Essen. Das Schauspiel Essen plant elf Premieren für die Spielzeit 2021/22, viele Produktionen sind seit Monaten in der Warteschleife. Eine Übersicht.
„Alles bleibt anders.“ Selten hat das Motto eine Theaterspielzeit wohl besser in die Zeit gepasst. Die Pandemie hat viele Gewissheiten in Frage gestellt, auch im Schauspiel Essen. Heute schon zu sagen, was im Mai 2022 auf dem Spielplan steht – diese Sicherheit kann in Corona-Zeiten keiner mehr geben. Das Schauspiel Essen startet deshalb mit gleich drei Programmheften in die Spielzeit 2021/22, die jeweils auf einen bestimmten Zeitabschnitt blicken und möglichst aktuell auf das Pandemiegeschehen reagieren möchten.
Es geht um Flucht, Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung
„Was geht“, das sind erst einmal Produktionen, die zum Teil schon seit Monaten unter den geltenden Hygiene-Schutzvorgaben geprobt oder zumindest vorbereitet worden sind. Brechts bereits 2020 geplantes „Greuelmärchen“ mit Musik ,„Die Rundköpfe und die Spitzköpfe oder Reich und reich gesellt sich gern“, soll am 10. September nun endlich die Spielzeit eröffnen. Regie führt Hermann Schmidt-Rahmer, der am 17. September mit der Bühnenfassung des Steinbeck-Romans „Früchte des Zorn“ gleich eine zweite, aus der vergangenen Spielzeit herübergerettete und bereits als Stream präsentierte Arbeit im Grillo-Theater abliefert.
Beide Inszenierungen dürften sich wie bei Schmidt-Rahmer üblich auch pointiert mit der aktuellen politischen Lage auseinandersetzen – ob es dabei nun um Ausgrenzung und Fremdenfeindlichkeit wie bei Brecht geht oder um den Zusammenhang von Fluchtbewegungen und Naturkatastrophen wie bei Steinbeck. Und obwohl die Spielzeit 21/22 vor allem aus Produktionen besteht, die schon länger in der Warteschleife sind, seien manche davon angesichts der aktuellen Situation „fast noch zwingender“, findet Schauspiel-Intendant Christian Tombeil.
Vom Buch auf die Bühne: Texte von Jonathan Safran Foer und Nino Haratischwili
So gebe das Thema Isolation auch einem modernen Klassiker wie Becketts „Endspiel“ einen „neuen Sound“, sagt Dramaturgin Carola Hannusch. Das existenzielle Stück um die traurigen Clowns Hamm und Clov inszeniert Gustav Rueb, der am Schauspiel Essen bereits mehrfach Regie geführt hat ebenso wie Karsten Dahlem, dessen grandiose Klassikerinszenierung von Goethes Werther vielen Zuschauern eine Eins plus mit Sternchen wert war. Mit Lessings Toleranz-Plädoyer „Nathan der Weise“ soll aus einer Pflichtlektüre für Schüler wiederum ein mitreißender Theaterabend mit Live-Musik nicht nur fürs jugendliche Publikum werden.
Der Spielplan im Überblick
„Die Rundköpfe und die Spitzköpfe oder Reich und reich gesellt sich gern“, Premiere: 10. 9., Grillo-Theater Regie: Hermann Schmidt-RahmerFrüchte des Zorns, Premiere: 17. 9., Grillo-Theater, Regie: Hermann Schmidt-RahmerEndspiel, Premiere 25. 9., Casa, Regie: Gustav RuebDer Zauberer von Oz, WA: 23. 10. Grillo-Theater, Regie: Anne SpaeterDer Mann, der eine Blume sein wollte, Premiere: 24. 10., Casa, Compagnie toit végétal Arbeiterinnen/Pracujace kobiety“, Essener Premiere: 30. 10., Grillo-Theater, Regie: Julia Roesler (werkgruppe 2)AufRuhr, Uraufführung: 17. 12., Grillo-Theater, Regie: Volker LöschNathan der Weise, Premiere: 18. 12., Casa, Regie: Karsten DahlemExtrem laut und unglaublich nah, Premiere: 4. 3. 2022, Casa, Regie: Thomas LadwigDas achte Leben (Für Brilka), Premiere im Mai 2022, Grillo-Theater, Regie: Elina FinkelEine Inszenierung von Regieassistent Zafer Tursun folgt im Mai 2022.
Als Mann für literarische Großtaten hat sich Regisseur Thomas Ladwig im Grillo-Theater mehrfach empfohlen. Seine Bühnenadaption von Jonathan Safran Foers „Alles ist erleuchtet“ brachte ihm eine Nominierung als bester Nachwuchsregisseur ein, im März 2022 soll Ladwig mit „Extrem laut und unglaublich nah“ ein weiteres Foer-Werk auf die Bühne bringen, das vom Terroranschlag aufs World Trade Center 2001 und eine große persönliche Odyssee erzählt.
Auf die wechselvolle Geschichte Georgiens blickt Autorin Nino Haratischwili in ihrem Roman „Das achte Leben (Für Bilka), das im Mai 2022 in der Regie von Elina Finkel Premiere haben soll. Die Regisseurin hat sich mit Marius von Mayenburgs „Der Stein“ bereits als Expertin für komplexe Familienaufstellungen und ihre Geheimnisse empfohlen. Haratischwili bringt Schicksale aus gleich sechs Generationen zusammen.
Das dokumentarische Porträt „Arbeiterinnen / Pracujace kobiety“, das in Zusammenarbeit mit den Ruhrfestspielen entstand, kommt Ende Oktober als Theaterfilm mit Live-Musik auf die Bühne. Ebenfalls mit viel Filmmaterial arbeitet die Produktion „AufRuhr“, ein Projekt von Regisseur Volker Lösch, Christine Lang und Ulf Schmidt, das sich mit dem Ruhraufstand 1920 beschäftigt und dabei die konkrete lokale Verortung sucht.
Endlich wieder Programm für Kinder und Jugendliche
Kinder und Jugendliche haben die Folgen der Pandemie besonders hart getroffen. Auch die Theaterpädagogik am Schauspiel Essen musste Corona-bedingt zahlreiche Projekte auf Eis legen. Das interaktive Entdeckungsformat „Look at me. Schau mich an“ soll aber baldmöglichst als mobile Produktion für Kitas buchbar sein. Das Theater in die Schule zu bringen, gelingt mittlerweile auch dank VR-Brille in der Virtual-Reality-Fassung von „Der Reichsbürger“.
Live und in Farbe wollen sich die kleine Dorothy samt Blechmann, Löwe und Vogelscheuche ab Oktober dann wieder auf den Weg zum „Zauberer von Oz“ machen. Das große Familienstück war 2020 bereits als Wiederaufnahme geplant, nun soll es klappen. Mit Bildern, Musik, Klängen und Geräuschen arbeitet die Formation compagnie toit végétal in ihrer Live-Film-Performance „Der Mann, der eine Blume sein wollte“.
Der Jazz-Pott 2021 geht an Trompeter John-Dennis Renken
Im Schauspiel-Programm ist immer auch Musik drin – zumindest wenn die Reihe „Jazz in Essen“ wie geplant am 19. September wieder mit der Verleihung des „Jazz Pott“ an John-Dennis Renken starten kann. Auf einen Neustart hoffen auch Veranstaltungsreihen wie der „Politische Salon Essen“, die Reihe „Lesart“ oder die beliebe Klassik-Lounge.
Noch jedenfalls wird mit Abstand, Maske und vor reduzierter Zuschauerzahl gespielt und Intendant Christian Tombeil geht davon aus, „dass uns die Aha-Regeln noch bis tief in den Herbst begleiten.“ Genügend coronakompatibel inszenierte Stück seien erst einmal vorrätig.
Überhaupt will man den Kartenvorverkauf mit Blick auf das Pandemiegeschehen erst Anfang August starten, Tickets können zunächst unverbindlich vorbestellt werden (www.theater-essen.de). Festplatz-Abonnements wird es in der kommenden Spielzeit nicht geben, dafür werden Vorstellungspakete fürs Publikum geschnürt.