Essen-Bergerhausen. Die Energiekrise befeuert das Interesse an Solarstrom: Der Essener Bio-Fleischer Bernd Burchhardt ist Experte, kann aber derzeit wenig helfen.
- Alle reden angesichts der Energiekrise über regenerative Energien.
- Bio-Fleischer Burchhardt produziert seit vielen Jahren Strom durch Sonnenlicht.
- Die Wünsche der Kunden kann er derzeit kaum erfüllen.
Im Winter droht Gasmangel, die Energiepreise steigen massiv: Viele Bürger machen sich derzeit Sorgen. Dass der Ausbau regenerativer Energien alternativlos ist, hat Bernd Burchhardt, Bio-Fleischer aus Essen-Bergerhausen, schon vor Jahren erkannt. Der studierte Elektrotechniker setzt selbst seit langem auf Solarenergie und vermittelt auch seinen Kunden entsprechende Anlagen. Doch derzeit muss er viele Interessenten enttäuschen.
Seit 15 Jahren engagiert sich Bernd Burchhardt in Sachen Photovoltaik. Das in elektrische Energie umgewandelte Sonnenlicht nutzt er für Wurstküche, Kühlräume und seine beiden Ladenlokale an der Rellinghauser Straße und am Kupferdreher Markt. Der 52-Jährige ist Diplom-Ingenieur der Elektrotechnik, beschäftigte sich im Studium schwerpunktmäßig mit regenerativen Energien wie Wind- und Solarenergie. „Als ich dann das Examen hatte, wollte kaum jemand Absolventen unserer Fachrichtung einstellen“, erzählt er.
Nach dem Studium stieg der Essener in den Fleischerei-Betrieb des Vaters ein
Deshalb habe er sich damals entschlossen, in die Fleischerei seines Vaters einzusteigen, absolvierte die Ausbildung bis zur Meisterprüfung und übernahm vor 22 Jahren den Betrieb, den er von konventioneller Produktion komplett auf Bio umstellte. Inzwischen hat Burchhardt 18 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. In der Corona-Zeit brummte das Geschäft, er stellte sechs zusätzliche Kräfte ein, musste inzwischen allerdings zwei davon wieder entlassen.
„In den beiden ersten Corona-Jahren mit den Zeiten des Lockdowns haben wir insgesamt 40 Prozent mehr Umsatz gemacht“, blickt Burchhardt zurück. Die Menschen hatten viel Zeit zu Hause, Restaurants und Kantinen waren geschlossen, man konnte wenig Geld ausgeben und wollte sich etwas Gutes tun, zum Beispiel mit gutem Essen. Hochwertige Lebensmittel wie Burchhardts Bio-Fleisch waren gefragt. Inzwischen hat der Bio-Fleischer allerdings mit dem gegenteiligen Trend zu kämpfen.
Längst sind Restaurants und Kantinen wieder geöffnet, viele Bürger haben ein Nachholbedürfnis in Sachen Urlaub und gleichzeitig Angst vor massiven Kostensteigerungen in fast allen Lebensbereichen. „Da wird oft am Essen gespart und wenn es Bio sein soll, nutzen viele die entsprechenden Angebote der Supermärkte“, vermutet der 52-Jährige, dessen Arbeitsschwerpunkt sich immer mehr verlagert.
Die Kundinnen und Kunden kaufen derzeit offenbar nicht nur Fleisch und Wurst bei Bernd Burchhardt. Viele blieben auch an der digitalen Anzeige stehen, auf der man im Laden die aktuelle Stromerzeugung durch die Solaranlage auf dem Dach ablesen könne.
Viele Kunden wollen Informationen zu Solaranlagen vom Essener Fleischer
„Viele fragen, was eine solche Anlage kostet, wann sie sich rechnet und ob sie eine solche auch bei sich zu Hause installieren könnten“, sagt Burchhardt. Früher habe er dann die Leute zu Hause besucht, sie beraten und den Kontakt zu Herstellern von Photovoltaik-Anlagen hergestellt. Über 50 Kunden hat Burchhardt auf diese Weise schon zu Ökostrom-Produzenten für den Hausgebrauch gemacht.
Derzeit stoße er aber an seine Grenzen. Die Aufgaben in Fleischerei und Geschäft habe er schon weitgehend delegiert, um mehr Zeit für das Thema Solarenergie zu haben. „Aber das wird immer komplizierter und aufwendiger, auch für Fachleute“, sagt Bernd Burchhardt. Er verstehe viele der politischen Entscheidungen bei diesem Thema nicht. Wenn man für regenerative Energien werben wolle, dürfe man die bürokratischen Hürden nicht immer weiter erhöhen. „Einiges könnte man viel einfacher gestalten und so die Menschen überzeugen, zum Beispiel Mini-Solaranlagen auf dem Balkon zu installieren“, sagt er. Auch der Abrechnungsmodus sei viel zu kompliziert.
Aktuell gebe es aber noch weitere Probleme. Für eine Solaranlage brauche man Module, eine möglichst leichte Unterkonstruktion aus Aluminium und die Wechselrichter, die den auf dem Dach erzeugten Gleichstrom in verwertbaren Wechselstrom umwandelten. „Derzeit ist das Material kaum zu bekommen, es gibt lange Wartezeiten für die Module, Alu-Gestelle und die Chips für die Wechselrichter fehlen.“ Da nütze es auch nichts, dass zum Beispiel die Module in den vergangenen Jahren im Prinzip deutlich preiswerter geworden seien.
Sonnige Dächer sind am besten geeignet
Je flacher man die Module auf dem Dach installiert, desto mehr bekommt man auf die Fläche, da sie sich nicht gegenseitig verschatten, erklärt der studierte Elektrotechniker Bernd Burchhardt.
Besonders gut geeignet für die Installation sind Dächer, die möglichst wenig von Nachbargebäuden oder Bäumen verschattet werden. Der Ertrag schwankt wetter- und jahreszeitbedingt.
Dass die Materialknappheit jetzt geplante Anlagen doch wieder verteuere, sei den Kunden nur schwer zu vermitteln. Zudem fehlten Fachkräfte wie Elektriker und Dachdecker. „Vor Jahren haben viele umgeschult, weil sie nicht gebraucht wurden. Heute fehlen sie und die Kunden müssen lange auf Termine warten.“
Bis vor einigen Jahren sei es gut gelaufen mit der Solarenergie, „dann wurde auf einmal alles schlecht geredet. Aber Solarenergie zu nutzen, lohnt sich nach wie vor, auch wenn sie nicht mehr wie früher gefördert wird und die Refinanzierung länger dauert“. Die Anlagen hielten 30 Jahre und länger, auch wenn sie am Ende vielleicht nicht mehr die volle Leistung brächten.
Die Anlagen befinden sich auch auf Firmen und öffentlichen Gebäuden
Der Essener hatte 2007 damit begonnen, zuerst auf den Dächern seiner Läden Module zu installieren. Später weitete er sein Engagement aus, bestückte Dächer von Schulen, Kindergärten und pachtete große Flächen von Firmen zur Solarstromerzeugung an. Auch das Bürgerhaus Oststadt und die von der Jugendhilfe genutzten Gebäude in der Nachbarschaft der Fleischerei sind inzwischen dabei.
Inzwischen betreibt Burchhardt 21 Anlagen in Essen und Umgebung, die nach seinen Angaben umgerechnet so viel Strom erzeugen, wie im Schnitt 300 Haushalte im Jahr verbrauchen. Am meisten lohne es sich, den größten Teil der so gewonnenen Energie selbst zu verwerten, statt sie ins allgemeine Stromnetz einzuspeisen und dafür eine Vergütung zu erhalten.
Für den Betrieb seiner beiden Läden verbraucht Burchhardt nach eigener Aussage rund 80 Prozent der dort erzeugten Energie selbst. „Wenn man Solar-Module auf dem Dach, der Garage oder dem Balkon hat, ist es sinnvoll, die Waschmaschine oder andere Geräte, die viel Strom benötigen, dann anzustellen, wenn gerade die Sonne scheint.“ Der Familienvater hofft auf eine größere Akzeptanz der regenerativen Energien in der Bevölkerung und in der Politik und ist sich sicher: „Wir könnten schon viel weiter sein.“