Essen. Das denkmalgeschützte Empfangsgebäude des Essener Südbahnhofs schmückt das Quartier. Der Haltepunkt gilt als verbesserungswürdig.
Berliner Vorstadtbahnhöfe dienten 1914 beim Bau des Essener Südbahnhofs als Vorbild. Während so mancher historische Essener Bahnhof in den Bombennächten des Zweiten Weltkriegs – oder später im Abrisswahn der sechziger und siebziger Jahre – von der Bildfläche verschwand, hat es der Bahnhof im Südviertel vor 34 Jahren sogar in die Denkmalliste der Stadt Essen geschafft. Denn er gilt als das beste Exemplar dieses Typs Vorstadtbahnhof. Fahrgäste betreten die alte Empfangshalle allerdings schon lange nicht mehr. Stattdessen lädt heute das Lokal „Holy Craft Süd“ mit 16 Biersorten vom Fass sowie handgemachten Pizzen, Salat-Bowls und Bier-Snacks zu einem gemütlichen Stopp ein.
Taktung
Das sagt der VRR
Der Verkehrsverbund Rhein Ruhr (VRR) stuft den Haltepunkt Süd im aktuellen Stationsbericht 2021 im Gesamturteil als „verbesserungswürdig“ ein. Ausschlaggebend dafür dürfte die ebenfalls mit „verbesserungswürdig“ bewertete Aufenthaltsqualität sein.
Als „hervorragend“ gilt die Fahrgastinformation, beim Kriterium „Barrierefreiheit“ gab’s ein grünes Symbol – soll heißen: „geringfügiger Handlungsbedarf“.
Weitere Infos zum VRR-Stationsbericht auf: vrr.de
Zu den beiden tiefliegenden Bahnsteigen 1 und 2 geht es über getrennte Treppen an der Rellinghauser Straße herunter. Das Zugangebot ist ziemlich übersichtlich. Denn hier verkehren seit 1974 nur die Züge der S-Bahnlinie S6 – und das aktuell im 20-Minuten-Takt (werktags zwischen 6 und 20 Uhr). Normalerweise pendeln die Züge zwischen Essen-Hauptbahnhof und Köln-Nippes, doch wegen Bauarbeiten bis August 2023 ist jetzt schon in Langenfeld Schluss. Für den übrigen Streckenabschnitt hat die Deutsche Bahn einen Schienenersatzverkehr eingerichtet. Interessant ist die Strecke für Nachtschwärmer, die samstags sowie sonntags und feiertags nach Düsseldorf wollen. Die S-Bahn fährt nachts stündlich.
Fahrgastinformation
Auf beiden Bahnsteigen gibt’s neben Digitaluhren jeweils Standard-Schaukästen mit Fahrplänen und aktuellen Fahrgastinformationen – etwa zu Baustellen und Schienenersatzverkehr. Weitere Schaukästen stehen oben an der Rellinghauser Straße an jeder Seite.
Anbindung an Bus, Tram, Leihfahrräder, Radwegenetz
Die so genannte Naturlinie 105 („Stadtnatur entdecken“) sorgt werktags im Zehn-Minuten-Takt für ein rasches Weiterkommen. Sie verbindet Frintrop (Haltestelle Unterstraße) und Rellinghausen (Haltestelle Finefrau). Die Haltestelle liegt mitten auf der Rellinghauser Straße. In unmittelbarer Nähe des Haltepunktes „Süd“ befinden sich mehrere Fahrradständer. Ein gutes E-Bike sollte man dort allerdings eher nicht abstellen. Vertrauenswürdiger sind da schon die sechs verschließbaren Fahrradboxen, die per Chipkarte über dein-radschloss.de reserviert werden können. Der Stand von Metropolrad Ruhr an der Susannastraße gab beim Check am Montagnachmittag (4.7.) ein tristes Bild ab: Fahrräder? Fehlanzeige!
Wer es bequemer mag, kann am Taxistand an der Richard-Wagner-Straße in ein Taxi steigen. Allerdings sagt ein Taxifahrer von Taxi Essen: „Früher war hier mehr los.“
Für jene, die ihr Fahrrad gerne im Zug mitnehmen, ist der Südbahnhof keine empfehlenswerte Adresse. Weder auf der Rellinghauser noch auf der Richard-Wagner-Straße gibt es eigene Spuren für Radfahrer. Wegen des hohen Verkehrsaufkommens ist die Fahrradnutzung auf diesen beiden Achsen sogar bedenklich.
Dominik Liebert wohnt in der Susannastraße direkt am Südbahnhof und weiß die gute Anbindung zu schätzen: „Ich fahre von hier aus täglich zu meiner Arbeit nach Kettwig und finde immer einen Sitzplatz. Leider fällt die S6 manchmal aus.“
Sauberkeit
Von den obligatorischen Graffiti abgesehen macht der Südbahnhof beim Testbesuch einen recht unauffälligen Eindruck. Auf beiden Bahnsteigen gibt es mehrere intakte Abfallkörbe, die regelmäßig geleert werden. Auf dem Bahnsteig direkt unter der Brücke fällt Taubendreck auf. Die DB unternimmt viel, um die Tiere zu vergrämen, aber an der Brücke haben die Tauben offenbar einen sicheren Platz zum Verweilen gefunden.
Service
Die Fahrscheinautomaten befinden sich auf den Bahnsteigen direkt unter der Brücke. Dank der belebten Rellinghauser Straße gibt’s in Bahnhofsnähe lauter nützliche Geschäfte, wie zum Beispiel einen Kiosk, zwei Bäckereien, eine Sparkasse und etliche Restaurants.
Die wohl beliebteste Adresse ist das helle Bahnhofsgebäude mit der alten Empfangshalle und den markanten Säulen. An warmen Sommertagen wirkt das Lokal (dienstags bis samstags 17 bis 24 Uhr) samt schattigem Biergarten besonders einladend.
Wartekomfort
Auf beiden Bahnsteigen gibt es ein gläsernes Wartehäuschen mit jeweils zwei Sitzbänken. Wer Schutz vor Regen oder Schnee sucht, ist auch unter der Brücke, die sich über beide Gleise spannt, gut aufgehoben.
Barrierefreiheit
Ein Aufzug würde den tiefliegenden Haltepunkt deutlich aufwerten. Allerdings ermöglichen die beiden langen Rampen auf jeder Bahnsteigseite auch Rollstuhlfahrern, Eltern mit Kinderwagen oder Menschen mit Handicaps den barrierefreien Zustieg.
Parkmöglichkeiten
Parkmöglichkeiten gibt es im näheren Umfeld des Südbahnhofs allenfalls am Straßenrand, etwa längs der Rellinghauser und Susannastraße. Park & Ride-Plätze: Fehlanzeige.
Subjektive Sicherheit
Die Bahnsteige sind bei Dunkelheit gut ausgeleuchtet. Allerdings könnte der Bereich unter der Brücke direkt neben den Treppen in den Abend- und Nachtstunden als Angstraum empfunden werden.
Fazit
Der Südbahnhof ist zwar barrierefrei angelegt, trotzdem wäre ein Aufzug ein Gewinn. Verbesserungen der Aufenthaltsqualität sind nicht in Sicht. Der Haltepunkt Essen Süd sei vor rund acht Jahren im Rahmen der Modernisierungsoffensive von Bahnhöfen modernisiert worden, sagt eine Bahnsprecherin. Aktuell lägen keine weiteren Planungen vor. Dass das alte Empfangsgebäude mit den markanten Säulen unter Denkmalschutz steht, schmückt den Stadtteil. Fahrgäste der S6 haben davon jedoch wenig. Schulnote: Befriedigend minus.