Essen. Mit 500.000 Euro hat die Stadt Essen Künstlern und Kultureinrichtungen in der Corona-Krise geholfen. Die Flut der Anträge zeigt den großen Bedarf
Mancher sieht in der Krise bekanntlich eine Chance. Für Kulturdezernent Muchtar Al Ghusain sorgt die Corona-Pandemie zumindest für eine positive Erkenntnis: Durch die Fülle der Anträge für den Corona-Sonderfonds habe man noch einmal registriert, wie groß und vielfältig die Essener Kulturszene ist. So waren unter den 176 Antragstellern, die sich mit ihren Projekten für den mit 500.000 Euro ausgestatteten Zuschuss-Topf beworben haben, immerhin 90 Antragsteller, die sich zuvor noch nie um eine Förderung beworben haben. Für Al Ghusain ist das Ausdruck eines bislang unterschätzten Bedarfs, dem man auch nach Corona Rechnung tragen müsse. Viele Kreative hätten ein Einkommen unterhalb der Armutsgrenze und seien auf Unterstützung angewiesen: „Wenn wir das erkennen, hat die Pandemie auch einen Nutzen gehabt.“
Anträge in Höhe von 1,3 Millionen Euro sind eingegangen
Wenn der Kulturausschuss in der kommenden Woche zu seiner ersten konstituierenden Sitzung nach der Kommunalwahl zusammenkommt, wird die Not der Kulturschaffenden Thema sein. Gelindert werden konnte sie in den vergangenen Monaten mit den Mitteln des Corona-Sonderfonds zwar nur begrenzt, aber im Vergleich zu anderen Fördertöpfen doch relativ unbürokratisch, wie der Dezernent betont. 500.000 Euro hat die Stadt schon im Frühjahr zur Verfügung gestellt, als der erste Lockdown das Kulturleben lahm legte. Die Summe der eingereichten Anträge belief sich nach Angaben von Al Ghusain auf insgesamt 1,3 Millionen Euro. Nicht jedes Projekt konnte da voll umfänglich unterstützt werden. Von den insgesamt 176 Anträgen seien aber immerhin 119 bewilligt worden.
Für den Dezernenten, der die Amtsgeschäfte aufgrund seiner eigenen Covid-19-Erkrankung zeitweise ruhen lassen musste, ist der städtische Sonderfonds ein bedeutsames Instrument. Sein Zweck sei nicht der Sozialtransfer, sondern vor allem die Unterstützung und Ermutigung, neue Ideen und innovative Kulturformate zu entwickeln. Erfreut hat Al Ghusain deshalb registriert, dass die meisten Anträge im Bereich der „neuen Perspektiven“ eingegangen sind. So wurden Arbeitsstipendien vergeben, Kunstwerke angekauft und Kulturschaffende in der Entwicklung neuer innovativer Kulturformate unterstützt.
Allerdings müsse man den Kultur-Instituten auch bald wieder die Möglichkeit geben, eigene Einnahmen zu erzielen, wirbt Al Ghusain für ein absehbares Ende des Lockdowns. Wenn die Häuser noch einmal über Monate geschlossen blieben, würden das manche Einrichtungen nicht mehr überleben.
Dezernent Muchtar Al Ghusain möchte in Essen eine „Folkwang-Dekade“ einläuten
Der Dezernent würde die kommende Jahre dabei gerne unter ein Leitthema stellen. „Mir schwebt eine Folkwang-Dekade vor.“ Beziehen soll sich das Projekt nicht nur auf die vielen Essener Institute, die Folkwang im Namen tragen, vom Folkwang Museum bis zur Musikschule und Universität. Gespielt werden könnte das Thema auf verschiedenen Ebenen – und die wechselvolle Geschichte der 1920er Jahre mit ihren politischen Herausforderungen und gesellschaftlichen Aufbrüchen miteinbeziehen.
Der 100. Geburtstag des Museum Folkwang 2022 könnte dabei Ausgangspunkt sein. Die Ideale des Sammlungsgründers Karl Ernst Osthaus hätten schließlich bis heute Bestand. Aber auch politische Bezüge wie das Aufkommen des Nationalsozialismus, die Auswirkungen der großen Inflation und das Osthaus-Credo vom „Wandel durch Kultur, Kultur durch Wandel“ könnten Themen für aktuelle Auseinandersetzungen liefern. „Der Folkwang-Geist tut uns in ganz Essen gut“, ist Al Ghusain überzeugt.
Corona Sonderfonds: Hoffnung auf eine Neuauflage in 2021
Der Corona-Sonderfonds Kultur wurde im Mai aufgelegt und mit 500.000 Euro ausgestattet. Die Vielrespektstiftung des Unternehmers Reinhard Wiesemann hat den Betrag noch einmal um 50.000 Euro aufgestockt. Mit dieser Spende sollten insbesondere interkulturelle Projekte gefördert werden.
Auch Oberbürgermeister Thomas Kufen hat die Notwendigkeit der städtischen Hilfen früh erkannt und für 2021 bereits eine Neuauflage des Sonderfonds in Aussicht gestellt, die politisch aber noch abgesegnet werden muss.