Essen-Werden. Mit 90 Jahren reist er noch nach Japan, um Vorträge zu halten. Warum das Herz des Strahlenbiologen Christian Streffer aber an Werden hängt. Ein Porträt.
Ein Wissenschaftler von Weltruf lebt in Werden. Der Strahlenbiologe Prof. Dr. Dr. h.c. Christian Streffer kann von seiner Wohnung aus den Blick auf die Turmspitzen von St. Ludgerus, Evangelischer Kirche und Luciuskirche genießen. Er ist mit seinen 90 Jahren immer noch höchst aktiv.
Dabei ist der hochdekorierte Wissenschaftler erfrischend uneitel. Seine Funktionen und die Ehrungen könne man im Internet nachlesen, so sein lapidarer Hinweis. Er weilte noch 2023 in Japan bei einem Kongress, kürzlich führte er am Universitätsklinikum Essen ein international besetztes Symposium durch.
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Denn noch heute beschäftigt ihn neben den biologischen Wirkungen ionisierender Strahlen auch das Spannungsverhältnis von „Wissenschaft und Ethik“. Er habe sich damit befasst, wie sich Strahlung während der Entwicklung des Lebens auswirke: „In einigen Phasen ist diese Entwicklung sehr strahlenempfindlich, in anderen weniger. Das muss man wissen.“
Die Risiken und Grenzen in der Strahlentherapie erkennen
Enormen Erfolgen in der diagnostischen sowie therapeutischen Medizin, vor allem bei der Krebstherapie, stünden Risiken gegenüber, so Streffer: „Die höchsten Strahlenexpositionen haben wir in der Medizin, wenn man von Unfällen absieht.“ Man dürfe nie die Grenzen aus den Augen verlieren. Er zitiere da den Physiker Werner Heisenberg: „Auf der Suche nach der Wahrheit: Im Glauben ist man bei Gott angekommen. In der Wissenschaft ist das nicht so. Da gibt es nach der Lösung eines Problems immer neue, offene Fragen.“
Seine vor sieben Jahren gestorbene Frau Dorle wird in Werden geradezu verehrt. Sie war Mitbegründerin der Hospizbewegung und Motor des Christlichen Hospizes. Streffer lächelt: „Wir haben uns 14 Tage gekannt, da waren wir bereits verlobt. Auf einer Karnevalsfeier 1961 lernten wir uns kennen.“
Es muss gewaltig geknistert haben: „Beide wollten wir nach Semester-Ende in den Skiurlaub. Sie in den Schwarzwald, ich in die Alpen. Da dachte ich mir, diese Frau musst du festhalten. Wir waren uns schnell einig und dann 56 Jahre lang verheiratet.“ Rasch kamen vier Kinder, inzwischen kann Streffer 14 Enkelkinder zählen.
Angebote der Pharmaindustrie lockten den Wissenschaftler nicht
Als junger Biochemiker fand er zum Strahlenschutz. Das müsse man aus der Zeit verstehen: „Es gab in den 1950er Jahren viele Atomtests, die in der Atmosphäre stattfanden. Auch in Deutschland erhöhte sich die Radioaktivität in der Luft. Man suchte nach Substanzen, die einen Strahlenschutz bieten könnten. In dieses Programm bin ich eingestiegen.“
Als 33-Jähriger habilitierte sich der Diplomchemiker und Doktor der Naturwissenschaften und wurde Professor für Strahlenbiologie an der Freiburger Albert-Ludwigs-Universität. Dafür schlug Streffer höchst lukrative Angebote der Pharmaindustrie aus: „In der Uni konnte ich nicht nur meine Themen frei wählen, sondern war auch zeitlich nicht eingeschränkt. Wenn mir nachts etwas einfiel, bin ich aus dem Bett geklettert und ins Labor gefahren.“ Bei einem Job in der Industrie undenkbar.
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Von 1988 bis 1992 war er Rektor der Universität Essen
Vor 50 Jahren berief ihn die Universität Essen auf den Lehrstuhl für Medizinische Strahlenbiologie: „Hier hatte ich die Chance, ein Institut neu zu gründen.“ Als er herumgefahren wurde in Essen auf der Suche nach einer möglichen Bleibe, ging es dem Bredeneyer Berg hinunter in Richtung Werden: „Dieser Blick. Da musst du wohnen. Das könnte Heimat werden.“ Es wurde Heimat.
„Wir haben uns 14 Tage gekannt, da waren wir bereits verlobt. Wir lagen auf gleicher Wellenlänge und hatten nie Auseinandersetzungen größerer Art. Für mich war diese Frau ein Segen.“
Als Direktor leitete Streffer das Strahlenbiologie-Institut über 25 Jahre und war auch von 1988 bis 1992 Rektor der Universität Essen. Einmal habe ihn Berthold Beitz nach Beendigung seiner Rektoratszeit zu einer Geburtstagsparty eingeladen: „Ich kannte Beitz gut. In der Großen Halle der Villa Hügel stand er mit Mitgliedern des Internationalen Olympischen Komitees zusammen und rief mir hinterher. Er bedauere, dass ich nicht mehr Uni-Rektor sei. Den genauen Wortlaut verschweige ich lieber. Beitz war halt ein Mann, der sehr geradeaus war.“
Der Aufbau eines Hospizes im Stadtteil ist gelungen
Ehefrau Dorle hatte gesagt: „Wenn du emeritiert bist, ziehen wir wieder ins Badische.“ Streffer lächelt: „Davon war 1999 aber keine Rede mehr.“ Längst war das Paar nicht mehr wegzudenken aus der Werdener Stadtgesellschaft. Beide engagierten sich in der Evangelischen Kirchengemeinde. Sie war die vorrangige Mitinitiatorin des Werdener Hospizes und Vorsitzende des Fördervereins, während er 21 Jahre lang Aufsichtsratsvorsitzender des Evangelischen Krankenhauses war.
Regelmäßig lässt er sich blicken bei seinem Lions Club Essen-Werethina, bei Konzerten, zum Beispiel als großer Fan von Folkwang Junior: „Fantastisch, was diese jungen Musiker leisten.“ Eine große Leistung war auch der Aufbau des mittlerweile nach Dorle Streffer benannten Hospizes an der Dudenstraße: „Wir haben das geschafft ohne einen Pfennig vom Staat oder der Kirche. Alles wurde bei Stiftungen eingesammelt. Da hat mir geholfen, dass ich mich durch mein Rektorat gut auskannte in Essen.“
Zum Abschluss findet Christian Streffer liebevolle Worte für seine Dorle: „Wir lagen auf gleicher Wellenlänge und hatten nie Auseinandersetzungen größerer Art. Für mich war diese Frau ein Segen.“
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