Essen. Seit zehn Jahren gibt es die Initiative Weideschwein von Bio-Fleischer Bernd Burchhardt. Warum der Essener Transparenz in der Branche fordert.

Ob Thüringer Bratwurst, Cevapcici, Bierknacker, Wiener, Krakauer Leberwurst oder Hausmacher Blutwurst: Mittlerweile über 80 Sorten Wurst stellt Bernd Burchhardt in seinem Betrieb nach eigenem Rezept her, und zwar in Bio-Qualität. Darauf legt der 53-Jährige besonderen Wert: Dass nicht nur „bio“ draufsteht, sondern auch 100 Prozent „bio“ drinsteckt.

„Wir sind die einzige Bio-Fleischerei in Essen“, sagt Bernd Burchhardt. Seit 2006 unterziehe sich das Familienunternehmen einmal jährlich der strengen Zertifizierung. Unter anderem wird (unangekündigt) kontrolliert, ob das Verbot von Stabilisatoren, synthetischen Farbstoffen, Konservierungsmitteln und Geschmacksverstärkern eingehalten wird.

Transparenz vom Acker bis zum Produkt in der Theke

Die EU-Ökoverordnung als Regelwerk schaffe die notwendige Transparenz vom Acker bis zum Produkt in der Theke. „Das sichert uns bestes Fleisch und trägt direkt wie indirekt dazu bei, die natürlichen Ressourcen der Landbewirtschaftung in Balance zu halten, die besonders tiergerechte Haltung zu pflegen und unser traditionelles Fleischerhandwerk, das langsam ausstirbt, zu fördern“, sagt Burchhardt.

Das Stammgeschäft der Bio-Fleischerei befindet sich an der Rellinghauser Straße im Stadtteil Bergerhausen.
Das Stammgeschäft der Bio-Fleischerei befindet sich an der Rellinghauser Straße im Stadtteil Bergerhausen. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Eine Überzeugung, die er gegenüber seiner Kundschaft in den beiden Filialen (Bergerhausen, Kupferdreh) vertritt, die er aber auch von Kooperationspartnern einfordert: „Transparenz ist für mich das Wichtigste.“ Der Kunde und die Kundin, sagt Burchhardt, solle genau wissen, woher das Produkt komme.

Und der Fleischermeister will sicher sein, dass das in seinem Betrieb verarbeitete Tier wirklich alle Bio-Kriterien erfüllt – und auch die Schlachtung artgerecht erfolgt. Weshalb man schon seit langem mit dem Schlachthof Naturverbund Thönes in Wachtendonk am Niederrhein zusammenarbeite, informiert Burchhardt, der noch einen Schritt weiter gegangen ist.

Das Fleisch stammt von zertifizierten Höfen: Der Kunde und die Kundin, solle genau wissen, woher das Produkt komme, sagt Burchhardt.
Das Fleisch stammt von zertifizierten Höfen: Der Kunde und die Kundin, solle genau wissen, woher das Produkt komme, sagt Burchhardt. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Initiative „Das Weideschwein“ feiert Zehnjähriges

„Wir feiern Zehnjähriges“, sagt der 53-Jährige und meint die von ihm gegründete Initiative „Das Weideschwein“, die sich für artgerechtere Tierhaltung einsetzt. Eingebunden sind dabei Bauern und Verbraucher, die sich für mehr Tierwohl und bessere Fleischqualität einsetzen wollen und bereit sind, für Fleisch im Vergleich zur Discounterware mehr Geld zu bezahlen. Der Kreis der Unterstützer ist nach seinen Angaben mittlerweile auf rund 800 Menschen angewachsen.

Aber: Für eine artgerechte Haltung, die auch einer Bio-Zertifizierung entspricht, habe er bislang keinen unter jenen Essener Landwirten gewinnen können, die überhaupt noch Nutztierhaltung betreiben. „Das ist sehr schade. Aber für die Zertifizierung müssen bestimmte Kriterien erfüllt sein.“

Das Konzept: Die Initiative gebe die Pflege und Erzeugung von Weideschweinen bei regionalen Bauern in Auftrag und zahle für deren Aufwand einen angemessenen Preis. Diese Weidehaltung von Schweinen umfasse die weitestmöglich artgerechte Tierhaltung, die landwirtschaftlich umsetzbar sei. „Das ist das absolute Gegenmodell zur konventionellen Massentierhaltung. Die Schweine leben ab Geburt in Gruppen ganzjährig frei auf einer umzäunten Weide.“

Zertifizierte Höfe vom Niederrhein und aus Niederberg

Jeder Gruppe von Schweinen stehe eine transportable Hütte zur Verfügung, in der sie vor Hitze und Kälte geschützt sind. „Auch da muss genügend Platz sein.“ Wasser und Bio-Getreidefutter sowie Weidegras stehen auf der Speisekarte der Tiere.

Die Kreationen der in der eigenen Wurstküche in Bergerhausen hergestellten Produkte fußen auf traditionellen Rezepten, die schon Buchhardt Großvater angewandt hat.
Die Kreationen der in der eigenen Wurstküche in Bergerhausen hergestellten Produkte fußen auf traditionellen Rezepten, die schon Buchhardt Großvater angewandt hat. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Diese Kriterien erfüllten der Demeter-Hof Vorberg im Windrather Tal in Langenberg sowie ein Hof in Goch und einer in Kamp-Lintfort. „Ich würde mir, wie gesagt, wünschen, Essener Höfe wären dabei.“

Dass sich konventionelle Fleisch- und Wurstprodukte und Bioprodukte tatsächlich geschmacklich unterscheiden lassen, werde leider von vielen Verbraucherinnen und Verbrauchern erst mal per se bezweifelt. „Ich rate dann immer, zunächst konsequent auf Glutamat im Essen zu verzichten.“ Die Geschmacksnerven seien so sehr daran gewöhnt, dass sie sich erst auf Bioprodukte umstellen müssten. Aber dann stelle sich der Effekt ein, dass Biowurst und Bioschinken eben anders schmeckten.

Zurück zu den Anfängen: Erste Rezepte lieferte der Großvater

Die Kreationen der in der eigenen Wurstküche in Bergerhausen hergestellten Produkte fußten übrigens auf traditionellen Rezepten, die schon sein Großvater angewandt habe. Dieser betrieb in den 1930er Jahren eine Fleischerei in Thüringen, bevor er nach Essen übersiedelte. „Ich bin quasi zu den Anfängen zurückgegangen, als ich die Fleischerei meiner Eltern 1998 übernommen und auf Bio umgestellt habe.“ Denn chemische Zusatzstoffe habe man früher nicht gehabt. „Haltbar gemacht wurden die Produkte durch Trocknung, Salz und Räuchern. Und so halten wir es heute wieder.“

Mitglied der Slow-Food-Arbeitsgruppe

Regelmäßig finden Workshops in der Wurstküche der Bio-Fleischerei Burchhardt (Rellinghauser Straße 288) statt. Dabei werden unter anderem Nürnberger und Bärlauchgriller hergestellt. Die Termine sind der Homepage www.bio-fleischerei-burchhardt.de zu entnehmen.Für den 23. September ist außerdem ein Oktoberfest in der Fleischerei angekündigt. Es werden Fleischkäse und Weißwurst zur Verköstigung angeboten.Die Bio-Fleischerei gehört zum Netzwerk der Slow-Food-Arbeitsgruppe „Gute Lebensmittel im Revier“. Neben Bernd Burchhardt fühlen sich in Essen dieser Arbeitsweise u.a. die Troll Bio-Bäckerei und der ökologische Landbau mit Direktvermarktung von Günter Maas auf dem Mittelhammshof verpflichtet.

Dass Bernd Burchhardt die Familientradition fortführen würde, danach sei erst gar nicht so aus. Er ist von Hause aus Diplom-Ingenieur der Elektrotechnik und beschäftigte sich im Studium schwerpunktmäßig mit regenerativen Energien wie Wind- und Solarenergie. „Das ist knapp 30 Jahre her. Und anders als heute gab es kaum Arbeitsplätze für diese Fachrichtung“, berichtet er. Deshalb habe er sich damals entschlossen, in die Fleischerei seines Vaters einzusteigen, absolvierte die Ausbildung zum Meister – und krempelte den Betrieb um.

Zur Bio-Wurst gibt es den Öko-Strom

Zur Bio-Wurst gibt es inzwischen den Öko-Strom: Zuerst installierte er auf den Dächern seiner Läden Photovoltaik-Module. Später weitete er sein Engagement aus, bestückte Dächer von Schulen und Kitas und pachtete große Flächen von Firmen zur Solarstromerzeugung an. Inzwischen betreibt er 21 Anlagen in Essen und Umgebung.

Auf den Displays im Laden werden die aktuell produzierte Leistung, die Jahresleistung, die Gesamtleistung sowie der eingesparte CO2-Ausstoß angezeigt. „So kommt bei uns täglich – etwas literarisch ausgedrückt – die Sonne in die Wurst“, freut sich Burchhardt.

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