Essen-Holsterhausen. Eine Essener Initiative hilft seit 40 Jahren krebskranken Kindern und ihren Eltern. Anfangs bewahrte sie Familien davor, im Auto schlafen müssen.

Die Geschichte des Holsterhauser Elternhauses beginnt mit einer einzelnen Wohnung in der Raphaelstraße. Ab 1986 ermöglichte es die Essener Elterninitiative zur Unterstützung krebskranker Kinder Müttern und Vätern, dort zu wohnen, während ihre Kinder in der Uniklinik behandelt wurden. Eine Luxusherberge war das beileibe nicht: Acht Personen konnten dort schlafen, teilten sich ein Badezimmer, manchmal wurden zusätzlich Feldbetten aufgestellt. Seitdem hat sich einiges verändert. In diesem Jahr feiert die 1983 gegründete Initiative ihren 40. Geburtstag. Ins Leben gerufen haben sie Eltern, die selbst betroffen waren.

„Die Eltern waren damals mit einer Vielzahl von Problem konfrontiert“, erklärt Lara Krieger, seit 2014 Geschäftsführerin der Elterninitiative. Dazu habe vorrangig die Frage gehört, wo sie wohnen können, während ihre Kinder an der Uniklinik die Krebsbehandlung bekamen. Manche Familien kommen bis heute von weit her: Die Uniklinik ist auf bestimmte Behandlungen und Tumore spezialisiert, sodass andere Kliniken Patientinnen und Patienten mit dem entsprechenden Krankheitsbild nach Essen überweisen. „Unser ehemaliger Vorstandsvorsitzender hat berichtet, dass manche Eltern im Auto übernachtet haben“, erinnert sich Lara Krieger.

Erinnerungen an die letzten 40 Jahre hängen derzeit in den Räumlichkeiten der Essener Elterninitiative zur Unterstützung krebskranker Kinder.
Erinnerungen an die letzten 40 Jahre hängen derzeit in den Räumlichkeiten der Essener Elterninitiative zur Unterstützung krebskranker Kinder. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Uniklinik Essen: Im Spielzimmer arbeitet jetzt eine Vollzeit-Erzieherin

Früher war die Infrastruktur der Klinik nicht wie heute darauf ausgerichtet, Eltern und Kinder gemeinsam durch die Behandlung zu begleiten. „Es gab starre Besuchszeiten, die Eltern durften ihre Kinder nur eine begrenzte Anzahl von Stunden am Tag sehen“, erzählt die heutige Vorstandsvorsitzende Birgit Langwieler. Zu Beginn habe die aus einer Selbsthilfegruppe erwachsene Initiative erst einmal dafür gekämpft, dass sich Eltern auf der Station ein Klappbett neben ihren Kindern aufbauen durften.

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Außerdem setzte sich die damals nur aus Ehrenamtlichen bestehende Gruppe dafür ein, dass auf der Klinikstation ein Raum geschaffen wurde, in dem man zusammenkommen und sich austauschen konnte. Diesen Raum gibt es bis heute: Im Spielzimmer der onkologischen Kinderstation betreut heute eine von der Elterninitiative bezahlte Vollzeit-Erzieherin die Kinder zeitweise, um für Ablenkung und Entlastung zu sorgen.

Mit den Jahren veränderte sich die Praxis der Krankenhäuser. Behandelten sie krebskranke Kinder früher meist stationär, werden Therapien heute dort, wo es möglich ist, ambulant durchgeführt. „Umso mehr stellte sich die Frage, wo Eltern während dieser Zeit mit ihren immungeschwächten Kindern wohnen sollen“, erklärt Lara Krieger. 1992 eröffnete das Elternhaus an der Kaulbachstraße, das heute mehr ein Familienhaus ist, weil meist Mütter und Vätern gemeinsam mit ihren Kindern dort wohnen und die Kinder dann für die Behandlung in die fünf Gehminuten entfernet Uniklinik bringen.

Die Häuser an der Kaulbachstraße in Essen-Holsterhausen waren normale Wohngebäude, bevor das erste von ihnen im März 1992 zum Elternhaus wurde.
Die Häuser an der Kaulbachstraße in Essen-Holsterhausen waren normale Wohngebäude, bevor das erste von ihnen im März 1992 zum Elternhaus wurde. © Elterninitiative | Picasa

Essener Elternhaus hat inzwischen 35 Zimmer mit 95 Betten

15 Betten in neun Zimmern standen Anfang der 90er Jahre zur Verfügung. 2001 wurde das Haus zum ersten Mal durch das Nebengebäude erweitert, neun Zimmer mit 19 Betten kamen hinzu. Nach einer zweiten Erweiterung stehen inzwischen 35 Zimmer mit 95 Betten für Eltern und Kinder zur Verfügung. „Die Erweiterungen waren immer ein Wagnis. Der Vorstandsvorsitzende als Privatmann fungierte als Bauherr“, betont Krieger.

Spätestens im vergangenen Jahr zeigte sich, dass sich die Investition gelohnt hat. Weil viele Familien mit krebskranken Kindern aus der Ukraine nach Essen flohen, war das Elternhaus zwischenzeitlich komplett voll. Manche der insgesamt 13 Familien kamen mit einem Bus, der krebskranke ukrainische Kinder nach Deutschland brachte, andere hatten früher schon einmal während einer Behandlung im Elternhaus gewohnt und sich hilfesuchend an die Initiative gewendet. „Das war zahlenmäßig ein Ausnahmezustand“, erinnert sich Krieger. Die Familien seien oft größer gewesen als die, die sonst im Elternhaus wohnten, manche seien zu fünft gekommen. Inzwischen hätten die meisten von ihnen eine dauerhafte Wohnung in Essen gefunden.

Essener Elterninitiative: „Heute sind wir viel mit sozialer Betreuung beschäftigt“

Die Bedürfnisse der Familien sind heute andere als früher. „Ich weiß noch, wie wir einen Münzfernsprecher aufgebaut haben, damit die Eltern von hier aus mal in der Klinik oder zu Hause anrufen konnten“, erinnert sich Birgit Langwieler. Auch eine Küche auf der Station finanzierte die Elterninitiative, damit Eltern vor Ort etwas zu essen zubereiten konnten. „Es ging damals darum, die Grundversorgung herzustellen. Heute sind wir viel mit sozialer Betreuung beschäftigt“, so Langwieler. Um die Familien bestmöglich auffangen zu können, arbeiteten heute auch hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Initiative.

2012 gehörten die Hausnummern 8 und 10 der Kaulbachstraße zum Essener Elternhaus, das Eckhaus wurde dann zugekauft.
2012 gehörten die Hausnummern 8 und 10 der Kaulbachstraße zum Essener Elternhaus, das Eckhaus wurde dann zugekauft. © lichtblick-fotos.de | Guido Frebel

Tag der offenen Tür und Feier

Zu einem Tag der offenen Tür mit Feier zum 40-jährigen Bestehen lädt die Elterninitiative zur Unterstützung krebskranker Kinder am Sonntag, 3. September, von 11 bis 17 Uhr ins Elternhaus (Kaulbachstraße 8-10) ein.

Alle Interessierten können sich vor Ort über die die Arbeit der Initiative informieren. Außerdem gibt es Waffeln, Eis und Würstchen. Auch Oberbürgermeister Thomas Kufen wird erwartet.

Die Eltern seien indes heute mit einem ganz anderen organisatorischen Aufwand konfrontiert, weil meist beide berufstätig seien. „Früher war klar: Die Mutter kümmert sich. Heute brauchen wir auch Kräfte, die die Eltern in dieser Hinsicht beraten“, sagt Krieger. Bei Familien aus dem Ausland kämen außerdem beispielsweise Fragen des Aufenthaltsstatus dazu. Und auch solche Fälle gibt es, schildert Krieger: „Wir hatten hier schon ganz junge Mütter, die eigentlich mit dem Muttersein selbst schon überfordert waren. Und dann hatten ihre Kinder auch noch Krebs.“

Essener Elterninitiative für krebskranke Kinder hilft Familien manchmal auch finanziell

Familien mit wenig Geld greife die Initiative auch finanziell unter die Arme, zum Beispiel, wenn das psychosoziale Team bemerke, dass ein Kind keine passenden Schuhe oder keine der Jahreszeit angemessene Jacke besitze. Behandlungskosten kann der Verein aber nicht übernehmen. Dafür seien einfach die Mittel nicht da, erklärt Lara Krieger.

Die größte Herausforderung, da sind sich Krieger und Langwieler einig, sei die langfristige Sicherung des Elternhauses mit seinen 14 Angestellten, die zum Beispiel psychosoziale Beratung anbieten oder verschiedene Angebote und Freizeitaktivitäten für die Familien organisieren. „Rechnet man alles zusammen, haben wir pro Monat einen Kostenapparat von etwa 55.000 Euro“, so Krieger.

Der Verein finanziert sich hauptsächlich durch Spenden und Mitgliedsbeiträge. Da er gemeinnützig ist, darf er kein Geld für mögliche Engpässe in der Zukunft horten. Bisher habe man aber glücklicherweise alle Krisen überstanden, sagt Krieger. Trotz Inflation und Energiekrise habe sich die Spendenbereitschaft für die Elterninitiative nicht verringert.

Wer für die Elterninitiative spenden möchte, erhält alle Informationen unter www.krebskranke-kinder-essen.de/spenden.

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