Duisburg. Die Stadt darf das Lkw-Durchfahrtsverbot in Rheinhausen nicht mehr mit ihrem Blitzer kontrollieren. Warum die Messung ein Grundrechtsverstoß sein soll.
Die Stadt Duisburg darf ihren Blitzer auf der Friedrich-Ebert-Straße in Rheinhausen nicht mehr nutzen, um das Durchfahrtsverbot für Lkw über 7,5 Tonnen zu überwachen. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat am Donnerstag eine Klage der Stadt gegen die Unterlassungsanordnung vom 4. Mai 2023 abgewiesen, mit der die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (LDI) in NRW die bisherige Nutzung der Anlage verbietet. Bettina Gayk sieht in dem Messverfahren einen „nicht gerechtfertigten staatlichen Eingriff in Grundrechte der Fahrzeuginsassen“.
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Die Stadt hatte die Anlage auf der Friedrich-Ebert-Straße in Höhe des Awo-Seniorenzentrums Lene Reklat bereits Ende 2015 installiert, Lokalpolitiker und Anwohner hatten sich dafür eingesetzt. Da sich das Logport-Gelände des Hafens auf der Fläche der ehemaligen Krupp-Hüttenwerke zu einem großen Logistikstandort entwickelt hatte, nahm der Lkw-Verkehr im Bezirk rasant zu – trotz einer neuen Umgehungsstraße von der A57 zum Logport (Charlottenring/Zum Logport).
Kamera kann Gewicht der Fahrzeuge nicht erfassen
Die Anlage kontrollierte also seit Jahren nicht nur, ob die Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer das vorgeschriebene Tempolimit einhalten, sondern auch, ob sie dort überhaupt lang fahren dürfen. Die Durchfahrt ist für Lkw mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,5 Tonnen verboten.
Der strittige Knackpunkt: Die Kamera kann das Gewicht eines Fahrzeugs nicht erfassen, sondern nur dessen Länge und Breite. Der Blitz wird automatisch ausgelöst, sobald ein Fahrzeug größer als vorgegeben ist – also nur auf Verdacht.
Dadurch werden auch Zehntausende Insassen fotografiert, die trotz der auf ein verbotenes Gesamtgewicht hinweisenden Fahrzeuggröße legal über die Friedrich-Ebert-Straße (mit)fahren: Linienbusse, Einsatzwagen der Feuerwehr, Müllwagen der Wirtschaftsbetriebe, aber auch Lkw mit Ausnahmegenehmigungen. Die Fotos von diesen werden von Mitarbeitenden der Stadt aussortiert, und nur gegen die echten Verdachtsfälle wird ein Bußgeldverfahren eingeleitet.
1652 Bußgeldverfahren binnen eines Monats
Zur Einordnung: Insgesamt passierten allein im vorigen September 347.991 Kraftfahrzeuge den Blitzer. In 1652 Fällen wurde wegen der Größen-Messung ein Bußgeldverfahren eingeleitet. Unklar bleibt, wie viele zur Kasse gebetenen Fahrzeugführer erfolgreich widersprechen konnten, etwa wegen Ausnahmegenehmigungen.
Wie dem auch sei, damit ist es jetzt vorbei, da das Verwaltungsgericht geurteilt hat: Das Verbot der Lkw-Überwachungsanlage ist rechtmäßig. „Das Urteil hat unsere Auffassung bestätigt“, erklärt die Landesdatenschutzbeauftragte Gayk. „Wir hatten den Betrieb der Anlage untersagt, weil [...] Lichtbilder der Kennzeichen und der Fahrzeugführer*innen in einer Vielzahl unzulässiger Fälle erstellt wurden.“
Ihr Sprecher Jan Keuchel betont, die Beauftragte habe sich die Entscheidung wegen der „schützenswerten Rechtsgüter der Anwohner*innen keineswegs leicht gemacht“. Man habe alternative technische Lösungsmöglichkeiten angeregt und der Stadt mehr Zeit gegeben. „Entscheidend ist allerdings letztlich, dass der Betrieb der Anlage in der derzeitigen Form gesetzlich nicht zugelassen ist. Daher liegt ein nicht gerechtfertigter staatlicher Eingriff in Grundrechte der Fahrzeuginsassen vor“, so Keuchel.
Stadt sieht Anfangsverdacht für Ordnungswidrigkeiten erfüllt
Aus Sicht der Landesbeauftragten gibt es keine Rechtsgrundlage für die Erfassung der Daten, in der Duisburger Verwaltung dagegen ist man „überzeugt, dass die Messanlage rechtmäßig eingesetzt wird“, erklärt Stadtsprecher Maximilian Böttner:
„Die Stadt ist der Auffassung, dass mit der Erkennung eines großen Fahrzeugs durch die Messanlage ein Anfangsverdacht für eine begangene Ordnungswidrigkeit durch die fahrzeugführende Person besteht. Dadurch sind nach den Rechtsgrundlagen aus dem Ordnungswidrigkeitengesetz in Verbindung mit der Strafprozessordnung die Voraussetzungen für die Ermittlung im Rahmen eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens erfüllt“. Die Aufnahme eines Fotos als Beweismittel, auf dem das Fahrzeug, das Kennzeichen und die fahrende Person zu erkennen sind, sei somit zulässig, so Böttner.
Datenschützer: In zu vielen Fällen kein Anfangsverdacht
LDI-Sprecher Keuchel hält dagegen, in einem „signifikanten Teil der Vorgänge“ liege gar kein Anfangsverdacht vor, die Anlage könne nur die Ausnahmegenehmigungen nicht erfassen. „Ein weiterer Kreis von Fahrzeugen erfüllt schon nicht die Voraussetzungen für das Durchfahrverbot. Auch das kann die Anlage mangels Wiege-Einrichtung nicht erkennen – wobei selbst eine Wiege nicht in allen Fällen helfen würde, da es um das zulässige Gesamtgewicht des Fahrzeugs geht und nicht um das tatsächliche Gewicht.“
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Hauptmanko der nun verbotenen Anlage sei, dass man den Anfangsverdacht einer Gewichtsüberschreitung anhand der Abmaße des Fahrzeugs zu ermitteln versucht. Dieser technische Anknüpfungspunkt sei „untauglich, er hat in der Praxis zu viele Fehler produziert“, so Keuchel.
Stadt Duisburg prüft, das Urteil anzufechten
Zunächst wollen beide Seiten die genaue Urteilsbegründung des Gerichts abwarten. „Dann prüfen wir, ob wir Rechtsmittel beim Oberverwaltungsgericht einlegen“, sagt Stadtsprecher Maximilian Böttner.
Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link kritisierte das Urteil in einem Facebook-Beitrag. Es sei ein Beispiel dafür, „dass der Datenschutz in Deutschland (oder hier in NRW) übertrieben wird. Diese Form der Anwendung eines ursprünglich und eigentlich sinnvollen Schutzrechts muss dringend [...] auf seinen eigentlichen Zweck zurückgeführt werden. Ich kann nur hoffen, dass die Gerichte hier schnell Klarheit schaffen, damit wir zahlreiche Anwohner endlich effektiv schützen können.“
Viele Rheinhauser müssen nun befürchten, dass sich das Urteil unter Lkw-Fahrern auf dem Weg zum Logport herumspricht und die Zahl der Lastwagen zunimmt, die verbotenerweise über die Friedrich-Ebert-Straße gesteuert werden. Vor dem Start des Blitzers Ende 2015 waren durch den Schwerlastverkehr häufig Lärm- und Abgasrichtlinien überschritten worden.
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