Essen. . Theater mit Blechmann, Vogelscheuche und einem rappenden Löwen: Das Familienstück „Der Zauberer von Oz“ sorgt für Begeisterung im Grillo-Theater.
Um Freunde zu finden, so wollen es die sozialen Medien uns heute glauben machen, braucht es eigentlich nur ein paar Klicks. Dass gute Kameraden mehr miteinander teilen müssen als ein paar Posts, sondern echte Erlebnisse, das hat der Amerikaner Lyman Frank Baum im Kinderbuchklassiker „Der Zauberer von Oz“ beschrieben und seine kuriose Clique vor über 100 Jahren auf eine abenteuerliche Reise ins Reich Oz geschickt. Dort verbünden sich eine wissensdurstige Vogelscheuche, ein nach Herzklopfen gierender Blechmann und der Löwe ohne Courage mit der kleinen Dorothy, um gegen böse Hexen, fliegende Affen, aber auch mit den eigenen Dämonen zu kämpfen. Im Grillo-Theater hat Regisseurin Anne Spaeter die Story nun ausgesprochen liebevoll mit Musik, leisem Humor und magischen Bildern in Szene gesetzt.
Onkel Henrys Hütte fliegt über den Publikumsköpfen
Wie leergefegt wirkt die große Grillo-Bühne am Anfang. So als hätte der tosende Wind von Kansas schon ganze Arbeit geleistet. Aber dann wackeln die Wände von Onkel Henrys Hütte erst richtig, und die Inszenierung hebt buchstäblich ab. Ein Minihaus schwebt über den Köpfen der Zuschauer, um die kleine Dorothy -- zackbumm - im nächsten Moment auf der bösen Hexe des Ostens notlanden zu lassen. Baums Kinderbuchklassiker ist nicht zimperlich mit Bedrohungen und furcheinflößenden Schreckmomenten. Aber Spaeters flotte und kindgerechte Inszenierung betont vor allem das harmonische Teambuilding dieser ungleichen Reisegruppe, die sich unter den schillernden Bühnenbögen (Bühne: Fabian Lüdicke) in Gang setzt.
Der Löwe hat seinen ganz großen Auftritt
„Over the Rainbow“ hat Judy Garland in der weltberühmten Filmfassung von 1939 gesungen, aber Dominik Dittrich hat auch keine schlechten Songtexte für das Stück geschaffen. Wenn die Vogelscheuche (als herrlich trotteliger Tramp: Gregor Henze) ihr tristes Acker-Amt quittiert, um sich mit Dorothy zu verbünden, dann wird ein blitzsauberer Countrysong mit Banjo und Geige angestimmt. Und beim Blechmann-Blues möchte man das Ölkännchen schon selber zur Hand nehmen, um dem scheppernden Kerl (mit viel Schmelz im Metall: Michael Del Coco) sein Lebenselixier einzuträufeln. Der triumphalste Auftritt aber gehört dem Löwen, den Stefan Diekmann dermaßen cool als handzahmen Beasty-Boy auf die Bühne rappt, dass man den Eindruck bekommt, Las Vegas könne nur ein öder Vorort von Oz sein.
Die hoch beweglichen „Lounge Wizards“ mit Dominik Dittrich und Benjamin Leibbrand an unzähligen Instrumenten setzen immer wieder überraschende Akzente, auf und neben der Bühne. Ansonsten bleibt Spaeters Bühnenfassung eng an der Vorlage, Aktualisierungen gibt es keine, auch wenn dieses Mutmach-Märchen über die Jahrzehnte schon zigfach politisch und allegorisch neu gedeutet wurde. Sprachlich gibt sich die Inszenierung modern, ohne zwanghaft modisch zu klingen. Auch Julia Friedes Dorothy ist alles andere als ein Girlie. Frisch und mitreißend quirlig, aber ohne jede aufgesetzte Naivität lotet sie ihre Figur zwischen forschem Vorwärtsdrang und sanftem Nachhausewollen aus. Herrlich wandlungsfähig auch Sabine Osthoff, die mit riesigem Strickliesel-Hut als gute Hexe so feenhaft flöten kann, wie sie als böse Hexe Gift und Galle spuckt.
Die roten Schuhe bringen sie wieder zurück
So ist der gemeinsame Weg denn fast schon das Erkenntnis-Ziel auf diesem spannenden Selbstfindungs-Trip. Dass der Zauber von Oz eigentlich nur ein harmloser alter Betrüger ist, den Rezo Tschchikwischwili noch mit ein paar Zaubertricks adelt, lässt sich da leicht verschmerzen. Mut, Herz und Verstand hat da längst jeder einzelne in sich selber gefunden. Und dass man manchmal nur das richtige Schuhwerk braucht, um seinen eigenen Weg zu finden, das lernt Dorothy auch, wenn sie am Ende einfach die roten Hacken zusammenschlägt, um wieder in der grauen Realität zu landen.
Familienstück läuft noch bis Februar
Das Familienstück „Der Zauberer von Oz“ ist noch bis Februar 2019 im Grillo-Theater zu sehen. Insgesamt sind 42 Vorstellungen vorgesehen, 14 für Familien und 28 für Schulklassen. Ein Großteil der Termine schon ausgebucht.
Als wahre Verwandlungskünstler präsentieren sich auf der Bühne Aless Wiesemann und Linus Twardon. Sie übernehmen zahllose Nebenrollen, sind als Mampfer, Apfelbäume und als fliegende Affen zu erleben.