Essen-Kettwig. 63 Treppenstufen trennen die Gleise vom Rest der Welt: Der S-Bahnhof „Kettwig Stausee“ hat ein Barriere-Problem – auch für Fahrradfahrer.
Der Ortsteil Kettwig hat zwei Bahnhöfe. Es gibt den „Bahnhof Kettwig“ an der Ruhrtalstraße, und es gibt „Kettwig Stausee“ an der Werdener Straße. „Kettwig Stausee“ klingt schöner, nach regional beliebtem Ausflugsziel, nach Treffpunkt für Wanderer und Radler – aber da geht’s ja schon los: Vermeiden Sie es tunlichst, mit dem Fahrrad in „Kettwig Stausee“ auszusteigen!
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Was fährt hier?
Am Bahnhof „Kettwig Stausee“ hält allein die S-Bahn Linie 6 (S6), die das Ruhrgebiet mit dem Rheinland verbindet und zwischen Essen Hauptbahnhof und Köln Worringen verkehrt. Immerhin fährt sie wochentags alle 20 Minuten, samstags und sonntags halbstündlich.
Wer am „Kettwig Stausee“ aussteigt, hat außerdem die Möglichkeit, den Bus zu nehmen, die Linie 772 pendelt zwischen dem Kettwiger Markt und Heiligenhaus.
Hunger und Durst?
Schwierig. In Sichtweite an der Werdener Straße ist kein Kiosk in Sicht. Automaten für Getränke oder Snacks gibt es am Bahnsteig auch nicht.
Atmosphäre
Der Bahnhof „Kettwig Stausee“ liegt an der Werdener Straße neben den drei großen Hochhäusern, die früher mal zum Bestand der Bundesbahn gehörten. Beim Vorbeifahren übersieht man diesen Bahnhof leicht. Anders als „Kettwig Bahnhof“ hat er kein repräsentatives Gebäude an den Gleisen; stattdessen gibt es einen unwirtlichen Treppenaufgang und zugewucherte Fahrradboxen.
Bei unserem Ortsbesuch macht die gesamte Anlage einen durchwachsenen Eindruck. Einerseits ist der Bahnhof sauber und komplett frei von Graffiti. Selbst der kurze Tunnel, durch den Fußgänger hindurch müssen, ist zwar alt, und die Farbe blättert hier und da ab – aber: Es gibt keine Schmierereien, und es riecht nicht nach Fäkalien. Die Neonröhren funktionieren, das helle Weiß an der Wand macht den Ort einigermaßen erträglich.
Auch die Mülleimer quellen nicht über, und das Wartehäuschen zwischen Gleis 1 und 2 ist ebenfalls sauber. Spuren an Glas und Wand verraten, dass hier schon öfter die Oberflächen gereinigt wurden, und der einzige Vandalismus, der an diesem Tag zu sehen ist, ist irreparables Gekratze auf den Scheiben.
Der Bahnhof stammt von 1945, aus diesem Jahr sind vermutlich die Treppenstufen, die vor sich hin bröckeln – viele von ihnen wurden mittlerweile mit verzinktem Riffelblech verkleidet. Das sieht zwar nicht sonderlich schön aus, ist aber zweckmäßig – stabil und rutschfest.
Barrierefreiheit
Das größte Problem dieses Bahnhofs. Zwischen Bahnsteig und dem Rest der Welt liegen 63 Treppenstufen. Kein Aufzug, keine Rampe, und selbst eine schmale Metallschiene, die man mittlerweile an vielen öffentlichen Treppen für Radler angebracht hat, damit sie ihr Vehikel schieben können - sie fehlt. Das macht diesen Haltepunkt völlig unmöglich für Fahrradfahrer, die zum Stausee beziehungsweise an die Ruhr wollen. Schwere E-Bikes die 63 Stufen hochzuwuchten, ist völlig undenkbar – und selbst normale Fahrräder, ohne Motor, bekommt man hier nur unter größten Anstrengungen zum Zug getragen.
Halten wir also fest: Menschen mit Gehbehinderungen, Fahrradfahrer, selbst einfach nur ältere Menschen mir altersbedingten Bewegungs- oder Konditionsschwierigkeiten haben es an diesem Bahnhof schwer. Damit schließt er einen erheblichen Teil der Bevölkerung aus. Ein echtes Problem.
Selbst Laien, die das Gelände in Augenschein nehmen, erkennen schnell: Durch die Hanglage ist es vermutlich schwierig bis unmöglich, hier einen Aufzug zu installieren. Weil der Haltepunkt nur von einer Bahnlinie angefahren wird, rechnet sich wahrscheinlich schon die kleinste Umbaumaßnahme nicht.
Fazit
Der Bahnhof ist alt, wird aber erkennbar regelmäßig gepflegt. Der Zustand könnte schlimmer sein. Doch weil er nicht barrierefrei ist und das auch sicherlich auf absehbare Zeit nicht wird, schließt er große Bevölkerungsgruppen von vornherein aus. Schade, angesichts seiner Lage in der Nähe des Ruhrufers.