Essen. Personalentscheidungen bei der Essener Theater und Philharmonie stiften Unruhe: Nichtverlängerung von Theater-Chef Tombeil besorgt das Ensemble.
Großes Stühlerücken bei der Theater und Philharmonie: Nach dem vorzeitigen Wechsel von Aalto- und Philharmonie-Chef Hein Mulders ans Kölner Opernhaus werden nun auch alle weiteren wichtigen Leitungspositionen in den kommenden zwei Spielzeiten neu besetzt. In Essen dreht sich das Personalkarussell nach dem unfreiwilligen Abschied von Geschäftsführer Berger Bergmann 2020 damit munter weiter.
Während der Vertrag von Ballett-Chef Ben Van Cauwenbergh (63) in der Spielzeit 2023/24 altersbedingt endet, gibt es für Generalmusikdirektor Tomáš Netopil (45) und Schauspielintendant Christian Tombeil (56) zum Ende der Spielzeit 2022/23 keine weitere Vertragsverlängerung. Der Theaterchef reagierte auf die Entscheidung am Freitag mit Bedauern. Vor allem beim Schauspiel-Ensemble hat die Entscheidung des Aufsichtsrats der Theater und Philharmonie aber Unruhe und Besorgnis ausgelöst. Nachdem die Corona-Pandemie die Bühnen-Arbeit über Monate unmöglich gemacht hat, fürchtet man nun mit dem Vertragsende des Intendanten auch um die eigene berufliche Zukunft.
„Tabula rasa soll vermieden werden“
Der TuP-Aufsichtsrat ist bemüht, die Mitarbeiter-Sorgen zu zerstreuen. Man sei gewillt, die Mitglieder des Opern- und Schauspielensembles sowie der Ballettcompagnie mit Verantwortung in der anstehenden Phase des Übergangs zu begleiten. „Tabula rasa, wie bisweilen an Theatern noch verbreitet, soll vermieden werden“, betont die Aufsichtsrats-Vorsitzende Barbara Rörig. „Ein Wechsel des Intendanten bedeutet nicht mehr automatisch den Wechsel des Ensembles“, sagt auch Kulturdezernent Muchtar Al Ghusain. Man sei vielmehr daran interessiert, solche tradierten, hierarchischen Führungsformen abzubauen und habe dem Ensemble signalisiert, es in die Debatten, auch über die Frage der Intendantennachfolge, einbinden zu wollen.
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Zwar habe es am Tag der Aufsichtsratsentscheidung noch eine Gesprächseinladung gegeben, zu diesem Zeitpunkt seien die Würfel aber längst gefallen, heißt es aus den Reihen des Ensembles. In einem Brief an den Aufsichtsrat hatten sich die Schauspieler im Vorfeld dabei noch einmal für eine weitere Zusammenarbeit mit Tombeil ausgesprochen und auf die Erfolge der vergangenen Jahre hingewiesen. Die Ausstrahlung in die Stadtteile, innovative Bürgerprojekte und zahlreiche Angebote für Jugendliche und Senioren gelten als Ausweis der zukunftsweisenden Ausrichtung.
Aufsichtsrat will die Weichen für die nächste Dekade stellen
Auch nach Angaben von Kulturdezernent Muchtar Al Ghusain gibt es „keinerlei Kritik an der Arbeit“ des amtierenden Schauspiel-Chefs, nach über zehn Jahren sei man allerdings an dem Punkt, die Weichen für die nächste Dekade stellen zu müssen.
Während die Personalentscheidung im Schauspiel für Debatten sorgt, scheint der anstehende Wechsel an der Spitze der Essener Philharmoniker eher lautlos über die Bühne zu gehen. Man blicke auf eine gute und erfolgreiche Zusammenarbeit zurück, freue sich aber auch auf neue Impulse, heißt es aus den Reihen des Orchesters. Dass man sich von einem künftigen Orchesterchef oder einer Orchesterchefin wieder mehr Präsenz, ein stärkeres administratives Wirken und wohl auch eine engere persönliche Bindung ans Orchester wünscht, gilt als ausgemacht. Der Vertrag Netopils sieht nur eine bestimmte Anzahl von Konzert- und Opern-Dirigaten vor, für die der GMD eher wie ein Gastdirigent regelmäßig anreist.
Personalsuche könnte zur Herkulesaufgabe werden
All diese wichtigen Positionen in ein bis zwei Jahren nun adäquat zu besetzen, gilt manchem Kenner der oft auf Jahre im Voraus planenden Szenerie allerdings als Herkulesaufgabe. Eine, die der TuP-Aufsichtsrat zumindest für die neue Opernleitung im Alleingang stemmen will. Galt es bislang als üblich, Findungskommissionen auch mit externen Fachleuten zu besetzen, kümmert sich die Essener Abordnung derzeit um die Nachfolge des scheidenden Opern- und Philharmonie-Chefs Hein Mulders.
Kulturdezernent Al Ghusain, der die Kommission mit drei weiteren Mitgliedern aus dem TuP-Aufsichtsrat und Betriebsratschef Adil Laraki anführt, sieht darin kein Problem. Er halte es eher für eine falsche Zurückhaltung und Unsicherheit der Politik, sich auf externen Sachverstand zu berufen und die Suche nicht selber mit Selbstbewusstsein anzugehen. Für die Mulders-Nachfolge hätten sich bislang mehr als 50 Anwärter gemeldet, man sei mit Kandidaten und Kandidatinnen aus fünf Ländern im Gespräche. Dass das Pendel am Ende eher in Richtung weibliche Kandidatin ausschlagen dürften, gilt als wahrscheinlich. Die Frage der Geschlechtergerechtigkeit werde bei künftigen Besetzungen natürlich eine Rolle spielen, sagt Al Ghusain. Das sei „ein hoher Anspruch“.