Essen. Sie besuchen Klinikpatienten und Bewohner von Altenheimen, helfen ihnen. Nun verriet Essens OB, warum die Stadt Grüne Damen und Herren braucht.

Wenn 70 Grüne Damen und ein Grüner Herr bei Essens Oberbürgermeister am Kaffeetisch Platz nehmen, ist das viel. „Dass sie zu so vielen kommen, hatte ich nicht gedacht“, sagt Gastgeber Thomas Kufen lachend. Wenn diese 70 sowie weitere 20 Ehrenamtliche, die bei dem Kaffeetrinken im Rathaus verhindert waren, in Essens Kliniken und Seniorenheimen im Einsatz sind, ist es noch zu wenig. Und so ist bei dem Treffen am Dienstag, 17. Dezember, von der segensreichen Arbeit der Gäste die Rede – und davon, dass sie gern Verstärkung hätten.

Essens Oberbürgermeister lädt Grüne Damen und Herren zu Kaffee und Kuchen ein

Gruppenbild mit Oberbürgermeister: Thomas Kufen (Mitte) hat Grüne Damen und Herren ins Essener Rathaus eingeladen.
Gruppenbild mit Oberbürgermeister: Thomas Kufen (Mitte) hat Grüne Damen und Herren ins Essener Rathaus eingeladen. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Im Auftrag des Diakoniewerks arbeiten sie in 13 Krankenhäusern und Seniorenheimen im Stadtgebiet: Sie unterhalten sich mit Patienten, machen kleine Besorgungen für sie. Sie schenken ihnen Zeit und hören zu, wenn die Menschen von ihren Sorgen, Bedenken, Anliegen erzählen. „Die Ehrenamtlichen gehen in die Zimmer und fragen: ,Brauchen Sie Hilfe?‘“ Nicht wenige sagen Ja. Es sind oft kleine Dinge, die das Pflegepersonal im eng getakteten Krankenhausalltag nicht erledigen kann, sagt Koordinatorin Tanja Schymik: Und: „Viele würden sonst keinen Besuch bekommen.“

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Man könne vielleicht nicht messen, was das für die Genesung bedeute, vermutet Oberbürgermeister Thomas Kufen: „Aber es spielt dabei bestimmt eine Rolle!“ Darum bedankt er sich im Namen der Stadt bei den Grünen Damen und Herren, die die gesellschaftlichen Mega-Probleme Pflegenotstand und Einsamkeit lindern helfen. In diesem Jahr haben sie ihr 50-jähriges Bestehen gefeiert und Kufen als Gast begrüßen können, nun hat der OB zum Gegenbesuch in die 22. Etage des Rathauses eingeladen, mit Kaffee, Kuchen, Panoramablick. „Alkohol gibt‘s auch“, sagt Kufen mit Blick auf die Sektgläser: „Da haben Sie wohl gute Connections.“

50 Jahre Grüne Damen und Herren

Im Jahr 1974 startete in Essen der ehrenamtliche Besuchsdienst in Seniorenheimen und Krankenhäusern, der auf eine Idee des damaligen Geschäftsführers des Diakonischen Werkes, Hans Schneider, zurückgeht. Weil die Ehrenamtlichen aus Hygienegründen grüne Kittel trugen, etablierte sich der Name: Grüne Damen und Herren.

Schon ein Jahr später waren 230 Grüne Damen im Einsatz. Heute ist das Team etwa 90-köpfig, wobei die Frauen in der deutlichen Mehrheit sind: Stadtweit sind nur sieben Grüne Herren tätig.

Insgesamt 13 Essener Senioreneinrichtungen und Krankenhäuser schätzen das Angebot, das Gespräche, Bücherdienst, kleine Besorgungen oder die Begleitung zu Untersuchungen umfasst. Das Diakoniewerk hat Grundregeln für die Arbeit festgelegt, koordiniert die Einsätze, bietet Fortbildungen an, lädt zu Ausflügen und Feiern ein, um so den Zusammenhalt der Ehrenamtlichen zu stärken.

Wer gern Grüne Dame oder Grüner Herr werden möchte, wendet sich an Koordinatorin Tanja Schymik, unter
 0201 2664-595220, oder an Sylvia Rominsky im Sekretariat unter:  0201 2664-595220. Oder schickt eine E-Mail an: gruene-dh@diakoniewerk-essen.de

Auf die Frage, wer noch nie in dieser guten Stube des Rathauses war, gehen etliche Hände hoch. Nun hier zu sein, sehen die Grünen Damen als Anerkennung für ihre Arbeit. Genauso möchte es Kufen verstanden wissen: „Sie schenken nicht nur Zeit, Sie schenken auch Fröhlichkeit.“ Beides schenkt auch er selbst bei diesem vorweihnachtlichen Treff, weist etwa darauf hin, dass es „absoluter Zufall“ sei, dass er just heute einen grünen Anzug trage. Ermahnt die Ehrenamtlichen, auf sich aufzupassen. „Ich glaube, man muss Menschen mögen, sonst geht es nicht. Und Menschen sind ja unterschiedlich – das wissen Sie.“ Da hört man ein vielstimmiges „Oh, ja!“.

Helga Willmes, Grüne Dame aus Essen

„„Viele Menschen haben keine Angehörigen oder keine in der Nähe.“

Helga Willmes, Grüne Dame, macht für Klinikpatienten kleine Besorgungen und hat gerade einer Dame einen Herzenswunsch erfüllt, die im Krankenhaus den Weihnachtsduft vermisste.

Der launigen Begrüßung folgt ein Gruppenbild, bevor das Kuchenessen beginnt, und Kufen seine Gäste nach besonderen Erlebnissen befragt. Helga Willmes erzählt da von einer Dame, die schon lange in Werden im Krankenhaus liegt, weil sich kein Heimplatz für sie findet. „Nun sagte sie mir, dass ihr der Weihnachtsduft so fehle.“ Also kaufte Helga Willmes Anissterne, Lebkuchen, Marzipan, trug weihnachtlichen Duft ins Krankenhaus. „Das hat sie sehr berührt.“

Ein Ehrenamt, das große Freiheit bietet und Wertschätzung bringt

Manchmal gehe es auch um Profaneres, etwa wenn der Patient sein Deo zu Hause vergessen hat und ein Neues brauche. „Viele Menschen haben keine Angehörigen oder keine in der Nähe“, sagt Helga Willmes. Die 67-Jährige ist seit zwei Jahren eine Grüne Dame, hat sich das Ehrenamt gesucht, als sie „der Liebe wegen“ von Düsseldorf nach Essen zog. Man bekomme viel Wertschätzung und behalte gleichzeitig eine große Freiheit, weil man nicht über lange Zeit eine Person betreue, sondern in einem Team wechselnde Patienten: „Wenn ich mal nicht da sein kann, ist es kein Weltuntergang.“

Man komme den Ehrenamtlichen entgegen, etwa was Einsatzort und -zeit angeht, wirbt Koordinatorin Tanja Schymik. Auch Berufstätige seien im Team willkommen, ergänzt ihre Kollegin Sylvia Rominsky: „Sie können zum Beispiel am Wochenende arbeiten.“ Wer einsteigen wolle, sollte aufgeschlossen, freundlich, kommunikativ sein.

Ein Grüner Herr und 70 Grüne Damen sind ins Essener Rathaus gekommen

Einer von nur sieben Grünen Herren: Helmut Brandt besucht seit zehn Jahren Bewohner des Friedrich-Ebert-Seniorenzentrums in Altenessen.
Einer von nur sieben Grünen Herren: Helmut Brandt besucht seit zehn Jahren Bewohner des Friedrich-Ebert-Seniorenzentrums in Altenessen. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Helmut Brandt, einer von nur sieben Grünen Herren, macht die Aufgabe so viel Freude, dass er auch mit 80 nicht aufhören möchte. Als vor zehn Jahren seine Mutter ins Friedrich-Ebert-Seniorenzentrum in Altenessen zog, habe ein Arbeitskollege, der selbst Grüner Herr war, gesagt: „Wenn Du eh hier bist, kannst Du doch auch Grüner Herr werden.“ Brandt blieb bis heute, kommt jeden Mittwoch von 15 bis 17 Uhr, um mit Bewohnern zu plaudern. „Ich mache da, so lange ich es kann.“

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Bei Barbara Märzenacker sind so schon 26 Jahre im Ehrenamt zusammengekommen, erst zehn Jahre in der Neurologie, nun schon 16 Jahre in der Onkologie. Da frage sie die Patienten nicht: „Wie geht es Ihnen?“, sondern: „Was haben Sie heute für einen Tag?“ und dann, sagt die 73-Jährige, „öffnen sich die Schleusen“. Grüne Dame zu sein, ist für sie nicht bloß Ehrenamt: „Für mich ist es der Sinn des Lebens geworden.“

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