Essen-Katernberg. Der Essener Norden will den Müll nicht. Ob die Neu-Ansiedlung des Recyclinghofs dort wirklich passé ist, wird sich zeigen. Drama in sechs Akten.
So schnell, wie die Idee aufkam, so schnell scheint sie jetzt wieder begraben: Der Recyclinghof soll von der Lierfeldstraße an die Emscherstraße ziehen. Mit dieser Nachrichten überraschten die Essener Entsorgungsbetriebe (EBE) Anfang März Politik gleichermaßen wie Anwohner. Keine drei Monate später heißt es: „Der Recyclinghof an der Emscherstraße ist tot.“
Wer genau verstehen will, wie es dazu kam, muss fit im Thema Baurecht sein und sich in den Stühlen des Essener Rathauses wohlfühlen. Dort wurde das Veto erarbeitet, erläutert und abgestimmt. Und es zeigt sich: Bezüglich des Recyclinghofs an der Emscherstraße ist die Kuh noch nicht komplett vom Eis. Ein Drama in sechs Akten mit offenem Ende.
Essener Entsorgungsbetriebe brauchen dringend neuen Standort für Recyclinghof
1. Zunächst die Ausgangslage
Die Entsorgungsbetriebe Essen betreiben zwei große Recyclinghöfe; einen an der Laupendahler Landstraße in Werden und einen an der Lierfeldstraße in Altenessen. Für letzteren läuft Anfang 2024 die Genehmigung aus. Es muss ein Ersatzstandort gesucht werden. Dieser schien an der Pferdebahnstraße gefunden.
2. Die Überraschungsnachricht
Im März dann die überraschende Nachricht: Die EBE will an die Emscherstraße ziehen. Dort sei deutlich mehr Platz, die Genehmigung werde jetzt vorbereitet. Eine Zustimmung seitens der Politik sei nicht nötig, da das Grundstück von einer Privatperson angemietet werden würde. Anwohner und einige Stadtteilpolitiker waren empört, die Verkehrssituation sei jetzt schon kritisch und ein Recyclinghof in der Nähe von Schulen, Kindergärten und Wohnbebauung sei „menschenverachtend“ (Herbert Bußfeld, Die Linke). Die FDP im Rat sprach sich jedoch für den Recyclinghof an der Emscherstraße aus.
Schrotthändler in Altenessen wollte sich vergrößern
3. Zusatzinformation aus dem Rathaus
Es zeigte sich: Nicht nur die EBE hatten an der Emscherstraße Großes vor, sondern auch ein dort ansässiger Schrotthändler, der sich auf die Entsorgung von Autos spezialisiert hat. Der Schrotthändler hatte eine Bauvoranfrage für eine Anlage zur Verwertung von Altautos gestellt. Bis zu 600 Fahrzeuge pro Woche sollen verarbeitet werden, heißt es.
Die Ansiedlung von weiterem „Schrottgewerbe“ im Essener Norden ist jedoch absolut nicht im Sinne der Politik. Schließlich wird seit Jahren betont, die Region nördlich der A40 solle aufgewertet und die Lebensumstände verbessert werden. Die Erweiterung des Schrotthandels würde hingegen mehr Lärm und Dreck mit sich bringen.
4. Die Wende
Der Planungsausschuss schob den Plänen des Schrotthändlers mit dem Beschluss für eine sogenannte Veränderungssperre am Donnerstag (19.5.) einen Riegel vor, auch die zuständige Bezirksvertretung VI erhob in ihrer Sitzung am Freitag keine Bedenken. Der Rat muss am Mittwoch (25.5., 15 Uhr im Rathaus) noch zustimmen.
Mit Inkrafttreten der Veränderungssperre genießen bereits vorhandene Betriebe Bestandsschutz. Dazu gehört beispielsweise der Schrotthändler in seinem jetzigen Betrieb. Neue Betriebe dürfen sich aber nicht ansiedeln. Dazu gehört sowohl die Anlage zur Verwertung von Altautos, als auch der Recyclinghof der EBE. Die Veränderungssperre gilt für zwei Jahre. Währenddessen will die Stadt Essen einen Bebauungsplan aufstellen, der alles weitere regelt.
SPD und CDU hoffen auf positive Entwicklung im Essener Norden
SPD und CDU sehen diese Wende positiv: Für Klaus Hagen, CDU-Ratsherr für den Essener Norden, bietet die neue Situation die Möglichkeit, sich von Seiten der Stadtverwaltung dem langjährigen Wunsch der Bezirksvertretung V hinsichtlich eines Bebauungsplans „Wohnen“ für den genannten Bereich verstärkt zu widmen. Hagen: „Perspektivisch bietet sich hier die Chance, eine weitere positive Entwicklung im Essener Norden voranzubringen.“
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Die SPD schlägt in die gleiche Kerbe. Michael Schwamborn, Ratsherr für Essen Karnap und Altenessen Nord: „Wir sind sehr froh über das geschlossene Signal des Planungsausschusses an den Norden der Stadt, dass die Ankündigungen einer Aufwertung und Verbesserung der Lebensqualität im Norden keine leeren Worthülsen waren.“
Befürworter des Recyclinghofs an der Emscherstraße können noch hoffen
5. Das Kleingedruckte
Der Teufel liegt im Detail: „Ich bitte die Verwaltung genau zu prüfen, ob der Recyclinghof an der Stelle wirklich vom Tisch ist“, so Ratsherr Ulrich Pabst (Grüne), der auch im Aufsichtsrat der EBE sitzt. „Es muss genau geschaut werden, ob die Veränderungssperre für beide Betriebe gilt.“ Der Recyclinghof, wie er derzeit in modularer Bauweise geplant ist, sei eigentlich keine echte Veränderung im baulichen Sinne. Es komme letztendlich auf die genaue Formulierungen in der Veränderungssperre und auch im Bebauungsplan an.
Würde dort beispielsweise stehen, dass Verwertungsbetriebe auf dem Gelände verboten sind, stellt sich die Frage, ob sowohl der Schrotthandel, als auch der Recyclinghof als solcher gelten. Der Müll wird schließlich nicht an Ort und stelle verwertet, sondern lediglich umgelagert und abtransportiert.
Willkommen im Baurecht. „Das eine erlauben und das andere verbieten, dürfte schwierig werden“, sagte Steffen Lenze vom Bauamt in der Bezirksvertretung. Die Verwaltung müsse sich damit noch im Detail auseinandersetzen.
Gegner des Recyclinghofes dürfte ein Stein vom Herzen gefallen sein. Befürworter – die gibt es schließlich auch – haben die Hoffnung für die Emscherstraße hingegen noch nicht aufgegeben. Kein Recyclinghof ist nämlich auch keine Lösung.
Und das führt uns im sechsten Akt: Zurück zur Ausgangslage.