Essen-Bergerhausen. Beim Workshop in Bergerhausen wird die Kartoffel des Jahres gekürt. Teilnehmer erhalten Informationen und Rezepte zu alten Sorten.
- Der Verein Slow Food Essen hatte zum Kartoffel-Workshop eingeladen.
- In Bergerhausen ging es um historische Sorten.
- Teilnehmer durften kosten und bekamen Rezepte mit auf den Weg.
Gemüsesorten mit Geschichte liegen im Trend: Einen Workshop zum Thema „Alte Kartoffelsorten entdecken und retten“ haben der Verein Slow Food und der Ernährungsrat jetzt passend zur Jahreszeit veranstaltet. In Essen-Bergerhausen konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer alte Sorten wie Blauer Schwede oder Weinberger Schlosskipfler verkosten. Zudem wurde die Kartoffel des Jahres gekürt.
Die Titelträgerin wurde im Gemeindezentrum der Johanneskirche vorgestellt. Die Auszeichnung „Kartoffel des Jahres“ wird seit 2006 von einem Gremium aus Vertretern deutscher Umwelt- und Verbraucherverbände sowie landwirtschaftlicher Organisationen vergeben. 2019 hatte sich die „Quarta“ den Titel geholt, dann war zwei Jahre lang Pause. Juror Wilfried Stegmann war nun eigens aus dem niedersächsischen Bad Fallingbostel angereist und verkündete: „Kartoffel des Jahres ist die Agria.“ Eine vorwiegend festkochende, aromatische Kartoffel mit großen Knollen, geeignet für Chips, Pommes oder als Ofenkartoffel.
Essener Workshopteilnehmer testeten in Bergerhausen alte Kartoffelsorten
Die Workshopteilnehmer erfuhren viele Details rund um das Gemüse: In Deutschland werden rund 300 Kartoffelsorten angebaut. Zur Wahl stehen jeweils sechs, wie Diplom-Agraringenieur Stegmann erläuterte: „Dabei handelt es sich ausschließlich um Sorten, die älter als 30 Jahre sind oder aus bäuerlicher Züchtung stammen. Somit dürfen sie ohne Lizenzgebühren angebaut werden.“

Jeder solle seine Lieblingskartoffel haben, findet der Kartoffelexperte und wirbt für mehr Selbstbewusstsein: „Man kann alte Sorten erhalten, indem man sie im Handel verstärkt nachfragt. Verbraucher und Landwirte sollten entscheiden, welche Sorten angebaut werden, und nicht die Konzerne.“ Stegmann schwärmte von der Ur-Kartoffel aus den Anden: „Die Mama de la Papa.“ Eine blaufleischige Kartoffel, reich an Vitamin C und Nährstoffen. Man könne sich Kartoffelblüten ins Haar stecken: „So hat Marie-Antoinette ihren König Ludwig XVI. bezirzt.“ Und Wilfried Stegmann sieht durchaus Parallelen zum Wein: „Viel Sonnenschein wirkt sich sowohl auf Wein wie auch auf Kartoffeln positiv aus.“
Zwei Essener Lokale sind im neuen Slow-Food-Führer
Soeben ist der Slow-Food-Genussführer 2023/24 erschienen. Zwei Lokale aus Essen wurden aufgenommen: Kochschule und Restaurant „Lecker Werden“ von Patrick Jabs in Werden und das Restaurant „Rotisserie du Sommelier“ in Rüttenscheid. Dazu kommen das Restaurant „Mausefalle“ in Mülheim und neu das Bio-Landgasthaus Wegermann im Hattinger Wodantal.
Es ist das einzige biozertifizierte Restaurant in Westfalen. Dort feierte das Essener Convivium auch das 30-jährige Bestehen von Slow Food Deutschland und genoss ein Fünf-Gänge-Menü unter dem Motto „Westfälische Küche trifft badischen Wein“.
Dass sich der Verein Slow Food mit dem Thema Kartoffel befasst, kommt nicht von ungefähr. Slow Food ist die weltweite Gegenbewegung zum Fast Food: Lebensmittel sollen „gut, sauber und fair“ produziert werden. Den Verein gibt es seit 30 Jahren in Deutschland und seit 2010 auch in Essen. Man habe sich zum Kulturhauptstadtjahr gegründet, erklärte Manfred Weniger: „Wir sind eine von 80 Ortsgruppen in Deutschland und auch für Mülheim und Oberhausen zuständig.“
Essener Gruppe des Vereins Slow Food hat rund 170 Mitglieder
Die etwa 170 Mitglieder nehmen regelmäßig an Veranstaltungen zu politischen Themen teil: „Wir besuchen Bauern und Produzenten und diskutieren mit ihnen. Mit der handwerklichen Produktion unserer Nahrungsmittel können sie einen wichtigen Beitrag leisten für unsere Gesundheit, aber auch für eine ökologisch nachhaltige Umgestaltung der Gesellschaft. Dazu gehört auch die Erhaltung alter Nutztierrassen oder Gemüse- und Obstsorten.“
Die Slow-Food-Arbeitsgruppe „Gute Lebensmittel im Revier“ führte ein Netzwerk von Produzenten und Händlern zusammen, die sich dieser Arbeitsweise verpflichtet fühlen – darunter unter anderen die Bio-Fleischerei Bernd Burchhardt, die Troll Bio-Bäckerei und der ökologische Landbau mit Direktvermarktung von Günter Maas auf dem Mittelhammshof.

Für Slow Food Essen hatte ein Workshop rund um alte Kartoffelsorten auf der Hand gelegen. Vorträge über Eigenanbau, Vermarktung und kulinarische Möglichkeiten stimmten die Teilnehmer ein. Die Kartoffel-Verkostung erfolgte pur, mit Bio-Goldleinöl, Bio-Quark und Salz aus Natursole, um den Geschmack und die vielfältigen Unterschiede zu erfahren.
Neben der Siegerkartoffel Agria kamen die Sorten Angeliter Tannenzapfen, Blauer Schwede, Mayan Gold, Schwarze Ungarin und Weinberger Schlosskipfler aus Österreich auf den Teller. Die Teilnehmer lernten, dass es große Unterschiede in Form, Farbe und Geschmack gibt. Neben Informationen gab es auch Rezepte von Profiköchen zum Nachkochen.