Duisburg. 15.000 Schüler besuchen Duisburgs Berufskollegs. Welche Bildungsgänge besonders gefragt sind, welche verschwinden und was an den Schulen Probleme bereitet.
Die neun öffentlichen Duisburger Berufskollegs sind ein großer Player im Bildungsangebot: 15.004 Schülerinnen und Schüler besuchen sie aktuell nach Angaben der Bezirksregierung. Der allgemeine Fokus ist jedoch eher auf die allgemeinbildenden Schulen gerichtet.
Das soll sich ändern, fordern Sven Dielkus und Simone Peeters, die neuen Schulformsprecher für die Duisburger Berufskollegs. Der Leiter des Willy-Brandt-Berufskollegs und die Chefin des Robert-Bosch-Berufskollegs sind beide seit 2021 in ihren Positionen und als Sprecher die Nachfolger von Egbert Meiritz vom Friedrich-Albert-Lange-Berufskolleg.
Berufskollegs in Duisburg: „Wir kriegen auch die Schulmüden“
Alle drei machen deutlich: Sie sind ein wichtiger Bildungspartner in Duisburg, auch wenn sie sich oft unterschätzt und von der Stadt als Schulträger nicht immer gesehen fühlen. Sie sprechen für 775 Lehrer, Sozialarbeiter und weiteres pädagogisches Personal, für 5230 Schülerinnen und Schüler, die in Vollzeit beschult werden, für rund 10.000 weitere im Dualen System – und alle damit verbundenen Arbeitgeber.
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„Wir sind außerdem verantwortlich für die Schulabschlüsse all derer, die es an allgemeinbildenden Schulen nicht geschafft haben“, betont Sven Dielkus. Viele Elternhäuser seien bildungsfern, aber auch ihre Kinder sollen sich eine eigene Existenzgrundlage aufbauen können, ergänzt Simone Peeters. „Wir wollen die jungen Menschen in eine Ausbildung bringen.“ Talentscouts der Universität Duisburg-Essen seien ebenfalls vor Ort, um den Sprung in ein Studium zu ermöglichen.
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Entscheidend sei, dass alle Berufskollegs das System KAoA leben – Kein Abschluss ohne Anschluss. „Wir haben Übergangslotsen, die Bundesagentur für Arbeit ist fest vor Ort, bietet Sprechzeiten an. Das wird richtig gut gemacht, damit kriegen wir auch die Schulmüden“, ist sich Peeters sicher. Die enge Zusammenarbeit mit Arbeitgebern vor Ort führe nicht selten zum Vertrag, ergänzt Dielkus. „Bei KAoA sind wir die Profis, das war schon immer unser Geschäft.“
Manche Bildungsgänge sind stark nachgefragt, andere verschwinden
Die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt, neu entstehende Berufsbilder etwa oder der Kampf um den Stahlstandort Duisburg beobachten sie genau. Allein am Robert-Bosch-Berufskolleg werden pro Durchgang rund 60 Verfahrenstechniker für HKM, ArcelorMittal oder Thyssenkrupp ausgebildet. Neue Prüfungsordnungen führten dazu, dass die Schule noch enger mit den Ausbildungsbetrieben an einem Strang zieht, berichtet Simone Peeters und hofft, dass das auch zukünftig so bleibt.
Geradezu explodiert seien die Zahlen der Bahn-Azubis am Kaufmännischen Berufskolleg Mitte, sagt Egbert Meiritz. Handwerks-Bildungsgänge und die Mechatroniker am Friedrich-Albert-Lange oder der Bereich Kälte-Klima am Bertolt-Brecht seien ebenfalls herausragend nachgefragt.
Das Willy-Brandt-Berufskolleg bildet im Bereich Technik Industriemechaniker, Zerspanungsmechaniker und Maschinen- und Anlagenführer aus. Da Siemens Energy aus Mülheim seine Auszubildenden seit Sommer 2024 ebenfalls in Rheinhausen beschulen lässt, sind die Zahlen in den genannten Bildungsgängen ebenfalls deutlich nach oben gegangen.
Dem stetig wachsenden Online-Handel trägt die Schule mit dem Teilzeitbildungsgang Fachkraft für Kurier-, Express und Postdienstleistungen Rechnung, jedoch wird es immer schwieriger, Auszubildende für diesen Beruf zu finden.
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Kritik an Landesentscheidungen: Durch Zentralisierungen Wege zu weit
Landes-Entscheidungen für oder gegen Ausbildungsgänge haben indes für Duisburg und für ganze Branchen Folgen. So werde hier kein einziger Bäcker mehr ausgebildet, bedauern die Schulleiter. Interessierte müssten dafür nach Geldern, was für Minderjährige ohne Führerschein einer Himmelfahrt gleichkomme. Maurer und Fliesenleger könnten im ganzen Regierungsbezirk nur an drei Schulen lernen.
Ein Sprecher des NRW-Schulministeriums betont jedoch, dass die Bündelung von Bildungsgängen von der Anzahl der Auszubildenden im jeweiligen Jahrgang und vom Schuleinzugsbereich abhänge. Für die Bildung von Klassen gebe es Mindest- und Höchstwerte. Fahrtkosten würden bei Bedarf bezuschusst, ebenso die Unterbringung in Internaten, wenn die Ausbildung von Blockunterricht begleitet wird. Um tägliches Pendeln zu vermeiden, sei in bestimmten Bildungsgängen zudem 40 Prozent des Unterrichts digital möglich.
Die Schulleiter haben dennoch Verständnis, dass sich mancher Interessent etwas anderes sucht. So fängt der Fachkräftemangel schon vor der Ausbildung an.
So sieht es aus bei der Unterrichtsversorgung an Berufskollegs
Die Versorgung mit Lehrkräften an den neun öffentlichen Berufskollegs ist im Vergleich zu den prekären Situationen etwa an Grund- oder Förderschulen gut, aber nicht ideal: Mehr als die Hälfte der Schulen kann sich über eine auskömmliche Personalausstattungsquote freuen. Die Statistik der Bezirksregierung dokumentiert aber nur die theoretische Anwesenheit, Langzeiterkrankungen oder Elternzeiten beispielsweise werden hier nicht erfasst.
Das Bertolt-Brecht-Berufskolleg ist mit einer Quote von 108,36 Prozent und knapp 60 Lehrkräften am besten ausgestattet. Über Verstärkung dürften sich vor allem das Sophie-Scholl und das Friedrich-Albert-Lange freuen. Der Schule in Mitte fehlen statistisch rund zehn Lehrer, in Marxloh fehlen knapp fünf.
Insgesamt gibt es sogar zehn Berufskollegs: Das Kant-BK mit dem Schwerpunkt Gesundheit, Erziehung und Soziales ist aber eine private Ersatzschule in Trägerschaft des Rheinischen Dialog- und Bildungsvereins, dessen statistische Details nicht in die Dokumentation der Bezirksregierung einfließen.
>>NEUE BILDUNGSGÄNGE AN DUISBURGER BERUFSKOLLEGS (Schuljahr 2024/25)
Wenige Schulformen sind so sehr in Bewegung wie die Berufskollegs. Bildungsgänge kommen und gehen je nach Anforderung der Unternehmen. Nach Angaben eines Sprechers der Bezirksregierung Düsseldorf gibt es allein für das neue Schuljahr diese neuen Bildungsgänge:
Gertrud-Bäumer-Berufskolleg: Zweijährige Berufsfachschule mit Berufsabschluss nach Landesrecht und Fachoberschulreife (Staatlich geprüfte Sozialassistenten Schwerpunkt Erziehung, Bildung und Betreuung für Grundschulkinder)
Sophie-Scholl-Berufskolleg: Einjährige Berufsfachschule mit beruflichen Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten und Mittlerer Schulabschluss (Fachoberschulreife) im Fachbereich Ernährungs- und Versorgungsmanagement, sowie im Fachbereich Gesundheit/Erziehung und Soziales, Berufsfeld Körperpflege
Robert-Bosch-Berufskolleg: Zweijährige Berufsfachschule mit beruflichen Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie den schulischen Teil der Fachhochschulreife im Fachbereich Technik/Naturwissenschaften, fachlicher Schwerpunkt Metalltechnik (Erhöhung der Zügigkeit)
Neue Bildungsgänge an Duisburger Berufskollegs Schuljahr 2025/26
Friedrich-Albert-Lange-Berufskolleg: Zweijährige Berufsfachschule mit beruflichen Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie den schulischen Teil der Fachoberschulreife im Fachbereich Technik/Naturwissenschaften, fachlicher Schwerpunkt Ingenieurtechnik
Auslaufende Bildungsgänge Duisburger Berufskollegs
Gertrud-Bäumer-Berufskolleg: Staatlich geprüfte Assistenten für Ernährung und Versorgung - Service, Pharmazeutisch-kaufmännische Angestellte; Berufskolleg Duisburg Mitte: Fachschule für Wirtschaft in der Fachrichtung Betriebswirtschaft - Rechnungswesen; Berufskolleg Walther Rathenau: Fachschule für Wirtschaft in der Fachrichtung Logistik; Willy-Brandt-Berufskolleg: Staatl. gepr. Maschinenbautechnischer Assistent und Fachhochschulreife