Duisburg. In Duisburg entstehen neue Gesamtschulen. Das wird an vielen Stellen für Entlastung sorgen. Warum die Berufskollegs über die Pläne sauer sind.
In Duisburg werden erstmals seit Jahren wieder neue Gesamtschulen gebaut. Für die aus allen Nähten platzenden weiterführenden Schulen ist das eine gute Nachricht. Die Berufskollegs werten diese Entwicklung aber auch als Gefahr, denn alle werden inklusive einer Oberstufe geplant.
Wie berichtet, wurden mit der Anne-Frank-Gesamtschule in Röttgersbach und der Gesamtschule Mitte/Süd zwei neue weiterführende Schulen für Duisburg gegründet. „Das bringt unsere beruflichen Gymnasien ins Wanken“, sagt Sven Dielkus, der Schulformsprecher der Duisburger Berufskollegs und Leiter des Willy-Brandt-Berufskollegs, „je mehr Züge an den Gesamtschulen sind, je mehr brechen bei uns weg. Aktuell halten wir Berufskollegs zehn Züge in der gymnasialen Oberstufe bereit“, betont er. Wenn die Stadt das aber nicht im Blick hat, es für sie keinen Wert hat, dann verschwinden solche Angebote, befürchtet Egbert Meiritz, sein Vorgänger im Amt.
Duisburg bietet viele Wege zum Abitur an Berufskollegs
In Duisburg gibt es neben dem Wirtschaftsgymnasium auch neue technische Bildungsgänge wie das Berufliche Gymnasium für Ingenieurwissenschaften, ein Berufliches Gymnasium für Gesundheit, eins im Bereich Gestaltung und eins im Bereich Erziehung und Soziales oder auch doppelt qualifizierende Angebote, bei denen man zugleich die Allgemeine Hochschulreife und einen Berufsabschluss als staatlich anerkannte Erzieher erwerben kann.
An den bisherigen Gesamtschulen sind manche Abiturjahrgänge sehr klein, sie haben kaum mehr als 30 Absolventen, entsprechend klein ist das Kursangebot an den Standorten. Die Idee, die Oberstufen von benachbarten Schulen in einem Oberstufenzentrum zusammenzufassen, ist da charmant, aber nicht gesetzeskonform: Das Schulgesetz lässt keine Oberstufenzentren zu.
„Das Abitur ist nicht leichter, aber der Weg dahin ist anders“
Für die Leiter der Berufskollegs ist es vor diesem Hintergrund unsinnig, alle weiterführenden Schulen mit einer Sekundarstufe 2 auszustatten. Schließlich bieten auch sie verschiedene Bildungswege an, die zur Allgemeinen Hochschulreife führen.
+++ Folgen Sie der WAZ Duisburg auch auf Instagram +++
„Bei uns haben Jugendliche und junge Erwachsene eine Chance, die den Mittleren Schulabschluss an der Allgemeinbildenden Schule nicht geschafft haben“, sagt Dielkus. „Das heißt nicht, dass das Abitur leichter ist, aber der Weg dahin, die Vorbereitung ist eine andere.“ Statt des Kurssystems gibt es feste Klassen, kaum Wahlmöglichkeiten, insgesamt weniger Naturwissenschaften, dafür aber Wirtschaft oder andere berufsbezogene Fächer, außerdem Deutsch und Englisch bis zum Schluss. „Sie schaffen es bei uns und starten dann durch“, sind sich die Schulleiter sicher.
Zumindest für die rechte Rheinseite gilt: „Unsere Vollzeit-Bildungsgänge haben viele nicht im Blick“, sagen Simone Peeters vom Robert-Bosch-Berufskolleg und Egbert Meiritz vom Friedrich-Albert-Lange-Berufskolleg. Auf der linken Rheinseite gebe es einen besseren Austausch mit den Gymnasien und Gesamtschulen, beschreibt Dielkus, jährlich etwa durch eine große Messe und Beratungsangebote des Willy-Brandt-Berufskollegs in den Schulen.
Schulleiter regen Berufliches Gymnasium mit Schwerpunkt Chemie an
Für die drei muss die Prämisse sein, „das Optimum für alle Schüler zu finden, dafür müssen wir an einem Strang ziehen“. Und: „Wer an der Gesamtschule gut klarkommt, der soll da auch bleiben.“ Aber die Jugendlichen sollen eine Chance haben, das Angebot zu sehen „und vielleicht als persönliche Option zu begreifen.“
Auch für Synergieeffekte wären die Berufskollegs offen. Damit ihre Schüler für Industrie, Wirtschaft und Handel gute Abschlüsse machen können, sind viele modern ausgestattet: „Wir halten viele moderne Laboratorien vor, wir sind ‚State Of The Art‘“, sagt etwa Egbert Meiritz. Daraus könnte der Schulträger was machen, etwa ein Berufliches Gymnasium mit dem Schwerpunkt Chemie gründen und so die Räumlichkeiten stärker auslasten. Nicht jede neue Gesamtschule brauche einen großen Naturwissenschafts-Trakt, findet er.
Lesen Sie auch diese Berichte über Schulen in Duisburg:
- Wunschschule: An diesen Grundschulen in Duisburg wird es eng
- Anmeldezahlen der 75 Grundschulen: Welche sind besonders beliebt?
- Dick und unbeweglich: Erstklässler-Test offenbart große Probleme
- Schulsozialindex: So werden alle Duisburger Schulen bewertet
- Privatschule St. George‘s School Duisburg: Was sie bietet, was sie kostet
- Förderschule: Riesenärger um geplanten neuen Standort
- Ernüchternd: So viele Lehrer fehlen an Duisburgs Schulen
- Diese Schulen in Duisburg sind von Eltern besonders begehrt
- Lost Place seit 13 Jahren: Warum vergammelt die alte Schule?
- Jogginghosen- und Handyverbot: Duisburgs beliebteste Schule
- Erfolgreiche Schule: Hier tragen auch Lehrer Jogginghose
- Hohe Schäden: „Die Idee des offenen Schulgeländes ist passé“
- Neue Duisburger Gesamtschule startet früher – mit diesen Lehrern
Dass die Berufskollegs an anderen Stellen prekär ausgestattet sind und die Bausubstanz teilweise uralt, ist allerdings auch kein Geheimnis. Um mit den Anforderungen der Ausbildungsbetriebe Schritt halten zu können, bräuchten etwa die Küchen im Sophie-Scholl ein Upgrade, nennt Dielkus ein Beispiel.
Meiritz betont, dass sie kein „Gesamtschul-Bashing betreiben wollen, aber bei den Informationsmöglichkeiten in Klasse 9 ist immer noch Luft nach oben.“ Die Leiter der Berufskollegs wünschen sich ein offeneres System, mehr Austausch, keine Konkurrenz. „Wir bieten eine zusätzliche Möglichkeit, die Bildungswege der Schüler zu ergänzen“, sagt Peeters.
Auch interessant
Gesamtschul-Leiter: „Viele wollen nach Klasse 10 keinen Wechsel“
Die Klage der Berufskollegs ist nicht unbekannt, schon mehrfach wurde mehr Kooperation eingefordert, gar beklagt, dass andere Schulformen sie schlecht reden würden. Fabian Theiß, stellvertretender Schulformsprecher der Gesamtschulen, weist Kritik an mangelnder Informationspolitik aber von sich. „Wir informieren sehr viel zu den Möglichkeiten an Berufskollegs, etwa wenn erzieherische Berufe bei den Schülerinnen und Schülern stark im Fokus stehen. Aber viele von ihnen wollen nach Klasse zehn keinen Wechsel.“
Bei einigen Bildungsgängen sei das Angebot „auf wenige Kurse zusammen gedampft“. Wenn jemand schon in der 10 weiß, dass er Speditionskaufmann werden will, dann passe das trotzdem gut, „aber für die meisten ist die Berufswahlentscheidung noch nicht so felsenfest“. Eine Gesamtschule lebt davon, dass Wege lange offen bleiben, sagt Theiß. „Und für viele ist es gut, wenn sie in der Oberstufe bei uns weiter machen.“