dass hier geborene Kinder aus migrantischen Familien eine positive Identität zu Deutschland entwickeln und sich nicht in ihre nationalen Communities zurückziehen. Die Gesellschaft eines modernen Deutschlands kann nicht von Türken oder Arabern gebaut werden, wohl aber von Menschen mit türkischen oder arabischen Wurzeln, die sich als Deutsche fühlen und dieses Mindset auch leben. Das geht aber nur, wenn althergebrachte Kulturmuster abgelegt werden, z.B. das Frauen- und Mädchenbild des Islam,“ erklärt Seli-Zacharias und begründet damit ihre Forderung nach einem Kopftuchverbot in Schulen.
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Gerade weil sich in Gelsenkirchen „das Spannungsfeld einer Gleichberechtigung aller Kulturen“ viel deutlicher als an anderen Orten Deutschlands zeige, engagiere sich Seli-Zacharias in der Lokalpolitik. „Die Kommune ist die Wiege der Demokratie. Hier kann ich den Menschen ernsthaft ein Versprechen geben, ihrer Stimme durch meine Arbeit Gehör zu verschaffen. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass meine Kritik an den Ausprägungsformen des radikalen Islam längst nicht bei allen Ortsansässigen gut ankommt. Hier und da erreichen mich schon mal Nachrichten mit vulgärem bis hin zu strafrelevantem Inhalt. Ich vergeude meine Lebensenergie aber nicht damit, sondern erwarte, dass man sich auf der Sachebene mit meinen Argumenten auseinandersetzt“, sagt die AfD-Politikerin und zieht ihren Mantel enger zusammen. Es ist kalt an diesem trüben Januartag. Eine heiße Tasse Kaffee in der Schloss-Gastronomie wäre jetzt etwas Feines...
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