Essen.. Wenn eine Hauptschlagader platzt, besteht akute Lebensgefahr. Ein typischer Einsatz für die Gefäßchirurgen am Essener Elisabeth-Krankenhaus.
Auf dem Monitor überprüft Prof. Johannes Nikolaus Hoffmann, ob die Stents von Helmut Ruschke noch dicht sind und an der richtigen Stelle im Bauchraum liegen. „Im Jahr 2000 bin ich hier im Elisabeth-Krankenhaus erfolgreich operiert worden“, erzählt der heute 74-jährige Patient aus Essen. Damals kam er als Notfall.
Nach einer Routineuntersuchung hatte ihn sein Hausarzt vor 24 Jahren noch am selben Tag an die Gefäßchirurgen überwiesen. Die Operation duldete keinen Aufschub: Im Bauch des Patienten hatte sich eine große Aussackung (Aneurysma) an der unteren Hauptschlagader gebildet. Im fortgeschrittenem Stadium bestand Lebensgefahr: Es drohte ein Aufplatzen (Ruptur) des krankhaften Gebildes mit innerem Verbluten.
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Dr. Ahmed Soliman, seit 25 Jahren Oberarzt im Team der Klinik für Gefäßchirurgie und Phlebologie, rettete Helmut Ruschke damals das Leben. Zum jährlichen Check in der Ambulanz begrüßt ihn der aus Ägypten stammende Mediziner persönlich. Im Gespräch erläutern die Spezialisten, welche Fortschritte ihr Fachgebiet gemacht hat, seit die Fachklinik 1984 eröffnet wurde.
Dr. Soliman zeigt einen Stent der ersten Stunde. „So eine Gefäßprothese wurde auch Herrn Ruschke eingesetzt“, sagt er. Das Kunststoffgewebe des verwendeten Stents war gröber als das heutige. Doch die Funktion hat sich nicht geändert. Ruschkes Implantat zum Offenhalten der Hauptschlagader musste noch nicht ersetzt werden. „Durchschnittlich steigt das Risiko, dass der Stent undicht wird, nach etwa zehn Jahren“, erklärt Prof. Hoffmann. Dass er den „TÜV wieder bestanden“ hat, wie Ruschke die ärztliche Kontrolle scherzhaft nennt, ist also eine Besonderheit.
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Neben OPs an der Aorta gehören Eingriffe an den Halsschlagadern sowie an den Becken-, Oberschenkel- und Schienbein-Arterien zum Handwerk der Gefäßchirurgen. Etwa 35.000 ihrer rund 50.000 Patienten seit 1984 seien wegen einer peripheren, arteriellen Verschlusskrankheit (PAVK) gekommen. Im Volksmund heißt sie „Schaufensterkrankheit“, weil die Betroffenen beim Gehen so starke Schmerzen haben, dass sie stehen bleiben und sich beispielsweise Schaufenster ansehen.
Ablagerungen in den Arterien behindern die Durchblutung in Beinen oder Armen. Hauptursache dafür ist die Arteriosklerose, also die Verkalkung der Arterien. Die Krankheit, die zu 90 Prozent Raucher trifft, bleibe oft lange ohne Symptome. Bypässe aus den eigenen Venen oder aus einem Kunststoffmaterial (PTFE) überbrücken die Engstellen oder verschlossene Gefäßabschnitte. Aber: „Sind die eigenen Venen bereits verödet worden, lassen sie sich für Bypässe nicht gebrauchen. Das erhöht das Amputationsrisiko“, so der Chefarzt.
Vor seiner schweren OP damals verspürte Helmut Ruschke keine Beschwerden. „Das ist das Typische und Tückische bei Aortenaneurysmen. Stellt man sie unerwartet bei einem Ultraschall fest, sollten sie schnell behandelt werden, wenn sie über fünf Zentimeter groß sind“, betont Hoffmann.
Etwa 100 chirurgische Eingriffen an verengten Halsschlagadern (Carotisstenosen) pro Jahr zählt die Contilia-Fachklinik darüber hinaus. Wie auch bei der Hauptschlagader ersetzen seit gut 20 Jahren schonende Katheter-Verfahren meist aufwendige Operationen mit großem Besteck. Dennoch: In speziellen Fällen sind offen-operative Eingriffe die erste Wahl.
Rund 230.000 Menschen jährlich erleiden hierzulande einen Schlaganfall
Bluthochdruck, Rauchen oder erhöhte Blutfettwerte gelten als Auslöser von Schlaganfallverengungen. Rund 230.000 Menschen jährlich erleiden hierzulande einen Schlaganfall. „In bis zu einem Viertel der Fälle ist eine Verengung der Halsschlagader die Ursache“, so Prof. Hoffmann. Diese Verengungen durch Plaque an den Gefäßwänden vergleicht er mit Steinen am Flussufer. „Die Ablagerungen behindern den Durchfluss, was den Druck in den Gefäßen steigert und die Fließgeschwindigkeit des Blutes erhöht.“ Zu den Symptomen gehören eine wiederkehrende, kurzzeitige Blindheit sowie Lähmungen oder Taubheitsgefühle an Armen oder Beinen.
Gefäßchirurgie, Radiologie und Angiologie
Im Gefäßzentrum des Elisabeth-Krankenhauses Essen widmet sich die Gefäßchirurgie gemeinsam mit Radiologie und Angiologie der Behandlung von Arterien, die vom Herzen weg führen, und Venen, die zum Herzen hinführen. Viele Therapieformen werden am Klara-Kopp-Weg ambulant durchgeführt.
Prof. Johannes Hoffmann, kam im Jahr 2012 aus München an die Uniklinik Essen und übernahm 2014 das Gefäßzentrum am Elisabeth-Krankenhaus. Zum 40-jährigen Bestehen der Klinik für Gefäßchirurgie und Phlebologie wird am 28. Juni in der Philharmonie das „Gefäß-Update 2024“ ausgerichtet: Bei dem Symposium tauschen sich Hoffmann und sein Team mit Kollegen aus ganz Deutschland aus.
Als Venenkompetenz-Zentrum kümmert sich seine Klinik auch um Krampfaderleiden und Blutgerinnsel (Thrombosen). Ferner behandeln Prof. Hoffmann und sein Gefäßchirurgen-Team – sechs Oberärzte und Oberärztinnen sowie acht Assistenten – das gesamte Spektrum der sogenannten Verödungstherapie, auch in Kombination mit dem Entfernen von Krampfadern oder Besenreisern durch die Stripping-Methode: Hier führt der Operateur eine flexible Spezialsonde in die krankhaft erweiterte Vene ein, durchtrennt und entfernt krankhafte Adern.
Eine lokale Betäubung reicht bei einem Stent oft aus
„Eine Vollnarkose ist heute oft überflüssig“, sagt Dr. Soliman. Wird ein Stent über eine Schleuse durch die Leiste eingeführt (endovaskuläre Methode), reiche eine lokale Betäubung aus. Doch der große Bauchschnitt ist nicht ganz verschwunden. Im Elisabeth-Krankenhaus wird das Öffnen der Bauchhöhle inzwischen sogar wieder unterrichtet, an Modellen: Auch junge Kollegen sollen in der Lage sein, die OP durchzuführen, bei der die Wunde bis zu 30 cm lang ist. „Diese Methode ist unausweichlich bei jüngeren Patienten mit einer Lebenserwartung von über zehn Jahren. Akute Aorten-Rupturen sollten jedoch endovaskulär versorgt werden.“
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Einsteins Implantat war der Stent-Urtyp und hielt sieben Jahre
Der Stent-Urtyp, den der deutsche Chirurg Rudolf Nissen 1948 für Albert Einstein aus Cellophan gebastelt hatte, hielt sieben Jahre. Dann wurde das Implantat undicht, Einstein brauchte eine zweite Operation. Die lehnte der Physik-Nobelpreisträger jedoch ab. Wenige Tage später riss seine Hauptschlagader erneut, Einstein starb an den Folgen.
Ein Meilenstein war die Methode, die der argentinische Arzt Juan Parodi 1990 erstmals anwendete: eine bislang neue, schonende Behandlung über die Leistenschlagadern. Solche endovaskulären Eingriffe verkürzen die Genesungsdauer. „Die Patienten erholen sich schneller“, so Dr. Soliman. Und, ergänzt Hoffmann, in den vergangenen 20 Jahren habe sein Fach weitere große Entwicklungen gemacht, die den Betroffenen zugutekommen.
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