Essen. Ben Van Cauwenbergh hat sich als Solo-Tänzer, Choreograf und seit 25 Jahren als Ballett-Chef bewährt. Da ist es für Tochter Marie nicht leicht, ihm nachzueifern. Van Cauwenbergh nennt sie „ein Bühnenkind mit viel Ausstrahlung“.

Das Tanzen liegt ihr im Blut. Ihre Großmutter Anna hat schon getanzt, ihr Onkel Tom ebenso wie ihre Mutter Nadia Deferm und ihr Vater Ben Van Cauwenbergh, seit fünf Jahren Chef des Essener Aalto-Balletts. Marie Van Cauwenbergh will auch Tänzerin werden. Unbedingt. Und sie hat glänzende Voraussetzungen.

Sie macht ihre Ausbildung am Gymnasium Werden. Sie übt diszipliniert, bewältigt Schultage, die oft bis 20 Uhr dauern, erträgt Kritik. „Sie ist sehr wichtig, manchmal sehr hart“, erzählt die 16-Jährige, die Hobbys wie Golf und Klavier spielen schon aufgegeben hat. „Man hat wenig Freizeit, aber ich opfere sie gerne.“ In den Ferien konnte sie sogar an Monacos Tanzakademie Princesse Grace trainieren. Trotz ihrer privilegierten Situation weiß sie, dass ihr nichts geschenkt wird: „Mir ist bewusst, dass es ein schwerer Weg ist.“

Einsatz für junge Talente

Die Nachwuchsförderung liegt Ben Van Cauwenbergh am Herzen und sie beginnt von Kindesbeinen an. Tanzschüler vom Gymnasium Werden sind bei Produktionen des Aalto-Balletts wie „Tanzhommage an Queen“ und „Max und Moritz“ stets im Einsatz. In dieser Spielzeit möchte Ben Van Cauwenbergh eventuell sogar eine Schülerkreation bei „Ptah“, dem Abend für junge Choreografen, im Grillo zeigen. „Das ist eine schöne Sache, weil sie so Kontakt zu den Profis bekommen“, so der Ballett-Intendant.

Eingerichtet hat er „Ptah“ ursprünglich, um seinen Tänzern die Chance zu geben, ihr Talent für die Choreografie zu entdecken und einen Weg jenseits ihrer aktiven Bühnenzeit zu eröffnen. Und dann gab es bisher für Absolventen einer Tanzausbildung die Möglichkeit, sich als Praktikant am Aalto zu bewähren. „Sie können Erfahrungen sammeln. Nur nach einem Jahr, wenn sie eingearbeitet sind, müssen wir sie gehen lassen, weil wir keine Stellen haben“, erklärt Van Cauwenbergh, der in dieser Saison seine Compagnie von 27 auf 30 Mitglieder vergrößern und die ehemalige Praktikantin Julia Schalitz fest engagieren konnte. Der Wermutstropfen: Derzeit gibt es noch einen Praktikanten, langfristig sollen dafür beide Plätze gestrichen werden.

Ihr Vater hat ihr besorgt abgeraten, sie jedoch nie gebremst. Er hat das ja alles selbst mitgemacht. Mit vier wusste der gebürtige Antwerpener, was er werden wollte, mit 18 war er Tänzer am Königlichen Ballett von Flandern, mit 20 erster Solist in London. „Das war meine beste Erfahrung. Ich konnte mit meinem Idol Rudolf Nurejew arbeiten und große Rollen wie den Romeo und den Onegin tanzen“, erinnert er sich. Seine Karriere ging fließend in die Choreografie und die künstlerische Leitung über. „Ich wollte mein eigener Chef sein“, so Ben Van Cauwenbergh, der genau das schaffte. In Luzern war er schon Ballettdirektor und tanzte noch. In Wiesbaden, wo er 15 Jahre verpflichtet war, anfangs auch. Als Marie dort geboren wurde, waren seine Gelenke angeschlagen. Das Charisma des großen Blonden, der seine Internetseite „Big Ben“ nannte, blieb unbeschadet.

Beim Segeln vergisst er alles

Dem Ruf nach Essen folgte er 2008. Mit seiner Mischung aus klassischen und modernen Einflüssen kam und kommt er gut an. Seine Ballettabende wie „Tanzhommage an Queen“, die er bereits im Gepäck hatte, sind erfolgreich. Dennoch bescherten sie ihm auch Kritik wegen ihrer populären Art. Solche Enttäuschungen, vor allem die menschlichen, prallen nicht einfach an ihm ab. Aber er kann abschalten in seinem Leben neben dem Tanz. „Beim Segeln vergesse ich alles“, berichtet der 55-Jährige über die lang gehegte Leidenschaft, an der er besonders den Teamgeist schätzt. Er genießt ihn bei Regatten in Frankreich, Italien, Holland oder auf dem Baldeneysee, wo eines seiner beiden Boote liegt. „Ich will noch gewinnen, ich bin ein Gewinnertyp“, meint er. Bei der Essener Segelwoche hat es kürzlich geklappt. Wie am Theater. Statt Direktor ist er jetzt Intendant. Diese Gleichstellung mit seinen Kollegen bedeutet ihm viel.

Dabei verliert er die Familie nicht aus dem Blick. Er lebt mit ihr in Burgaltendorf. „Ein schönes Zuhause zu haben, ist wichtig“, weiß er. Hier kocht er, geht mit Jack Russell Charlie raus, widmet sich seiner Ehefrau Nadia, die als Tanzpädagogin am Aalto arbeitet, oder Tochter Marie, die ihm im Wohnzimmer vortanzt: „Sie ist ein Bühnenkind mit viel Ausstrahlung. Ich hoffe, sie findet ihren Weg“, sagt er und hilft ihr dabei auf die Sprünge.