Essen-Bredeney. Zur Eröffnung des Bahnhofs „Hügel“ 1890 kam der Kaiser. Heute wirkt der S-Bahnhof vernachlässigt. Dabei hat er großes Potenzial.
Wer hier aussteigt, ahnt, dass der S-Bahnhof Hügel ein besonderer ist unter Essens Bahnhöfen. Die Züge halten direkt unterhalb der Villa Hügel. Hinter einem Flügel-Tor liegt der weitläufige Park des ehemaligen Anwesens der Familie Krupp.
Friedrich-Alfred Krupp hatte den Bahnhof eigens bauen lassen, um hohe Gäste auf dem Hügel zu empfangen. Die Anreise sollte ihnen so bequem wie möglich sein. Von der königlich-preußischen Eisenbahndirektion erhielt der Stahlbaron eine Ausnahmegenehmigung und die Erlaubnis, den Bahnsteig vom Hügelpark aus zu betreten. Ein Privileg, das erst später auch Familienangehörigen und Angestellten zugestanden wurde. Zur Eröffnung des Bahnhofs im Jahr 1890 reiste der deutsche Kaiser Wilhelm II. an. Weitere hohe Würdenträger sollten im Laufe der Jahre folgen.
Heute steigen an „Hügel“ keine Staatsgäste mehr aus, das Tor zum Hügelpark ist verschlossen. Meist sind es Ausflügler, die zum Baldeneysee wollen. Mit dessen Bau 1932/33 gewann der Bahnhof an Bedeutung. Seit 1968 ist der Haltepunkt Bestandteil des S-Bahnnetzes.
Anbindung ans Verkehrsnetz
Fahrgäste kommen an „Hügel“ mit der S 6 an. Es ist die einzige Linie, die dort hält. Die Züge verkehren werktags zwischen 6 und 20 Uhr im 20-Minuten-Takt zwischen Essen-Hauptbahnhof und Köln-Nippes. Wegen Bauarbeiten bis August 2023 fahren die Züge nur bis Langenfeld. Auf dem übrigen Streckenabschnitt pendeln Busse im Schienenersatzverkehr.
Am Fuße des S-Bahnhofs können Fahrgäste umsatteln aufs Leihfahrrad. An der Freiherr-vom-Stein-Straße oberhalb der Regattastrecke gibt es eine Leihstation des Metropolrads Ruhr. Sonst geht es nur zu Fuß weiter. Die von der Ruhrbahn 2010 als „Seelinie“ eingeführte Buslinie 181, welche an Wochenenden und Feiertagen von März bis Oktober zwischen Heisingen und Werden fuhr, wurde 2018 wieder eingestellt.
Fahrgastinformationen
Das Informationsangebot ist sehr überschaubar. Im Tunnel, durch den es zu den beiden Bahnsteigen geht, hängt ein Schaukasten mit dem Fahrplan und aktuellen Informationen, etwa zu Baustellen auf der Strecke. Auf den Bahnsteigen informiert die Bahn ihre Fahrgäste über digitale Anzeiger darüber, wann die nächste Bahn einfährt. Vor Wind und Wetter schützen Holzdächer, die jeweils etwa zwei Drittel der Bahnsteige überragen.
Komfort und Sauberkeit
An Komfort bietet „Hügel“ nur minimalen Standard. Auf jedem Bahnsteig gibt es zwei Sitzbänke mit jeweils vier Plätzen. Abfall können Fahrgäste in Mülleimern entsorgen, davon gibt es auf jedem Bahnsteig ebenfalls zwei. Bei unserem Besuch sieht der S-Bahnhalt sauber aus, nirgendwo liegt Müll herum. Von den Holzgeländern aber blättert die Farbe ab, Mauern sind mit Graffitis beschmiert, auch Tunnel und Treppenaufgänge könnten eine Generalüberholung vertragen. Der Gesamteindruck wirkt alles andere als kaiserlich. Nur die Dachkonstruktion erinnert noch an längst vergangene Zeiten.
Barrierefreiheit
Barrierefreiheit gibt es nicht, und das ist der große Nachteil des Bahnhofs „Hügel“. Am Fuße des S-Bahnhaltes haben Fahrgäste noch die Wahl zwischen einer steilen Treppe mit 55 Stufen und einem kurzen Umweg über die Zufahrt zum Hügelpark; kurz vor dem Tor knickt der Weg ab, er endet am Eingang zum Tunnel. Hinauf zu den Bahnsteigen geht es nur über Treppen. Eine Frau mit einem Säugling hat Glück, als sich ein freundlicher Helfer anbietet, der ihren Kinderwagen hinaufträgt.
Denn Aufzüge gibt es nicht und auch keine Schienen, auf denen Radfahrer ihren Drahtesel hinauf- oder hinunterschieben könnten. Die Stadt Essen hat die Bahn erst jüngst darum gebeten, solche zu installieren. Die Bahntochter Station & Service winkte ab: Zulässig seien „Radlaufhilfen“ nur bei Neubauten oder umfassenden Umbauten.
Auf Nachfrage der Redaktion erklärte ein Bahnsprecher, dass es darüber zwar Gespräche gebe, aber noch keine konkreten Pläne und auch keine Finanzierung. An diesem für Fahrgäste unbefriedigenden Zustand wird sich also offensichtlich so schnell nichts ändern.
Service
Service ist ein großes Wort. Am Bahnhof „Hügel“ beschränkt er sich auf einen Fahrkartenautomaten. Immerhin: Informationen über die Geschichte des Bahnhofs können Besucher einer Tafel am Eingang entnehmen. Bestens bedient werden Gäste in der ehemaligen Bahnhofsgaststätte, dem „Hügoloss“. Das Restaurant bietet neben griechischer Küche von der Terrasse eine wunderbare Aussicht auf den Baldeneysee. Der S-Bahnanschluss ist praktisch für alle, die ihr Auto stehenlassen wollen oder müssen.
Fazit
Der S-Bahnhof „Hügel“ bietet aufgrund seiner Lage zwischen Hügelpark und Baldeneysee großes Potenzial, das leider nicht ausgeschöpft wird. Es muss ja nicht gleich eine Fußgängerbrücke sein vom Bahnhof bis zum Regattaturm; eine gewagte Idee, die der Landschaftsarchitekt Andreas Kipar 2013 ins Spiel brachte und aus der wohl nie etwas werden dürfte.
Aufzüge zu den beiden Bahnsteigen sind aber ein Muss, schon Radlaufhilfen für Fahrradfahrer wären eine große Hilfe. Aktuell plant die Stadt an der Regattastrecke ein neues „Tor zum Baldeneysee“: eine neue Tribüne und wahlweise ein Parkdeck oder eine Parkpalette. Ein S-Bahnhof, der Fahrgästen Komfort und Barrierefreiheit bietet, dürfte so manchen Ausflügler animieren, aufs Auto zu verzichten und mit der Bahn anzureisen.
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