Essen. Hein Mulders, Doppelintendant für Aalto und Philharmonie, wechselt nach Köln. Essener Kulturpolitik reagiert mit Überraschung und Bedauern.
Als Hein Mulders 2016 seinen Vertrag als Doppel-Intendant von Aalto-Theater und Philharmonie Essen bis 2023 verlängert hat, da hat der Niederländer noch einmal betont, kein „Job-Hopper“ zu sein. Fünf Jahre seien nicht genug, viele Früchte der Arbeit seien erst in der zweiten Amtszeit einzufahren. Vermutlich wäre der 58-Jährige auch noch länger in Essen geblieben. Pläne für die Zeit nach ‘23 sollen schon in der Schublade gelegen haben. Doch das Angebot aus Köln war am Ende einfach zu verlockend. Ab der Spielzeit 2022/23 soll Mulders dort als Nachfolger von Birgit Meyer die Kölner Oper leiten.
Essens Kulturpolitiker wurden von Mulders Entscheidung überrascht
Wie zu vernehmen war, hat der Hauptausschuss der Domstadt den Vorschlag der Findungskommission am Montagabend mit großer Zustimmung angenommen. Der Kulturmanager müsste sich damit ein Jahr früher als geplant aus Essen verabschieden. Sollte der Aufsichtsrat der Theater und Philharmonie (TuP), der am Donnerstag tagt, einem Aufhebungsvertrag zustimmen. Essens Kulturpolitiker zeigten sich am Dienstag unisono überrascht von Mulders Entscheidung.
Das Problem: Der nach der Kommunalwahl 2020 in großen Teilen neu zusammengestellte Aufsichtsrat muss in nächster Zeit einen ganzen Strauß von wichtigen Personalfragen lösen, da fast alle wichtigen Leitungsfunktionen der TuP 2023 auslaufen. Pandemie-bedingt hat es bislang aber kaum Zusammentreffen gegeben, geschweige denn richtungsweisende Entscheidungen. Nun wird das Thema Intendanz zwangsläufig dringender auf die Agenda rücken.
Aufsichtsrat der TuP will die anstehenden Personalfragen „völlig unaufgeregt“ angehen
„Ich bedaure, dass uns Hein Mulders in dieser Zeit verlässt“, sagt die TuP-Aufsichtsrats-Vorsitzende Barbara Rörig. Mit seinen Spielplänen der letzten Jahre, aber auch mit seinem Nach-vorne-Denken in Sachen Digitalisierung habe Mulders gezeigt, „dass er eine starke Bank der TuP ist“. Dennoch sei man in Bezug auf die anstehenden Personalfragen „völlig unaufgeregt. Man werde die künftige Ausrichtung in Ruhe beraten. „Wir sind auf dem Weg in eine neue TuP“, sagt Rörig.
„Wir sind mittendrin in diesem Prozess“, erklärt auch Kulturdezernent Muchtar Al Ghusain. Wie Barbara Rörig zeigt sich auch der Beigeordnete „überrascht“ vom Wechsel des Intendanten, mit dem sich offenbar auch noch eine längerfristige Zusammenarbeit hätte vorstellen können. „Wir waren in Gesprächen.“ Mulders Weggang sei „schade für Essen“. Allerdings sei Essen ein so interessanter Theaterstandort, dass es an interessanten Kandidatinnen und Kandidaten nicht mangeln dürfe. Durch die kurzfristige Entscheidung sei nun aber Zeitdruck in einen Prozess gekommen, der seine Abstimmungsabläufe brauche, sagt Al Ghusain. Dabei gehe es auch um grundlegende Führungsfragen, die derzeit auch bundesweit diskutiert würden. „Ich möchte engagiert in diesem Dialog dabei sein und der Politik auch Vorschläge machen können“, sagt Al Ghusain.
Hein Mulders: „Ich bin ein Opernmensch, das ist meine Expertise“
Wie viel Umbau ein Stadttheater verträgt, war zuletzt auch in Köln heiß diskutiert worden. Die für viele überraschende Nicht-Verlängerung der bisherigen Opern-Intendantin Birgit Meyer hatte für einigen politischen Ärger gesorgt. Die Deutschsprachige Opernkonferenz hatte in einem offenen Brief an Oberbürgermeisterin Henriette Reker sogar vor den Gefahren eines kurzfristigen Intendantenwechsels in der „schwierigen Phase der Sanierung“ gewarnt. Kölns Oper ist seit 2012 schließlich eine Großbaustelle. Die Sanierungskosten sind mittlerweile von 253 auf 644 Millionen Euro gestiegen. Erst 2024/25 soll das Haus am Offenbachplatz wieder eröffnet werden, dann mit Hein Mulders an Spitze. Vor allem Reker hatte sich für einen Wechsel stark gemacht, sie wünscht sich „eine neue künstlerische Handschrift“ und bescheinigt Mulders „internationale Erfahrung und ebenso profunde Kenntnisse der Opernwelt sowie der Kulturlandschaft in NRW und in Deutschland“.
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Der 58-jährige Niederländer wird das gerne hören: „Ich bin ein Opernmensch, das ist meine Expertise.“ Mit gleicher Intensität noch ein Weltklasse-Konzerthaus wie die Essener Philharmonie zu leiten, sei „ehrenvoll und schön, aber es sind auch zwei große Jobs gleichzeitig.“
Bleibt es beim Doppelamt von Opern- und Konzerthausintendant?
Die Doppelfunktion von Opern- und Konzerthausintendant war erst zu Mulders Amtsantritt 2013 eingeführt worden. Zuvor war Stefan Soltesz als Opern-Intendant und Generalmusikdirektor für das Musiktheater zuständig. Das Konzerthaus hatte eine eigene Intendanz. Ob man das Doppel-Amt auch in Zukunft beibehalten möchte, steht noch in den Sternen. Ebenso fraglich ist es, wie es dann bei den Essener Philharmonikern weitergeht. Der Vertrag von Generalmusikdirektor Tomáš Netopil läuft ebenfalls bis 2023. Der GMD, der auch zahlreiche Auslandsverpflichtungen hat, ist allerdings nur begrenzt in Essen vor Ort. Bislang schien sein Amt eng an die Führungs-Position von Hein Mulders geknüpft.
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In Köln hingegen wurde der Vertrag von Generalmusikdirektor Francois-Xavier Roth gerade vorzeitig verlängert. Dortige Medien hatten zuletzt sogar von einer Vertragsnachbesserung mit erheblich mehr Entscheidungsmacht für den GMD berichtet. Das könne einen neuen Intendanten abschrecken, wurde spekuliert. Hein Mulders, der sich am Dienstagmorgen erstmals den Fragen der Kölner Presse stellte, sieht darin keine Probleme. Das Verhältnis sei bislang „ausgezeichnet, da mache ich mir überhaupt keine Sorgen“.
Die kommenden zwei Spielzeiten sind schon geplant
Zunächst hofft Mulders allerdings, in der Spielzeit 2021/22 endlich wieder für das Essener Publikum dasein zu können. Der neue Spielplan wird an diesem Donnerstag im TuP-Aufsichtsrat vorgestellt. Durch die Pandemie wurden viele Premieren in dieser Spielzeit verschoben, auch für 2022/23 ist die Spielzeit damit eigentlich schon durchgeplant. Wie schon in Essen wird Mulders auch in Köln pro Spielzeit voraussichtlich fünf Premieren planen, dazu sollen zwei Koproduktionen kommen. In Essen hatte der „Einkauf“ von Fremdproduktionen nicht allzu viel Zustimmung erfahren, man hatte auf „eigene“ Premieren gesetzt. In Köln sei diese Mischung schon seit langem gang und gäbe, berichtet Mulders.