Essen. . Im Glanz der Erkenntnis von Jonathan Safran Foer: Regisseur Thomas Ladwig hat die komplexe Roman-Vorlage “Alles ist erleuchtet“ am Schauspiel Essen zu einer klugen, kurzweiligen und mitreißenden Theater-Fassung verdichtet.

Alles ist verschüttet am Anfang dieses Abends: Die Vergangenheit, die Erinnerungen, die Familiengeschichte scheinen begraben unter diesem riesigen Geröllberg, der sich in der Casa des Schauspiels Essen türmt. Aber bald funktioniert der Berg wie eine Brücke, auf der sich das Ensemble leichtfüßig und ungemein spielerisch zwischen Zeit und Raum, rasanten Rollenwechseln und Stimmungsumschwüngen bewegt.

Und genau das will „Alles ist erleuchtet“ auch sein, dieser für das Theater nun schon mehrfach adaptierte Roman von Jonathan Safran Foer: eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart mit vielen Pfeilern aus Fantasie. Regisseur Thomas Ladwig hat die komplexe Vorlage aus hintersinniger Humoreske und bewegender Holocaust-Erinnerung zusammen mit Dramaturgin Jana Zipse zu einer klugen, kurzweiligen und mitreißenden Theater-Fassung verdichtet, die vom Premieren-Publikum stürmisch gefeiert wurde.

Schelmenstück und Erinnerungsreise

Schelmenstück, Geschichtsdrama und fantastische Erinnerungsreise, all das ist Foer 2005 in seinem hochgelobten Debütroman gelungen. Darin schickt er sein Alter Ego mit dem hemdsärmeligen ukrainischen Fremdenführer Alex und dessen vor Trauer blinden Großvater auf eine Reise in die Ukraine. Jonathan will den Wurzeln seiner Familie nachspüren und die Frau finden, die seinen Opa einst vor den Nazis rettete. Was er findet ist – erst mal nichts. Opas damaliges Schtetl wurde dem Erdboden gleich gemacht, die jüdische Bevölkerung ausgelöscht. Und doch findet und erfindet er Menschen, Spuren, Geschichten, die diese Vergangenheit wieder lebendig machen.

Dass diese hochemotionale Berg-und-Talfahrt zwischen irrwitziger Komik und tiefer Traurigkeit so gut funktioniert, ist zum einen Rezo Tschchikwischwili zu verdanken, auf den die Rolle des grantigen Großvaters gewartet zu haben scheint. So urkomisch, wie er gegen den ahnungslosen Amerikaner poltert und pöbelt, so intensiv rührt er das Publikum am Ende zu Tränen. Und wie die Begegnung von Jan Pröhls intellektuell abgeklärtem Jonathan und Nico Links bauernschlauem Odessa-Casanova nicht nur bei der Frage von Fleisch oder Nicht-Fleisch für schönste Missverständnisse sorgt, das hat Sprachwitz und Situationskomik. Während Janina Sachaus feenzarte Brod erfahren muss, dass die Vorstellung von Liebe am unversehrtesten bleibt, wenn man sie im Schutz einer Holzwand praktiziert. Und Jens Winterstein auch in der Karikatur noch Würde findet.

Licht, Musik und ungeheure Spiellust

So überbordend fantastisch und bezaubernd verrückt ist die Romanvorlage, dass man ihr nicht mit realistischen Ausstattungs-Mitteln beikommt (Bühne: Ulrich Leitner), sondern mit Licht, Musik und ungeheurer Spiellust. „Alles ist erleuchtet im Licht der Vergangenheit.“ Am Ende sogar der Berg.