Essen-Werden. Im nächsten Jahr wird er 80. Gleichwohl könnte man ihn jetzt schon einen Zeitzeugen des Jahrhunderts nennen: Professor Dr. Dr. h.c. Christian Streffer, der in einem Dorf im Kreis Lauenburg in Hinterpommern ohne Elektrizität aufwuchs, im Krieg mit seiner Mutter und Geschwistern in den Westen flüchtete – und heute ein weltweit anerkannter und ein national und international ausgezeichneter Strahlenbiologe ist.

Wie an jedem Morgen ist er schon 20 Kilometer um den Baldeneysee und an der Ruhr entlang gefahren. Von der Terrasse ihres Hauses „Auf dem Sutan“ blicken die Streffers auf die Werdener Skyline, bestehend aus der Basilika, der Evangelischen Kirche in der Heckstraße und der dahinter gelegenen Luciuskirche.

Täglich rund um den Baldeneysee

Diese Aussicht ist für sie durchaus von Bedeutung, schließlich haben sich beide, die seit 51 Jahren glücklich verheiratet sind, in und für die Evangelische Kirchengemeinde engagiert. Dorle Streffer ist Mitinitiatorin des Werdener Hospizes und Vorsitzende des Fördervereins, während Christian Streffer 21 Jahre lang Aufsichtsratsvorsitzender des Evangelischen Krankenhauses war, dessen Gesellschafter die Kirchengemeinde ist. „Wir haben uns sehr um eine Zusammenarbeit mit dem Katholischen Krankenhaus bemüht und haben 1998 einen Kooperationsvertrag geschlossen“, betont er. Zudem habe man die Arbeit beider Häuser eng miteinander verzahnt und alle großen Investitionen der letzten Jahre, darunter zehn neue Operationssäle, gemeinsam getragen. Streffer: „Es bestand große Hoffnung, dass es zu einer Fusion beider Häuser kommt, was aus medizinischer Sicht und auch aus Sicht der Mitarbeiter sinnvoll und wünschenswert gewesen wäre.“ Es sei für ihn eine „große Enttäuschung“, dass es zwischen den beiden Kirchenleitungen nicht zu einer Verständigung gekommen ist.

Für seine langjährige Tätigkeit wurde er vor kurzem mit dem Kronenkreuz in Gold der Diakonie Deutschland geehrt.

Streffer studierte Chemie und Biochemie in Freiburg. Nach einem halbjährigen Forschungsaufenthalt an der Universität Oxford arbeitete er am Radiologischen Institut der Universität Freiburg als wissenschaftlicher Assistent und Oberassistent. 1967 habilitierte er sich für Molekulare Strahlenbiologie und wurde dort Wissenschaftlicher Rat und Professor für Strahlenbiologie am Radiologischen Institut.

1974 berief ihn die Universität Essen auf den Lehrstuhl für Medizinische Strahlenbiologie. Als Direktor leitete er das Institut am Universitätsklinikum über 25 Jahre und war unter anderem vier Jahre lang Rektor der Universität Essen. 1999 wurde er emeritiert.

Schwerpunkt der Arbeit des Hobby-Ornithologen, der um Kraniche bei ihrem An- und Weiterflug zu beobachten, bis nach Rügen und Umgebung reist, war die „Wirkung von Strahlungen auf die lebendige Natur bei Menschen, Säugern bis hin zu den Bakterien herauszufinden“. Streffer arbeitete auf dem Gebiet der experimentellen Krebstherapie und wollte wissen, „wie sich die Strahlung auf die Entwicklung von Säugern im Mutterleib auswirkt und welche Effekte zu unterschiedlichsten Zeitpunkten der Schwangerschaft auftreten können.“

Wie ist zu behandeln, wenn Schwangere an Krebs erkranken, oder welcher Zeitpunkt ist anzustreben, wenn eine Röntgenuntersuchung vorgenommen werden muss, sind in diesem Zusammenhang auftretende Fragen. Nicht nur dazu wird er um Rat gebeten. Auch wenn es zum Beispiel um Reaktorunfälle geht. Die japanische Regierung schaltete den Werdener beim Reaktorunfall in Fukushima ein und erbat seine Kenntnisse.

Privat haben Christian und Dorle Streffer viel Freude mit ihren 14 Enkelkindern, aber es gab auch schwere Not, so starben ein Enkel im Alter von vier Monaten vor einigen Jahren und eine Schwiegertochter in diesem Jahr.