Essen. Gespendete Bücher helfen krebskranken Kindern: Ellen Menne unterstützt mit Einnahmen aus dem Bücherbasar die Elterninitiative. Seit 31 Jahren.

Mit 150 Euro hat er angefangen und ist längst Essener Erfolgsgeschichte und ein Herzensprojekt geworden: Beim Bücherbasar in Überruhr haben zahllose gebrauchte Bücher inzwischen rund 90.000 Euro Spenden für die Elterninitiative krebskranker Kinder in Holsterhausen eingebracht. Ellen Menne (76) hat den Basar ins Leben gerufen und organisiert ihn sei 31 Jahren. Aus einem einzigen Grund: Sie möchte helfen – und hofft nun selbst auf Unterstützung. Die Organisatorin sucht dringend einen Nachfolger.

Kinder bestimmen beim Bücherbasar in Essen-Überruhr den Preis selbst

Wenn der Bücherbasar ansteht, biegen sich zwei Tage lang die Tische im Bürgertreff Ruhrhalbinsel. Dort reihen sich dann gut sortiert Tausende Romane, Thriller, Krimis, Koch- und Kinderbücher, CDs und Filme aneinander, während Nachschub in zahllosen Kartons auf dem Boden steht. Dazwischen stöbern und suchen Besucher und Besucherinnen dicht an dicht nach Lesestoff. Ehrenamtliche kassieren (2 Euro pro Buch, Kinder bestimmen den Preis selbst), bieten auch Kuchen, Torten oder Kaffee an. „Schon der erste Tag lief in diesem Jahr wie geschmiert und wir haben bis zum Abend 4000 Euro eingenommen“, berichtet Ellen Menne. Alle Einnahmen werden stets gespendet, so war es von Anfang an. Nur viel kleiner.

Von einem Wohnungsunternehmen hat Ellen Menne einen beheizten Kellerraum zur Verfügung gestellt bekommen, in dem sie das ganze Jahr Bücher sammelt und sortiert.
Von einem Wohnungsunternehmen hat Ellen Menne einen beheizten Kellerraum zur Verfügung gestellt bekommen, in dem sie das ganze Jahr Bücher sammelt und sortiert. © FUNKE Foto Services | Christof Koepsel

Eine Idee, ein Tapeziertisch, darauf einige Bücher: Das war der Beginn des Bücherbasars in der Überruhrer Gemeinde St. Mariä Heimsuchung, in der Ellen Menne aktiv gewesen ist und manches Amt übernommen hat. Sie leitete etwa den Kommunion- und Firmunterricht, gründete die Gruppe „Junge Frauen in der kfd“ (Katholische Frauen Deutschlands). So wie sie im Laufe der Jahrzehnte überhaupt so einiges auf die Beine gestellt hat. Die Hilfe für die geflüchteten Menschen in den 1980er Jahren zählt dazu, für die Aussiedler aus Russland und Polen sowie die Menschen aus dem damaligen Jugoslawien. Denn für andere um Hilfe zu bitten, das kann Ellen Menne problemlos. „Baggern für andere“, nennt sie das schmunzelnd.

Unermüdlich sammelte sie damals also Möbel und Kleider, organisierte Lkw-Transporte und schnappte sich auch mal ein Spielzeug aus dem Kinderzimmer ihres Sohnes. Heute ist es manchmal ein Kinderbuch der Enkelin, die weiß, dass das dann „für arme Kinder ist“. Den Kontakt zu einzelnen Familien von damals pflegt Ellen Menne, manchmal auch ins Ausland, mithilfe sozialer Medien. Auf ihr Ehrenamts-Konto gehen zudem Kochbücher für den guten Zweck, der Verkauf im Kupferdreher Weltladen oder auch das Klön-Café, bei dem sie nach wie vor Menschen bei Kuchen und Kaffee zusammenbringt. Auch dieses Geld geht an die Elterninitiative in Holsterhausen, die krebskranken Kindern ein Zuhause auf Zeit bietet.

Die gebürtige Krayerin besuchte die Schule in Steele und zog später mit ihrem Mann nach Essen-Überruhr

Für ihren Einsatz hat Ellen Menne bereits eine Auszeichnung von der Kupferdreher Bürgerschaft erhalten (Josef-Götte-Medaille), dabei steht sie nicht wirklich gern im Mittelpunkt, sondern taucht lieber selbst ab: in Bücher. Krimis sind ihre Leidenschaft, die von Elizabeth George hat sie verschlungen, auch die Ostfriesen-Krimis von Klaus-Peter Wolf mag sie – wie die Nordsee selbst. Die Buch-Begeisterung sei bereits ganz früh entstanden, weil ihr Elternhaus nicht nur von einem sozialen Miteinander, sondern auch von der Lesefreude geprägt war, die die Eltern vermittelten. Wer damals die kleine Ellen suchte, fand sie oftmals mit Bruder und Schwester folglich in einer Bücherei.

Die gebürtige Krayerin besuchte dann die Schule in Steele, zog 1979 mit ihrem Mann nach Überruhr. Er ist es auch, der nicht nur viel Geduld und Verständnis für das leidenschaftliche Engagement seiner Frau aufbringt, sondern sie manchmal spät abends auch zwischen den Büchern hervorholt, wenn sie sich beim Sortieren für den Basar festgelesen hat. „Die Uhr im Bücherkeller hängt nicht zufällig dort“, erzählt Ellen Menne lachend, die ihre Schmöker in jedem Zimmer zu Hause verteilt hat, bei jeder Gelegenheit liest und ihr großes Hobby glücklicherweise mit ihrem Mann teilt. Nun bleibt dafür mehr Zeit, seitdem sie mit 72 Jahren dann doch ganz aus dem Job im EDV-Bereich ausgestiegen ist, den sie so gern gemacht und lange in Teilzeit fortgeführt hat.

Zahllose Bücher werden beim Bücherbasar angeboten: Der fand viele Jahre im Gemeindesaal in Überruhr-Hinsel statt und ist inzwischen in den Bürgertreff Ruhrhalbinsel umgezogen.
Zahllose Bücher werden beim Bücherbasar angeboten: Der fand viele Jahre im Gemeindesaal in Überruhr-Hinsel statt und ist inzwischen in den Bürgertreff Ruhrhalbinsel umgezogen.

Bis dahin hat sie als gelernter „Groß- und Einzelhandelskaufmann“ (Kauffrau zu sein, ist ihr nicht so wichtig) ihre Ehrenämter auch neben ihrem Hauptjob und der Kindererziehung ausgeübt, vor allem aber mit ihrer Haupteigenschaft: anpacken statt viel zu reden. Das schwere Tragen aber fällt ihr zunehmend schwerer und auch manche Helferin aus dem kfd-Kreis hat aufgeben müssen, gehört doch zum Bücherbasar nicht nur die Organisation, sondern vor allem rund um den Termin eben auch das Schleppen, Heben, Auf- und Abbauen sowie das Putzen der Säle. „Da braucht es vor allem zuverlässige und auch starke Kräfte“, sagt die 76-Jährige und gesteht offen, dass das nicht immer ganz reibungslos funktioniere. „Ein junges Team wäre klasse.“ Diese Mitstreiter zu finden und zu motivieren, auch das gehöre zum Basar. Sie rekrutiert kurzerhand Politiker, Vereinsmitglieder und die Freiwillige Feuerwehr.

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Die gebrauchten Bücher hingegen, die trudeln inzwischen das ganze Jahr über beinahe wie von selbst ein, von Freunden, Nachbarn, Bekannten oder früheren Arbeitskollegen. Einmal spendete ein Pfarrer sogar eine besondere Bibel, die dann 1500 DM einbrachte. Es kommen zudem immer wieder Anrufe von Angehörigen, die gerade einen lieben Menschen verloren haben und Bücher verschenken möchten. „Dann braucht es auch ein offenes Ohr“. Manche Gespräche dauerten geraume Zeit. Während ihre Enkelin oftmals gespannt zuhöre, habe sich ihr Mann jeglichen Kommentar abgewöhnt, sagt Ellen Menne lachend.

Als der Ort für den Bücherbasar in Essen-Überruhr wegbrach, gab Ellen Menne nicht auf

Sie nimmt die Bücher an, sagt aber auch, was nicht gefragt ist („Angelzeitschriften oder viele Kochbücher und Jugendliteratur“) und sortiert dann im Keller, den ihr in Überruhr eine Wohnungsgesellschaft zur Verfügung gestellt hat. „Ein großes Glück“, sagt die Organisatorin über den beheizten Raum, da doch nach Schließung des Gemeindesaals und der Räume im Untergeschoss in Hinsel, die sie lange nutzen konnte, nicht sicher war, wo und wie es mit dem Bücherbasar weitergeht. Diese Sorge erreichte auch das Rathaus und den Oberbürgermeister, der die Überruhrerin unterstützte.

Ellen Menne steht vor dem geschlossenen Gemeindehaus St. Maria Heimsuchung in Überruhr-Hinsel, sie hat früher manches Amt in ihrer Gemeinde übernommen.
Ellen Menne steht vor dem geschlossenen Gemeindehaus St. Maria Heimsuchung in Überruhr-Hinsel, sie hat früher manches Amt in ihrer Gemeinde übernommen. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Ellen Menne gab nicht auf, fand einen neuen Ort für den Basar im Bürgertreff Ruhrhalbinsel. Immerhin, sagt sie augenzwinkernd, könne sie als Lager manche Garage und einige Räume bei ihrer Friseurin und auch der Kassiererin der Elterninitiative nutzen. Denn es sind so viele Menschen, die sie über die Jahrzehnte beim Bücherbasar begleitet haben. Ellen Menne spannt nicht nur ihre ganze Familie wie ihre Schwester (80), die Nichten und Neffen sowie die Schwägerin aus Ostfriesland mit ein. Es sind zudem Helfer wie die Frau aus Kray, die zahllose Kuscheltiere besorgt hat, oder Willi Wölting, der einst Schulleiter der Steeler Marienschule gewesen ist, und es sich selbst im hohen Alter nicht nehmen lässt, beim Basar an der Kasse zu sitzen.

Ein Bücherbasar in Essen-Überruhr wäre vielleicht auch im kleineren Format möglich

Er war es auch, der Ellen Menne versprochen hat: „Die 100.000 knacken wir gemeinsam“, verrät sie gerührt und würde sich sehr freuen. Denn es sei einfach ein gutes Gefühl, dieses Geld spenden zu können. Den Termin für den kommenden Basar hat sie schon im Kopf, es wird der 32. sein. „Es wäre nun aber auch eine Wucht, wenn sich endlich jemand findet, der hier weitermacht“, sagt Ellen Menne. Dann fiele ihr wirklich ein Stein vom Herzen. Denn das Schönste an dem Basar sei doch, dass er für die gute Sache ist. „Das tut auch einem selbst gut“, wirbt sie.

Und sagt: „Ich kann das doch nicht aufgeben.“ Dabei hat sie durchaus schon überlegt, wie es auch anders weitergehen könnte, mit einem Bücherbasar im kleineren Format etwa. Eine weitere Idee wäre, die Organisation auf mehrere Schultern zu verteilen. Sie würde ihren Nachfolger oder ihre Nachfolgerin jedenfalls weiterhin unterstützen mit ihrer Erfahrung, wäre bei Bedarf weiter mit an Bord. Ellen Menne würde natürlich helfen – anders kann sie auch gar nicht.

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