Essen-Überruhr. Ellen Menne beschreibt das unheimliche Gefühl, wenn der Strom plötzlich weg ist. 3400 Überruhrer waren betroffen, Stunden saßen sie im Dunkeln.
Plötzlich war das Licht aus, der Kühlschrank ebenfalls, der Fernseher stumm. Draußen blieben die Laternen dunkel, die Fenster vieler Nachbarn auch. „Ich habe mich so hilflos gefühlt“, beschreibt Ellen Menne die Situation, als am Donnerstag (8. Februar) um 20.24 Uhr in Teilen von Essen-Überruhr der Strom ausgefallen ist. Drei Stunden hat es dann gedauert, bis Westnetz die Störung behoben hatte. Eine lange Zeit für die Betroffenen, denen zahllose Gedanken kamen. Eine Essenerin berichtet von dem Abend in Überruhr. Die Ursache steht indes fest.
„Wir haben zwar mehrere Taschenlampen und viele Kerzen“, sagt Ellen Menne, die aber gesteht, dass sich zunehmend ein merkwürdiges Gefühl breit macht, je länger der Stromausfall dauert. „Man weiß ja nicht, wie lange es dann insgesamt noch dauert.“ Da wandern die Gedanken erst zu Kühl- und Gefrierschrank („ich hoffe, dass die Lebensmittel die Unterbrechung gut überstehen“) und dann auch zur Ursache. „Das ist einfach unheimlich,“ sagt sie. Man frage sich zudem die ganze Zeit, wann der Strom wohl wiederkomme. „Von jetzt auf gleich kannst du dir weder einen Tee kochen, noch eine Wurst braten“, beschreibt sie.
Dann haben die Nachbarn in Essen-Überruhr Nachrichten untereinander verschickt
Ellen Menne ging schließlich zu dem kleinen Fernseher in ihrer Küche – siehe da, er sprang an. „Ich habe gleich meine Kinder angerufen und Entwarnung gegeben“, berichtete sie von ihrer Freude und der nur kurzen Begeisterung, die wich, als ihr Sohn fragte: „Mama, hat das Gerät nicht einen Akku?“ Es blieb als dunkel im Haus der Mennes, in dem sie schon seit 45 Jahren wohnen. „Einen Stromausfall haben wir noch nicht erlebt“, sagt die 75-Jährige, kurze Unterbrechungen höchstens mal, die seien aber sogleich behoben worden.
„Wir haben dann irgendwann angefangen, Nachrichten hin- und herzuschicken“, berichtet Ellen Menne, da ja das Handy zumindest funktionierte. Auch in den sozialen Medien kommentierten einige die Situation („wie in der Steinzeit“, „Machen wir das Beste draus“, „hoffentlich taut der Eisschrank nicht ab“). Über Whatsapp erhielt die Überruhrerin dann manchen besorgten Beitrag sowie Anmerkungen mit Augenzwinkern: Das haben wir nun davon, weil wir beim Altweiber-Feiern gerade zu viel gelacht haben. Denn sie hätten sich noch am Nachmittag beim Klöncafé im Bürgertreff Ruhrhalbinsel getroffen.
Rund 3400 Essener waren von dem Stromausfall in Überruhr betroffen
Den Café-Treff organisiert Ellen Menne ebenso wie den Bücherbasar (der seit 30 Jahren stattfindet) zugunsten der Elterninitiative krebskranker Kinder mit ihrem unermüdlichen ehrenamtlichen Engagement. In ihrem Stadtteil ist sie auch daher gut vernetzt und musste beim Blick aus ihrem Fenster nun sehen, dass so viele Nachbarn und Nachbarinnen wie sie selbst mit ihrem Mann im Dunkeln hockten und nicht viel mehr tun konnten als abzuwarten. Rund 3400 Anwohner sollen laut Westnetz betroffen gewesen sein, die im Bereich Langenberger Straße, Marie-Juchacz-Straße, Überruhrstraße oder in einer der etlichen Nebenstraßen leben.
„Merkwürdig war aber, dass eben nicht überall flächendeckend die Lichter aus waren“, sagt Ellen Menne mit Blick auf die Lage in Überruhr-Hinsel. Laut Kommentaren auf Facebook waren beispielsweise Häuser an der Kevelohstraße und Altmeyerstraße nicht betroffen („Bei meiner Mutter auf der Überruhrstraße bei der Haltestelle Kevelohstraße ist der Strom vorhanden“).
Mit einem technischen Defekt erklärt Westnetz am Tag danach den Ausfall, ursächlich sei ein Kabelfehler gewesen. Am Donnerstag gegen 21.15 Uhr sei es den Technikern gelungen, für mehr als die Hälfte der Betroffenen die Energieversorgung wiederherzustellen, erklärte dazu eine Sprecherin von Westnetz. Eine Viertelstunde später seien weitere Haushalte wieder versorgt worden. Um 22.30 Uhr waren drei Trafostationen noch nicht wieder in Betrieb. Vodafone habe dann angekündigt, die Störung werde voraussichtlich gegen 23 Uhr behoben sein, hat Ellen Menne auf ihrem Smartphone gelesen.
Sie saß da weiterhin in ihrem finsteren Haus, das inzwischen einem Geisterschloss glich. „Wir haben überall Kerzen aufgestellt“, beschreibt sie die Atmosphäre, die keineswegs romantisch gewesen sei. Ganz im Gegenteil hätten sich bei allen kleinen Späßen, Nachrichten und Reaktionen zwischendurch auch durchaus ernste Gedanken gemischt. „Auch wenn ich zur Nachkriegsgeneration zähle, habe ich an Krieg gedacht“, gesteht die 75-Jährige. Sie hatte etwa Bilder aus der Ukraine vor Augen, sah die Menschen, die tagelang in Kellern oder Unterführungen festsäßen. Hat sich mit Blick darauf selbst gesagt, was für ein Weichei sie doch sei.
Zwischendurch kommen beim Stromausfall in Essen-Überruhr Gedanken an möglichen Angriff
Dennoch seien ihr plötzlich Dinge in den Sinn gekommen wie „Hoffentlich ist es keine Attacke.“ Nachgedacht hat sie durchaus darüber, ob der Stromausfall mit einem Angriff zu tun haben könnte, so wie es etwa zuletzt Hackerangriffen auf Krankenhäuser gegeben habe. „Ich habe richtig Angst bekommen, bis dahin hätte ich so etwas für unmöglich gehalten.“ Ihr Mann habe abgewunken, sie beruhigt. „Ich habe halt eine große Phantasie“, sagt Ellen Menne jetzt wieder schmunzelnd. Sie lese schließlich viele Krimis – liest beinahe immer und überall.
An diesem Abend bereitete sie sich auf den Ausgang ihres spannenden Buches vor, als es dunkel wurde. Ihre Vorfreude wich schnell der Ernüchterung, nachdem sie es erst mit der Taschenlampe versucht hatte. Ein dickes Buch auf diese Weise zu Ende zu lesen, das reizte sie jedoch so, „wie ein köstliches Essen auf die Schnelle zu verspeisen.“ Dazu mischten sich Aufregung und das merkwürdige Gefühl, bevor sie sich mit dem E-Book-Reader ablenkte.
Gegen 23 Uhr war es endlich wieder hell, der Strom war wieder da. Wie angekündigt – „schon irre“, findet Ellen Menne, meint die Uhrzeit, aber rückblickend auch den ganzen Abend und die Erkenntnis, dass sich eine solche Lage ganz anders anfühle, wenn man erst selbst drin stecke. Das sei nun ihre Erfahrung, denn eigentlich sei nichts Dramatisches passiert und doch sei die ungewohnte Situation eben auch unheimlich gewesen, weil sie nicht gewusst hätten, was genau passiert sei und wann es vorbei sein würde. Schlafen konnte sie anschließend noch lange nicht, hat erst das Buch zu Ende gelesen, hat danach gleich zu Band zwei gegriffen, ist abgetaucht. „Bis etwa halb drei.“
[Essen-Newsletter hier gratis abonnieren | Folgen Sie uns auch auf Facebook, Instagram & WhatsApp | Auf einen Blick: Polizei- und Feuerwehr-Artikel + Innenstadt-Schwerpunkt + Rot-Weiss Essen + Lokalsport | Nachrichten aus: Süd + Rüttenscheid + Nord + Ost + Kettwig und Werden + Borbeck und West | Alle Artikel aus Essen]